Bundesliga:Bayern berauscht sich am Pep-Fußball

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Arjen Robben (re.): Losgelöst nach seinem Kopfballtor (Foto: Daniel Roland/AFP)

"Wir waren richtig, richtig gut": Der FC Bayern ist voller Euphorie nach dem 3:1 in Mainz. Ein System, das stark an Ex-Trainer Guardiola erinnert, erweist sich als Glücksgriff.

Von Matthias Schmid, Mainz, Mainz

Uli Hoeneß trug eine schicke schwarze Reisetasche in der linken Hand, als er vom Rasen draußen nach drinnen in den Bauch der Mainzer Arena schritt. Der alte und neue Präsident des FC Bayern schien zu schweben, fast tänzelnd und schwerelos bewegte er sich durch die Katakomben. Und als er von hinten auch noch Arjen Robben sah, begann er vor Freude fast zu frohlocken. "Arjen", flötete er Robben ungewohnt sanft hinterher. Doch bevor Hoeneß den Niederländer erreichte, hatte Thiago schon Robben umarmt. Hoeneß musste sich also mit seiner Liebkosung noch gedulden.

Selten hatte man die Münchner in dieser Spielzeit so beschwingt und gelöst erlebt, so gut gelaunt nach einer Partie, nicht nur die Spieler, auch Hoeneß und der Bayern-Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge wirkten von den inneren Fesseln der vergangenen Monaten wie befreit. Der 3:1-Sieg am Freitagabend schien alle Beteiligten zu euphorisieren. "Speziell in der ersten Halbzeit haben wir sehr, sehr guten Fußball gespielt", betonte Rummenigge, der sich auch zu den zuletzt hochgewaberten Differenzen mit Verteidiger Jérôme Boateng äußerte: "Es gab diese Woche ein Gespräch. Es ist alles geklärt, es ist alles wunderbar bei uns."

Obwohl niemand der Protagonisten den Namen von Pep Guardiola an diesem kalten Winterabend erwähnte, war es Rummenigge, der dem bis zum Sommer tätigen Cheftrainer noch am nächsten kam, vor allem sprachlich, in dem er alles irgendwie "sehr, sehr" gelungen fand. Dennoch spürte man in jeder Aussage, dass sich etwas verändert hatte, auf dem Platz und abseits davon. Die offensive Grundausrichtung an diesem Abend, die Carlo Ancelotti für dieses Spiel in Mainz gewählt hatte, erinnerte stark an seinen pedantischen und nach Perfektion strebenden Vorgänger.

Müllers Rollen: Freigeist, Raumdeuter, Störenfried

Die Startelf war für die Verhältnisse des Italieners fast schon draufgängerisch. In vordester Reihe spielte er mit Franck Ribéry links und Arjan Robben rechts und in der Mitte Robert Lewandowski. Und hinter dieser Angriffsreihe postierte er Thomas Müller als Freigeist oder in seiner besten Rolle als Raumdeuter und Störenfried. Der Nationalspieler tauchte überall auf: neben ihnen, vor ihnen, hinter ihnen. So genau wusste das keiner. Die Gelehrten stritten darüber, in welcher Grundformation die Bayern spielten. War das ein 4-2-1-3 oder doch eher ein 4-2-4? Rummenigge hat sich ja noch nie als Freund der Mathematik im Fußball hervorgetan und fasste das System also pragmatisch zusammen. "Wir haben sicherlich offensiver gespielt als in den vergangenen Monaten."

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Und das tat der Mannschaft sichtlich gut, die Münchner ließen sich dabei auch nicht von dem frühen Rückstand durch Jhon Córdoba (4.) verunsichern, der nach einem Ausrutscher von Javier Martinez allein aufs Tor von Manuel Neuer zustürmte und ihn mit einem trockenen Schuss überwand. Die Bayern verteidigten hoch und mit viel Risiko weiter. "Wir haben sehr aggressiv herausgeschoben und gewisse Räume bespielt, die wir vor dem Spiel als gefährlich ausgemacht haben", sagte Innenverteidiger Hummels.

Immer wieder taten sich dabei Arjen Robben und Thomas Müller kunstvoll hervor, sie rissen mit ihren irrwitzigen Sprints und ihrem feinen Zusammenspiel die Abwehrreihe der Mainzer häufig auseinander und sorgten dabei für so viel Chaos wie in einem wilden F-Jugend-Spiel. "Wir haben nach vorne viele, viele Torchancen erspielt", stellte Rummenigge genüsslich fest. Der schnelle Ausgleich durch Robert Lewandowski (der Pole ließ in der Nachspielzeit mit einem Freistoß noch das 3:1 folgen) war die logische Folge (8.).

"Wir waren richtig, richtig gut. So macht das Riesenspaß"

Mit einer konsequenteren Chancenverwertung hätte das Spiel sogar früher entschieden werden können. Doch bis zur Pause traf nur noch Robben mit einem Flugkopfball (21.). Der Niederländer, der wegen diverser kleinerer Verletzungen in den vergangenen Wochen zuschauen musste, war neben Müller einer der Profiteure der Systemumstellung. "Wir waren richtig, richtig gut. So macht das als Spieler Riesenspaß", sagte der 32-Jährige: "Wir hatten viel Bewegung, viel Überraschung und diese Überraschung, glaube ich, hat uns in den letzten Wochen gefehlt."

Carlo Ancelotti wollte aus seiner offensiven und Pep-nahen Ausrichtung aber keine große Sache machen, er nahm das Ergebnis ziemlich gleichgültig hin und ließ sich zumindest auch nach außen nichts anmerken, ob er diesen Angriffsstil nun bevorzugt oder dieser nach dem Ausfall von Xabi Alonso aus der Not geboren war. "Ich bin vor allem mit der ersten Hälfte sehr zufrieden, weil wir da schöne Kombinationen geboten und auch getroffen haben", sagte er.

Zumindest Lahm gab hinterher zu, dass er sich mit dem Trainer regelmäßig austausche. "Aber wie wir spielen, das entscheidet Ancelotti allein", stellte der Kapitän klar. Über die zweite Hälfte sagte Ancelotti: nicht viel. Sie wäre für Guardiola ein Grund für wilde und wütende Regieanweisungen an der Seitenlinie gewesen. Der Spanier hasste ja nichts mehr als Fehlpässe oder Ballverluste - und solche Unzulänglichkeiten häuften sich nach dem Seitenwechsel. Lahm nahm sie aber so gelassen zur Kenntnis wie die Frage nach seinem Karriereende.

Ob er nun im Sommer 2017 oder erst im Sommer 2018 aufhört und dann den Posten des Sportdirektors übernimmt, hatte die Tage nach der Re-Inthronisierung von Uli Hoeneß als Bayern-Präsident bestimmt. "Ich bin da ganz entspannt", gab Lahm zu und sagte damit wortgleich, was Rummenigge kundtat. Er wolle Woche für Woche in seinen Körper reinhören und schauen, ob er auf diesem Niveau noch mithalten könne, fügte der 33-Jährige hinzu.

Sollte ihn die Diskussion um seine berufliche Zukunft nerven, so behält er das gut versteckt für sich. Lahm lächelte alle Fragen dazu weg und rang der ganzen Debatte sogar noch etwas Positives ab: "Sie ist doch besser als wenn alle zu mir sagen würden: Hör' doch bitte im Winter auf mit dem Fußball." Auf diese Variante sind bisher weder Karl-Heinz Rummenigge noch Uli Hoeneß gekommen. Der wollte nach dem Spiel in Mainz ohnehin nichts sagen, sondern nur noch Arjen Robben umarmen.

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