Fußball, das ist die gute Nachricht, wird es auch nach Corona geben. Das simple Spiel hat noch jede Krise überstanden, alle Verbote, alle Kriege, alle Diktaturen. Fußball ist ein Ausdruck von Lebensfreude und Freiheit - wenn beides zurückkehrt, wird auch der Ball wieder rollen. In den Parks nach Feierabend, auf den Bolzplätzen nach Schulschluss, sonntagmorgens auf roter Schlacke und auch in den großen Stadien am Wochenende.
Das ist gerade natürlich sehr schwer vorstellbar. Der weltweite Spielabbruch fühlt sich für die Freunde des Sports an, als wäre die große Stadionuhr für immer stehen geblieben. Die Orientierung fehlt. Egal, was auch passierte: Es gab eine Hin- und Rückrunde, eine Sommer- und Winterpause und in geraden Jahren ein großes Turnier. Der Kalender hatte ein paar englische Wochen und das Wochenende eine Struktur. Samstag, 15.30 Uhr, begann die Messe. Gerade in der Krise wäre diese Ablenkung ein Segen. Ob man selbst auf der Bezirkssportanlage kickt oder als Fan in der Kurve steht: Wer je den Schmerz des letzten verlorenen Spiels gespürt, wer je den entscheidenden Elfmeter ins Tor gebetet hat, wird Fußball unbedingt für systemrelevant halten.
Die schlechte Nachricht ist allerdings: Dieser Fußball ist längst ein eigenes geschlossenes System. Wie es nach Corona aussehen wird, lässt sich noch nicht abschätzen. Der weltweite Stopp aller Profiligen, die Verschiebung der Europameisterschaft um ein Jahr, die erzwungene Trainingspause für die Stars: Das alles hält die Branche schon nicht mehr aus, kaum dass sie vom Virus überhaupt erst in die Kabine geschickt worden ist.
Ein Wettbewerb nicht nur ums nächste Tor des Monats, sondern ums Überleben
Was sich bereits in Woche eins des ruhenden Spielbetriebs zeigt, ist die fehlende Nachhaltigkeit. All die Milliardenhonorare vom Fernsehen, die Einnahmerekorde in den Stadien oder die Erlöse in den Fanshops haben nicht zu einer Wertschöpfung geführt, auf die sich der Sport stützen könnte. Die Maschine Profifußball verbrennt Geld als Treibstoff. Und nun, wo die Tanks leer und die Zapfsäulen geschlossen sind, streiten sich Vereine und Verbände, wer vergessen hat, den Reservekanister aufzufüllen.
Im Theater der Emotionen ist "die große Fußball-Familie" nur gespielt, das Wort Verzicht kommt nicht vor. Schon das bloße Verschieben der EM von einem ins andere Jahr verkauft der Kontinentalverband Uefa als großes Opfer. Jeder schaut, wo er bleibt: Das Pay-TV braucht Ware für seine Abonnenten, die Klubs brauchen das Fernsehen für ihre Sponsoren, die Sponsoren brauchen Spiele und Fernsehen für die Werbung, und die Spieler und Manager brauchen alles zusammen für ihre enormen Gehälter.
Mal sehen, wer am Ende in diesem Boot voller Schiffbrüchiger wen aufgefressen haben wird. Die großen Klubs sehen schon mal nicht ein, die kleinen mit ihrer Solidarität für deren Armut zu "belohnen" - man sei ja "im Wettbewerb", sagt Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer der Borussia Dortmund GmbH & Co KGaA. Dass es ein Wettbewerb nicht nur ums nächste Tor des Monats ist, sondern ums Überleben, ist nun verbrieft.
Klar ist aber auch, dass millionenschwere Fußballer nicht morgen einfach Eishockey spielen können und lieber jetzt auf Geld verzichten sollten, um ihre Arbeitswelt zu retten. Und klar ist auch, dass niemanden interessiert, wenn Borussia Dortmund künftig gegen sich selbst antritt. Da gehen die Menschen lieber selbst kicken, Samstag, 15.30 Uhr im Park.