TV-Gelder:Der deutsche Fußball hat eine große Chance verpasst

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Während einer Bundesliga-Partie erfassen Kameras die Position jedes Spielers auf dem Feld - und zwar 25 Mal pro Sekunde. (Foto: John Macdougall/dpa)

Die Verteilung der TV-Gelder in der Bundesliga wird ein bisschen gerechter - und sehr viel komplizierter. Ein Blick in die Premier League hätte ausnahmsweise geholfen.

Kommentar von Johannes Aumüller

Als vor einem Dreivierteljahr die Corona-Folgen auch den Profifußball trafen, dauerte es nicht lange, bis es aus der Szene viele hehre Ankündigungen gab. Diese Krise offenbare wie unter einem Brennglas viele schon länger bestehende Probleme, sie sei der Moment, in dem sich die Branche besinnen müsse, lautete der Tenor. Von Demut, Reform und Umdenken war die Rede.

Davon ist seitdem nicht viel zu merken. Das belegt manche Vertragsverhandlung zwischen Top-Klubs und Top-Profis ebenso wie das andauernde Gefeilsche um die internationalen Wettbewerbsformate. Für den deutschen Profifußball galt der Montag als eine Art Lackmustest: Da verkündete die Spitze der Deutschen Fußball-Liga (DFL) den Beschluss zur künftigen Verteilung der TV-Gelder. Es war ein komplexes Modell, das sie präsentierte, und es war erkennbar, dass viele gute Gedanken drinsteckten. Aber unterm Strich, so viel lässt sich sagen, hätte die Liga-Spitze noch mehr Schritte unternehmen können und sollen, um zu einer gleichmäßigeren Verteilung der TV-Gelder zu kommen.

Damit hat der deutsche Profifußball eine große Chance verpasst. Es war in Person des Kieler Vereinspräsidenten Steffen Schneekloth interessanterweise ein Vertreter der kleineren Klubs, der kürzlich kundtat, es sei nicht die Zeit für "revolutionäre Umverteilungen". In der Tat ist die wirtschaftliche Lage an vielen Standorten schwierig, und tatsächlich muss die DFL auch im Blick haben, dass radikale Veränderungen manche Finanznot auch verstärken würden. Aber mit Blick aufs große Ganze wären grundsätzliche Umstellungen im Verteilerschlüssel wichtig gewesen - gerade in der jetzigen Lage. Um die Wahrscheinlichkeit für einen ausgeglicheneren Wettbewerb zu erhöhen; aber auch, um eine größere Akzeptanz des Gesamtsystems Profifußball zu erreichen.

Der FC Bayern erhält fast vier Mal so viel wie ein Aufsteiger. In England liegt das Verhältnis nur bei 1,8:1.

In Deutschland ging bei der TV-Geld-Verteilung die Spreizung zwischen den Branchenführern um den FC Bayern und den Klubs im Tabellenkeller einfach viel zu weit auseinander - bis zu 3,8:1 betrug sie. Das neue Modell ist so geschaffen, dass die Spreizung künftig ein wenig zurückgehen wird. Das ist ein wichtiger Schritt. Allerdings werden die Unterschiede bei Weitem nicht auf das Niveau heruntergehen, das beispielsweise in der Premier League herrscht. Dort haben sich die Vereine darauf verständigt, dass der Tabellenerste maximal 1,8 Mal so viel von den TV-Einnahmen bekommen darf wie der Tabellenletzte. Nun ist die Premier League sicher nicht als Ort des Fußball-Sozialismus bekannt, und sicher gibt es Themenbereiche, in denen sie kein gutes Vorbild ist. In dieser Frage darf sie aber als gute Richtschnur dienen. Die TV-Geld-Verteilung war zwar gewiss nicht alleine ursächlich, aber auch nicht irrelevant für den Umstand, dass es in der Premier League seit der Saison 2012/13 fünf verschiedene Meister gab - während in Bundesliga stets der FC Bayern reüssierte.

Dabei ist es ja nicht einmal so, dass mit einer gleichmäßigeren Verteilung in der Liga plötzlich so etwas wie finanzielle Chancengleichheit herrschen würde. Da ist das viele Geld, das Großkonzerne von VW bis Red Bull in ihre Klubs stecken; da sind die Erlöse, die der FC Bayern und andere im Europapokal aus den Töpfen von Europas Fußball-Union Uefa bekommen. Die Münchner allein kassierten durch ihren Champions-League-Triumph in der Vorsaison zirka 130 Millionen Euro - und damit mehr als durch die TV-Gelder in der Bundesliga.

Nein, niemand will den FC Bayern für seine Erfolge bestrafen. Aber auch an diese Spreizung des Systems unter dem Gesichtspunkt eines fairen und spannenden Wettbewerbs heranzugehen, das wäre wirklich eine Revolution.

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Von Johannes Aumüller

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