Bundesliga:BVB spielt schon für die Zukunft

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1:2 in Berlin: Der zweifellos talentierte BVB spielt gerade maximal inkonstant. (Foto: Soeren Stache/dpa)
  • Der BVB verliert 1:2 bei Hertha BSC - Coach Thomas Tuchel nimmt die schwankenden Leistungen seiner Mannschaft als unabdingbar hin.
  • Es wirkt so, als würden sie sich in Dortmund langsam mit dem Gedanken anfreunden, diese Saison als eine Saison der Lernerfolge zu verbuchen.
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Von Sebastian Fischer, Berlin

Es war an diesem Wochenende wieder dem Fußballphilosophen Pal Dardai vorbehalten, das Geschehene einzuordnen. Dardai, Trainer von Hertha BSC, hat zuletzt oft seine Gabe bewiesen, die Wirklichkeit einfach zu schildern. Im Abstiegskampf müsse man spielen "wie ein Bauer", sagte er, oder lobte sein Team nach Spielen, die an Schlachten erinnerten, für seinen "Männerfußball". Nun sprach Dardai über Borussia Dortmund. Er beglückwünschte den Kollegen Thomas Tuchel für die "wunderschöne Qualität" in dessen Mannschaft - und hatte damit alles gesagt. Denn Dardais Hertha hatte die Mannschaft von wunderschöner Qualität ja mit 2:1 besiegt.

Die Dortmunder hatten sich spielerisch nicht viel vorzuwerfen, so sah das auch Tuchel. Doch sie hatten trotzdem zum fünften Mal in dieser Saison verloren, mal wieder nach einem rauschhaften Erlebnis zuvor, dem 4:0 in der Champions League gegen Benfica Lissabon. Tuchel saß gar nicht mal übel gelaunt in der Pressekonferenz, grinste zwischendurch sein Ihr-Schlaumeier-schon-wieder-Grinsen, und sagte: "So ist es halt. Vielleicht ist es ja nur Zufall."

Dortmund verliert wunderschön

Es ist bekanntlich die unter der Oberfläche schwelende sportliche Debatte, die diese Saison den BVB begleitet, dass Tuchel die Inkonstanz seiner zweifellos talentierten Mannschaft als unabdingbar hinnimmt, was ihm die Dortmunder Geschäftsführung nicht so recht gestatten will. In dieser Hinsicht war der Samstag exemplarisch: Tuchel hatte seine Mannschaft auf vier Positionen verändert, er wechselte unter anderem Stürmer André Schürrle für Ousmane Dembélé ein und Verteidiger Matthias Ginter für Sokratis. Die Gründe für die Niederlage, analysierte Tuchel, waren "mangelnde Effektivität und mangelnde Präzision" vorne, sowie ein "verschenktes" Tor: Vor dem 0:1 hatte Ginter den Ball vertändelt, auch den Freistoß vor dem 1:2 verschuldete er.

Es sah teilweise großartig aus, wie die Dortmunder kombinierten, in der gegnerischen Hälfte waren am Ende fast 80 Prozent der Passversuche angekommen. Das zwischenzeitliche 1:1 durch Pierre-Emerick Aubameyang, Anlass für Dardais Schwärmen, war ein perfekter Spielzug, vom Stürmer selbst per Hacke eingeleitet. Von Shinji Kagawa, dem besten Dortmunder, bekam er den Ball zurück, schoss ihn in den Winkel und schlug einen Salto. Danach hatte der BVB genug Chancen, um zu gewinnen, doch er nutzte sie nicht.

Die Borussia könnte dem Erreichen des Saisonziels, der direkten Qualifikation für die Champions League, schon viel näher sein. Dass Hoffenheim am Samstag nicht über ein Unentschieden in Freiburg hinauskam und der BVB die Chance verpasst hatte, den Konkurrenten um Platz drei bis auf vier Punkte zu distanzieren, war Tuchel aber "noch egaler als sonst", sagte er.

Man könnte die Dortmunder Situation ja auch so interpretieren, dass eine Mannschaft am Beginn ihrer Entwicklung im Champions-League-Viertelfinale steht, am Dienstag gegen den Drittligisten Sportfreunde Lotte ins DFB-Pokal-Halbfinale einziehen kann und in der Meisterschaft auf Kurs ist. Trotzdem wirken die Dortmunder in dieser Saison nie ganz zufrieden. Als seine Mannschaft in Berlin einen ihrer 18 Torschüsse danebengeschossen hatte, sank Tuchel auf die Knie und schlug auf den Rasen wie ein Judoka, der zum Aufgeben auf die Matte klopft.

Vom Aufgeben ist der BVB freilich weit entfernt. Doch es wirkt so, als würden sie sich in Dortmund langsam mit dem Gedanken anfreunden, diese Saison als eine Saison der Lernerfolge zu verbuchen. Über Offensivspieler Emre Mor, in Berlin trotz Rückstands 90 Minuten lang auf der Bank, hat Tuchel jüngst gesagt, jener müsse die ganzen Facetten des Profigeschäfts noch kennenlernen. Der Abwehr fehlt es an Sicherheit, wenn Sokratis nicht spielt, obwohl der Spanier Marc Bartra gegen die Hertha seinen Aufwärtstrend bestätigte. Und Dembélé, bester Dortmunder der vergangenen Wochen, sei nach fünf Spielen in Serie müde gewesen, sagte Tuchel. Mit der Entscheidung, ihn nur einzuwechseln, habe er nur seine Fürsorgepflicht erfüllt.

Sie hoffen beim BVB darauf, dass in dieser Saison eine Mannschaft heranwächst, der die Zukunft gehört - wenn sie im Sommer mit Spielern wie Leverkusens Ömer Toprak und mutmaßlich Gladbachs Mahmoud Dahoud ergänzt wird. Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke betont derzeit, dass er vom Verbleib Aubameyangs ausgehe. Bald soll der BVB gegnerische Trainer ja wieder konstant nicht nur zum Schwärmen bringen, sondern vor allem besiegen.

© SZ vom 13.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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