Bundesliga:FC Bayern kreiert ein Gemälde voller Präzision

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Das feinste Füßchen in Hamburg: Thiagos Weltklassepass leitet den Siegtreffer der Bayern ein. (Foto: Christian Charisius/dpa)

Thiago zerschneidet mit einem Pass die HSV-Abwehr, Ribéry dribbelt, Kimmich trifft. Das Tor zum 1:0 verdeutlicht, was den FC Bayern gerade stark macht: individuelle Klasse.

Von Carsten Scheele, Hamburg

Thiago flitzte mit einem sehr breitem Grinsen durch die Katakomben, er stieß einen Jubelschrei aus, der nach "Yihaa" klang. Dann kam sein Kollege Franck Ribéry, packte Thiago an den Schultern, ahmte dessen Ruf nach. Das spät erlösende 1:0 (0:0) beim Hamburger SV, kurz vor Anbruch der Nachspielzeit in der 89. Minute, es tangierte die Bayern dann doch.

Natürlich hatten die Münchner die Partie wieder einmal überlegen gestaltet. Chance um Chance war in der zweiten Halbzeit in Richtung HSV-Tor gerollt, an einem normalen Arbeitstag hätten daraus sicher drei bis vier Tore resultiert. Drei Tage vor dem mutmaßlich schweren Champions-League-Auswärtsspiel bei Atlético Madrid hätte sich die Mannschaft das Leben deutlich einfacher machen können, nämlich mit einem früheren Treffer, wie Kapitän Philipp Lahm schlau bemerkte. Doch David Alaba köpfelte bloß René Adler an, Robert Lewandowski ließ sich den Ball vom HSV-Torwart vom Fuß stibitzen, Thomas Müller setzte das Spielgerät Zentimeter am Pfosten vorbei. So ging das 88 Minuten lang.

Ehe Thiago und Ribéry spät das Kommando übernahmen. Thiago, der fast über die gesamte Spielzeit von emsigen Hamburgern erfolgreich zugestellt worden war, der Guardiola-Spieler, der vom geschiedenen Trainer einst mit den berühmten Worten "Thiago oder nix" nach München gelotst worden war. Der erst mal damit klar kommen muss, unter dem neuen Trainer Carlo Ancelotti nicht mehr automatisch der Liebling zu sein. Und Ribéry, der Franzose im Karriereherbst, der unter Ancelotti merklich aufblüht und endlich auch mal wieder verletzungsbefreit agieren kann.

"Der Pass von Thiago war fantastisch", sagt Carlo Ancelotti

Sie waren nun zur Stelle. Adler hatte den Ball zu Außenverteidiger Gotoku Sakai gespielt, der in Bedrängnis geriet und einen gefährlichen Pass in die Mitte riskierte. Dort schritt Thiago zur Tat, der den Ball kunstvoll volley in den Lauf von Ribéry lenkte und so mit einem einzigen Kontakt die Hamburger Abwehrformation zerschnitt und entblößte. Ribéry sortierte sich kurz, dribbelte dann mit Verve bis zur Grundlinie, wo er einen scharfen Pass in die Mitte ansetzte. Der Ball landete auf dem Fuß von Joshua Kimmich, der nur noch einnetzen brauchte.

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Von Carsten Scheele, Hamburg

Die HSV-Fans erstarrten ob des geplatzten Punktgewinns. Dabei wäre es aus rein fußballtechnischer Sicht angebracht gewesen, sich von den Sitzen zu erheben und zu applaudieren. Einen "genialen Moment" attestierte Mats Hummels, der wegen eines Schlags auf die Patellasehne ausgewechselt werden musste, seinen beiden Mitspielern. Ancelotti adelte insbesondere seinen Spielmacher. "Der Pass von Thiago war fantastisch", so der Trainer, "das ist eine seiner großen Qualitäten." Auch wenn dem Spanier in den 88 Minuten zuvor eher wenig gelungen war, scheint es, als könnte aus dem Guardiola-Spieler übergangslos auch ein Ancelotti-Spieler werden.

Und noch einer war froh, dass die Situation ein glückliches Ende nahm: Es war Kimmich, der Torschütze, der den Bayern, obwohl Toreschießen gar nicht zu seinen primären Aufgaben gehört, schon wieder ein Spiel mitentschieden hatte. "Ich dachte nur, den darfst du nicht vermasseln", berichtete Kimmich später, frisch geduscht und ein bisschen stolz. Er hatte es nicht vermasselt. So ist auch der 21-Jährige nun Teil dieses Gemäldes, das die beiden Künstler Thiago und Ribéry auf den Rasen gemalt hatten.

© SZ vom 25.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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