Wer Gefallen daran findet, wenn sich buchstäblich blitzartig ein heiterer Himmel in ein Unwetter verwandelt, war am Ostersonntagabend im Ruhrstadion richtig. Als hätte die allmächtige Regie einen Knopf gedrückt wie einst im Spielfilm "Truman Show", verfinsterte sich das Szenario exakt zum Anpfiff des Spiels zwischen dem VfL Bochum und Darmstadt 98 innerhalb weniger Minuten. Blitze zuckten, Regen prasselte und die Fußballer erlebten einen Sturm, der ihre tabellarische Situation perfekt choreografierte.
Dabei ist es gerade mal sechs Wochen her, dass der Himmel über der Fußballstadt Bochum heiter war, sogar "rosarot", wie der Trainer Thomas Letsch am Sonntagabend retrospektiv formulierte. Nach einem 3:2 Mitte Februar gegen die Bayern träumte ganz Bochum vom ausnahmsweise frühzeitigen Klassenerhalt und einem Gefühl der Sicherheit, wie man es am Ruhrstadion sonst nicht kennt.
Doch eine unterbewusste Sehnsucht nach Drama und Nervenkitzel scheint dieser Mannschaft in den Genen zu stecken. Dem Bayern-Triumph folgten vier Niederlagen nacheinander und gegen das Schlusslicht Darmstadt nun ein umso deprimierenderes 2:2, als die hoch überlegenen Bochumer eine 2:0-Führung in der letzten halben Stunde noch hergaben.
"Es hätte so schön sein können", lamentierte Bochums Doppeltorschütze Philipp Hofmann, der in der vergangenen Saison mit acht Treffern maßgeblich zum Klassenerhalt beigetragen hatte, in dieser Saison mit bislang drei Treffern aber nur schwer in Fahrt kommt. Sein Doppelpack, einen Tag nach seinem 31. Geburtstag, genügte tatsächlich nicht zum erlösenden Sieg. "Das war eine Riesenchance", klagte er über die versäumte Befreiung, "und die nächste Riesenchance haben wir am Samstag in Köln."
Wegweisende Bedeutung für die restliche Saison nicht nur des VfL Bochum, sondern im gesamten Abstiegskampf, besitzt der kommende Samstag, wenn die Bochumer beim Vorletzten 1. FC Köln gastieren, während der Drittletzte Mainz den Letzten Darmstadt empfängt. Mit einem Kölner und einem Mainzer Sieg zöge es auch die Bochumer wieder ganz tief hinein in den Abstiegsstrudel. "Es wird bis zum Saison-Ende gehen", vermutet der Mittelstürmer Hofmann, weil er sich und seine Bochumer Pappenheimer kennt.
Bochum hadert mit zwei Gegentoren, die die Lage im Abstiegskampf verschlechtern
Das phlegmatische Trio vom Tabellenende - Mainz, Köln und Darmstadt - kommt weiter nicht aus dem Quark und schmort in genau dieser Konstellation bereits seit Anfang Dezember im eigenen Saft. Zwischenzeitlich betrug der Rückstand zum rettenden viertletzten Platz bereits acht Punkte, und auch jetzt sind es zwar immer noch sechs, allerdings winkt unverhofft am siebtletzten Spieltag eine neue Dramaturgie, bei der Bochum, Mainz und Köln bis auf vier Punkte zusammenrücken könnten.
Das brächte vom Momentum her vor allem die abbauenden Bochumer in die Bredouille, allerdings besitzt man dort langjährige Erfahrung mit Crunch-Time-Emotionen im Saison-Showdown. Dass der VfL-Sportdirektor Marc Lettau am Sonntagabend etwas überraschend behauptete: "Wir müssen uns keine Sorgen machen", rührte wohl aus seinem Wunsch, "jetzt nicht in Hektik zu verfallen". Auf den Punkt brachte die Bochumer Lage vielmehr die nüchterne Erkenntnis vom Trainer Letsch, dass "wir im Abstiegskampf sind - und zwar schon mittendrin". Letsch, der sich selbst ein bisschen wundert, dass seine Spieler aus dem eigentlich mutschöpfenden Sieg damals gegen die Bayern nicht mehr Kapital zu schlagen wussten, findet die Situation, in der er mit seinem VfL jetzt steckt: "gefährlich!"
Letsch prognostiziert, dass seiner Mannschaft "sieben intensive Wochen" bevorstehen, dass der VfL also wieder bis zum finalen Spieltag zu kämpfen haben wird. So ist es in der vergangenen Saison gewesen, so kennt man es in Bochum. Immerhin bekommt das Stammpublikum fürs Geld das volle Programm: Es bleibt bis zum Ende spannend.