Bundesliga:Frankfurt ist bereit für die Champions League - Leipzig eher nicht

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Jubel nach Frankfurter Art: Torschütze Tuta (2. von links) und Daichi Kamada (links) jubeln nach dem Tor zum 3:0. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Die Eintracht zeigt beim 4:0 gegen RB eine famose Leistung und freut sich auf neue Europapokal-Höhen. Leipzigs Trainer Tedesco entscheidet sich zur Grundsatzschelte.

Von Frank Hellmann, Frankfurt

Die Vorfreude auf das, was kommt, war zur Tagesschau-Zeit am Samstagabend im Frankfurter Stadtwald gut zu hören. Die Menschen in der Arena intonierten jenen Europapokal-Ohrwurm, den mancher Fan von Eintracht Frankfurt wohl noch zum Einschlafen vor sich hin summt. Und das Heimspiel gegen RB Leipzig (4:0) geriet zu einer perfekten Einstimmung auf das Debüt der Eintracht in der Champions League.

Durchgängig waren die Frankfurter in diesem Bundesliga-Topspiel auf einem anderen Energielevel unterwegs als der in Eintracht-Gefilden so ungeliebte Brauseklub. Entsprechend groß war die Begeisterung über die Tore von Daichi Kamada (16.), Sebastian Rode (22.), Tuta (67.) und Rafael Borré (84./Foulelfmeter). Frankfurts Trainer Oliver Glasner, 48, freute sich gleichermaßen über eine "tolle Offensivleistung" und eine "außergewöhnliche Defensivleistung". Ohne Überschwang konnte sich der Österreicher auch ein bisschen selbst loben: "Wir haben heute die richtige Mischung gefunden."

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Glasners Handgriffe gehen aktuell auf. Hinten hat der Trainer auf eine Viererkette umgestellt, im Angriff der Eintracht tobt sich ebenfalls eine Viererbande aus: mit Zugang Randal Kolo Muani als wuchtigem Mittelstürmer sowie Kamada, Mario Götze und Jesper Lindstrøm als Freigeister mit Technik und Tempo. "Es hat vieles funktioniert, weil wir variabel sind und die Räume richtig belaufen", konstatierte der erneut stark aufspielende Weltmeister Götze, über den in dieser Form auch Bundestrainer Hansi Flick im Hinblick auf Katar noch mal nachdenken dürfte. Götze selbst tut das nicht, wie er im ZDF überraschend deutlich kundtat: "Das ist kein Thema für mich", versicherte er: "Ich konzentriere mich auf den Verein, auf das, was hier passiert. Alles andere ... da möchte ich auch nicht mehr drüber reden."

Neuerwerbung Kolo Muani erinnert ältere Fans bereits an Anthony Yeboah

Auch Glasner war so klug, diese Debatte nicht zu befeuern, zumal gegen Leipzig keine Götze-Soloshow, sondern ein Gesamtkunstwerk zur Aufführung kam: "Es wäre unfair, wenn wir einen rausheben müssten", fand der Coach. Wie schnell zudem Frankfurts Neuerwerbung Muani, 23, in der Bundesliga durchstartet, das erinnert ältere Fans bereits an die Eintracht-Ikone Anthony Yeboah. "Es macht mir große Freude, mit diesen Jungs zusammenzuspielen. Man hat mich bei der Eintracht wie in einer Familie aufgenommen", sagte die vom FC Nantes erworbene französische Entdeckung. Am 4:0 beteiligte sich Muani mit zwei Torvorlagen.

Einfach besser drauf: Frankfurts Mario Götze (links) hat den Ball im Visier, Leipzigs Emil Forsberg eher nicht. (Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

Nach einigen Anlaufschwierigkeiten zu Saisonbeginn wirkt es nun überaus stimmig, was die Eintracht anbietet. "Ich messe die Mannschaft an dieser Leistung. Das ist der Maßstab", sagte Sportvorstand Markus Krösche nach dem Ausrufezeichen gegen RB. Damit schwoll auch die Brust für die Champions-League-Premiere gegen Sporting Lissabon (Mittwoch, 18.45 Uhr). Glasner erinnerte daran, dass sein Europa-League-Siegerteam bislang nur gegen den FC Bayern (1:6) und Real Madrid (Uefa-Supercup, 0:2) verloren habe -gegen Kaliber, die noch zu groß sind. Die Gruppe mit Sporting, Olympique Marseille und Tottenham Hotspur gilt hingegen als machbar.

"Wenn wir so in der Champions League auftreten, ist viel möglich", glaubte Kapitän Kevin Trapp, der kürzlich das Angebot von Manchester United ausgeschlagen hat, um im Frankfurter Tor zu bleiben. Für Glasner steht fest: "Jetzt kommt die beste Zeit in diesem Jahr. Wir dachten alle, das wäre schon im Europa-League-Finale gewesen. Nein, jetzt ist Champions League! Das erste Mal in der Geschichte der Eintracht. Wenn wir jetzt keine Begeisterung hätten, wann dann?"

Genau vor diesem Dilemma steht spätestens seit Samstag Glasners Kollege Domenico Tedesco. Leipzigs Trainer fühlt sich vor dem Champions-League-Auftakt gegen Schachtjor Donezk (Dienstag, 21 Uhr) fatal an seine Schalker Zeit erinnert, wo er nach der Vizemeisterschaft 2017 eine handfeste Krise durchlebte, in der Europa-Festspiele bald vom Abstiegskampf überlagert waren. So weit ist es mit den fehlgestarteten Leipzigern zwar noch nicht, dennoch haderte Tedesco: "Die Champions League kannst du nur genießen, wenn es in der Liga läuft."

"Es gab gar nix Positives", grantelt Leipzigs Trainer Tedesco.

Doch es läuft gar nicht bei den Rasenballern. Das Spiel in Frankfurt, betonte der ernüchterte Coach, sei in neun Monaten Amtszeit in Leipzig für ihn "ein Novum" gewesen: "Es gab gar nix Positives." Hatten die vorherigen Rückschläge der Saison zumindest plausible Erklärungsansätze und teilweise ordentliche Phasen in den Partien enthalten, so sah sich Tedesco diesmal zu einer Grundsatzschelte veranlasst: "Wir haben komplett die Basics vermissen lassen, waren gar nicht da. Wir waren null aggressiv. Wir waren grottenschlecht, eine Katastrophe. Wenn man drei Systeme spielt und es ändert sich nichts, dann liegt es an der Mentalität." Die wenigen Spieler, die sich beim Verlierer äußerten, widersprachen Tedesco nicht.

Im RB-Sturm harmonierten der kaum zu sehende Timo Werner und der schwache Christopher Nkunku, in der Vorsaison noch Leipzigs Bester, gar nicht: Ganze vier Schussversuche gaben die Gäste ab - keiner ging auf Trapps Tor. Zudem liefen die Leipziger insgesamt fast neun Kilometer weniger als die Frankfurter. Tedesco vermutete einen Zusammenhang zwischen der prominenten Aufstellung und der peinlichen Darbietung. Der eine oder andere habe wohl gedacht, die Top-Besetzung regele alles von selbst: "Aber im Fußball und im Leben läuft nichts von alleine."

Erschwerend hinzu kam für RB eine Knieverletzung von Dani Olmo. Der Spielmacher erlitt schon nach zehn Minuten eine Innenband-Teilruptur und fällt nun vier bis sechs Wochen aus. Das Selbstverständnis des DFB-Pokalsiegers ist damit angekratzt vor dem Start der Europa-Tour, auch der Trainer steht inzwischen unter kritischer Beobachtung. Mit Blick auf die Aufgabe Donezk sagte Tedesco: "Wir sind Profis und müssen das hinkriegen. Wir spielen definitiv die Champions League - die können wir ja nicht verschieben." Vorfreude hört sich anders an.

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