Bundesliga: Borussia Dortmund:Überschüttet mit Bier und Liebe

Lesezeit: 3 min

"Ich dachte, es fühlt sich anders an": Dortmunds Trainer Jürgen Klopp fremdelt kurzzeitig mit dem Gewinn seiner ersten Deutschen Meisterschaft. Am Dortmunder Ausnahmezustand ändert das selbstverständlich nichts.

Philipp Kreutzer, Dortmund

Besonders lange hat Jürgen Klopp nicht verschnaufen dürfen. Nach der ersten Bierdusche hatte er sich zunächst in den Mittelkreis zurückgezogen, um von dort das ausgelassene Treiben seiner Mannschaft vor der wogenden Südkurve zu beobachten.

Deutscher Meister 2011, tatsächlich: Jürgen Klopp. (Foto: REUTERS)

Doch ihm blieb keine Zeit, um wie einst Franz Beckenbauer in Rom sinnierend über den Rasen zu schlendern. Schon bald kam sein Einsatzbefehl, gebrüllt von 25.000 völlig euphorischen Anhängern auf der Fantribüne: "Jüüüürgen Kloo-oopp!"

Der Dortmunder Meistertrainer folgte dem lautstarken Aufruf natürlich sofort, er machte mit den Fans die La Ola und präsentierte in Ermangelung des Originals, das erst nach dem letzten Spiel überreicht wird, eine übergroße Papp-Meisterschale. Sicher wäre ihm noch manches mehr eingefallen, um gemeinsam mit den Anhängern seinen ersten und den siebten Titelgewinn des BVB zu feiern, doch daraus wurde nichts mehr. Seine Mannschaft stürzte sich auf ihn, spendierte weitere alkoholische Duschen und ließ ihn hochleben.

Dieses Bild von Klopp, wie er auf den Schultern seiner Spieler den Fans zujubelt, geriet zum emotionalen Höhepunkt der Party im Stadion, die sofort nach dem mit 2:0 gegen Nürnberg gewonnenen Spiel begann, mehr als eine Stunde währte und später auf den Plätzen, in den Straßen und in den Kneipen der Stadt bis zum Morgen ihre Fortsetzung fand.

Große Zuneigung haben sie in Dortmund ja schon seit längerer Zeit für den in der dritten Saison beim BVB tätigen Coach empfunden. Nun aber, nachdem er diese seine Mannschaft mit mitreißendem, leidenschaftlichen Fußball und noch dazu als bisher jüngstes Team in der Bundesliga-Geschichte zum Titel geführt hat, ist daraus endgültig Liebe geworden.

In etwas diffuseren Gefühlszuständen als die Anhänger befanden sich die ganz unmittelbar Beteiligten. In fast allen Interviews kam neben der kolossalen Freude auch der Unglaube über das Geleistete zum Ausdruck. "Ich bin einfach glücklich", sagte Klopp, nachdem ihn seine Spieler zu Boden gelassen hatten. Zugleich stellte er etwas irritiert fest: "Ich habe aber gedacht, es fühlt sich anders an, noch euphorischer. Aber das kommt vielleicht erst noch mit der Zeit."

Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke gab zu, "das alles noch gar nicht richtig begreifen" zu können, BVB-Präsident Reinhard Rauball sagte: "Das ist in der Nähe eines Märchens" und erinnerte im Moment des großen Triumphs an die noch vor wenigen Jahren drohende Insolvenz: "Man darf nicht vergessen, dass wir hier nicht wussten, ob es überhaupt weiter geht."

Manager Michael Zorc ordnete die siebte Meisterschaft als "größte Leistung in der Geschichte von Borussia Dortmund" ein: "Zumindest seit 1980 - so lange kann ich mich nämlich zurückerinnern."

Dortmund in der Einzelkritik
:Die coolen Jungs

Weidenfeller jagt Kahns Rekord, Hummels heimst den nächsten Scorerpunkt ein, Götze beweist sein erstaunliches Gefühl für Raum und Zeit und Dede schießt als Letzter aufs Tor. Die Meister-Borussen beim 2:0 gegen Nürnberg in der Einzelkritik.

Philipp Kreutzer, Dortmund

Den Spielern stand der Sinn weniger nach Analysen. Während des Spiels hatten eigentlich nur Lucas Barrios und Robert Lewandowski mit ihren Treffern für Höhepunkte gesorgt, anschließend gab es dagegen jede Menge denkwürdige Momente.

Dortmund in der Einzelkritik
:Die coolen Jungs

Weidenfeller jagt Kahns Rekord, Hummels heimst den nächsten Scorerpunkt ein, Götze beweist sein erstaunliches Gefühl für Raum und Zeit und Dede schießt als Letzter aufs Tor. Die Meister-Borussen beim 2:0 gegen Nürnberg in der Einzelkritik.

Philipp Kreutzer, Dortmund

Etwa, als gleich mehrere Spieler und Fans die Torlatte erklommen und ordentlich durchbogen, als die Anhänger einmal mehr dem im Sommer nach 13 Jahren von der Borussia scheidenden Dede huldigten oder als der Ur-Dortmunder Kevin Großkreutz sich noch auf dem Platz von Teamkollege Felipe Santana eine ebenso amüsante wie fragwürdige Frisur verpassen ließ: vorne kahl und hinten lang, Vokahila also. Man darf gespannt sein, wie viele BVB-Anhänger es ihm gleichtun. Großkreutz hatte versprochen, sich die Haare erst nach dem Gewinn der Meisterschaft schneiden zu lassen. Ein Friseurbesuch ist nun wirklich bitter nötig.

Für Großkreutz, im Stadtteil Eving aufgewachsen und von Kindesbeinen an Fan des Vereins, ist der Titelgewinn nach eigener Aussage "wie ein Traum. Vor zwei Jahren stand ich selbst da oben auf der Tribüne. Jetzt sind wir Deutscher Meister. Das haben die Fans, wir und der ganze Verein sich verdient, weil wir eine richtig geile Saison gespielt haben".

Sprachs und tat sich in der Kabine als Vorsänger für den schwarz-gelben Chor hervor. Das bis zum Abwinken skandierte "Deutscher Meister ist nur der BVB" kam nicht ganz überraschend, eher schon der lautstark vorgetragene Schlachtruf "Erster Fußballclub Köln, erster Fußballclub Köln!" Das war die Art der Dortmunder, den Kölnern Dank zu sagen für deren Heimsieg über Verfolger Leverkusen, der den Vorsprung auf acht Punkte und damit entscheidend anwachsen ließ.

Nachdem die Spieler in der Kabine ein paar Kisten Bier geleert hatten, machten sie sich auf in ein italienisches Restaurant, um gemeinsam weiterzufeiern. "Bis morgen früh", wie Marcel Schmelzer ankündigte. Die ganz große Party soll allerdings erst nach dem letzten Heimspiel gegen Frankfurt steigen, wenn die Mannschaft die Meisterschale erhält.

Die Zeit bis dahin werden sie in Dortmund aber nicht untätig verstreichen lassen. Diese Stadt befindet sich im Ausnahmezustand, und deshalb wird ab jetzt durchgefeiert. Es sprach wohl nicht nur die reine Vorfreude aus Schmelzer, als er sagte: "Was da jetzt in den nächsten Tagen auf uns zukommt, darüber sind wir uns noch gar nicht im Klaren."

© sueddeutsche.de/ebc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: