Bundesliga:Sollen sie spielen, zumindest auf Probe!

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Bald wieder Zweikämpfe in der Bundesliga wie hier zwischen Robert Lewandowski vom FC Bayern und Tyler Adams (r.) von RB Leipzig? Es wäre einen Versuch wert. (Foto: dpa)

Ist es frivol, jetzt Profisport zuzulassen, damit Fernsehgeld in die Kassen kommt? Nein, vorausgesetzt, die Fußballbranche zeigt Demut und Solidarität. Der Gesellschaft täte in der Krise ein wenig Ablenkung nur gut.

Kommentar von Josef Kelnberger

Selbstverständlich war es illegal, was zwei junge Männer in dieser Woche auf einem Grünstreifen mitten in München aufführten. Sie spielten einander einen Fußball zu, mit beachtlichem Geschick, erst aus großer Entfernung, dann von ganz nah, mit dem Fuß, mit dem Kopf. Schließlich rauften sie um den Ball, hinterher lagen sie lachend nebeneinander im Gras. Zweifellos ein krasser Verstoß gegen Hygienevorschriften, dennoch sahen ihnen Passanten versonnen zu. Die Szene vermittelte eine Ahnung davon, was dieser Gesellschaft in der Corona-Isolation, neben vielem anderen, fehlt: Bewegung, Eleganz, Wettkampf. Der Sport.

Nun bereitet sich die Fußball-Bundesliga darauf vor, den Betrieb wiederaufzunehmen, ohne Zuschauer im Stadion, aber vom Fernsehen übertragen. Es gibt gute Gründe, dies für ein bizarres Schauspiel zu halten, für obszön, während in Krankenhäusern und Pflegeheimen der Tod wütet. Es gibt aber auch sehr gute Gründe, sich vielleicht sogar darauf zu freuen. Sollen sie spielen, zumindest auf Probe. Ein wenig Ablenkung kann dieser Gesellschaft nicht schaden, und das ist nicht zynisch gemeint.

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Sollte die Politik grünes Licht geben, könnte die Bundesliga am 9. Mai wieder starten. Mit Medienpartnern hat sich die DFL bereits auf eine Vorauszahlung der TV-Prämien geeinigt.

Das Virus bringt Tod und Verzweiflung übers Land, ruiniert die Wirtschaft, könnte, wenn die Krise zu lange dauert, Regierungen ins Wanken bringen. Und irgendwann werden auch die psychosozialen Verwüstungen in den Blick rücken, die der Lockdown anrichtet. Die Vereinzelung, die Angst um Leben und berufliche Existenz, die tägliche Beschallung mit Corona-Schreckensnachrichten - all das fördert Wut, Hass, Depression, Gewalt. Die Instanzen, die ansonsten in Krisen Gemeinsinn und Humanität stiften, die Abwehrkräfte einer Gesellschaft stärken, sind lahmgelegt. Dazu zählen die Religionsgemeinschaften, die Einrichtungen von Kunst und Kultur. Und auch der Sport zählt dazu. Es leiden unter dem Lockdown eben nicht nur die Profis, die in diesem Jahr wohl nicht mehr in vollen Stadien ihrem Beruf nachgehen können. 27 Millionen Mitglieder zählt der Deutsche Olympische Sportbund, sieben Millionen der Fußball-Bund, darunter viele Kinder und Jugendliche, die ganz besonders betroffen sind: keine Kita, keine Schule, kein Sport.

Aber ausgerechnet die Millionäre der Fußball-Bundesliga sollen nun Sonderrechte erhalten und ihre TV-Verträge erfüllen dürfen, privilegiert von den Regierenden als Opium fürs Volk? Ja, das klingt nach einer ziemlichen Zumutung.

Der Profifußball gilt als das schwer erziehbare Lieblingskind der Deutschen. Er ist Gegenstand von grandioser Überhöhung und zugleich grundsätzlicher Gesellschaftskritik. Der Ruf von Selbstüberschätzung, Geldgeilheit und Korruption eilt ihm seit mindestens fünf Jahrzehnten voraus. In angelsächsischen Ländern ist dieser Profisport vor allem ein Berufszweig, in dem sehr viel Geld zu verdienen ist mit einer guten Show. In Deutschland ist er, im Angedenken an Turnvater Jahn und hehre Amateur-Ideale, mit mehr gesellschaftlicher Verantwortung konfrontiert. Viele Kritiker, auch Fans, würden ihn nun am liebsten in den Konkurs schicken, in der vagen Hoffnung auf eine Läuterung. Besser wäre es, der Fußball fände selbst zu mehr Demut.

Die Medienpartner schießen nun 300 Millionen Euro vor, die Gefahr von Insolvenzen ist damit aber nur aufgeschoben. Bis zum Ende der Corona-Epidemie hält die Bundesliga ohne Spiele nicht durch. Politik und Behörden müssen entscheiden, ob unter einem Hygiene-Regime vor leeren Rängen gespielt werden darf. Falls ja, spielt die Bundesliga auf Bewährung. Unterstützt sie mit ihren Millionen die ganze Fußballgemeinde, andere Sportarten? Oder wandert das Geld wieder in 100-Millionen-Transfers, in die Taschen von Spielern und Spielerberatern?

Das Projekt Corona-Bundesliga wäre ohnehin ein wackliges Konstrukt. Sollte sich erweisen, dass die vielen Tausend Corona-Tests, die dafür vorgesehen sind, in Krankenhäusern, Pflegeheimen fehlen, wird man abbrechen müssen, ebenso, wenn sich Massen von Fans vor den Stadien versammeln. Bliebe die Frage: Wird nicht eine falsche Normalität vorgegaukelt, wenn in Zeiten, in denen Social Distancing gefragt ist, Profisportler in den Zweikampf gehen? Man sollte Fußballfans zutrauen, dass sie den Unterschied zwischen Profishow und Alltag erkennen. Ohnehin sind Bundesligaspiele ohne Zuschauer im Stadion, vor leeren Rängen, keine Normalität, sondern Trauerspiele, und insofern vielleicht sogar angemessen für die Corona-Zeit.

Bestenfalls wäre der Neustart des Profifußballs, so privilegiert er erscheinen mag, nach den Wochen der Verbote Teil eines selbstverantwortlichen Umgangs mit der Virus-Krise. Schlimmstenfalls müsste man ihn schnell wieder abbrechen. Aber selbst dann wird es kein Schaden sein, wenn sich Millionen von Menschen eine Weile auch mit der Bundesligatabelle und falschen Abseitsentscheidungen befasst haben statt nur mit Corona-Statistiken und den neuen Warnungen der Virologen.

© SZ vom 24.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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