Bundesliga: 1. FC Nürnberg:Nürnberger Domino-Effekt

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Der Erfolg von Gündogan, Schieber und Ekici signalisiert den noch jüngeren Club-Talenten, dass sie eine Chance haben - und dass sie nicht unbedingt bei einem Absteiger unter Vertrag stehen.

Florian Parusel

Als sich der spanische Eroberer Juan Ponce de Léon im Jahr 1512 in sein Segelboot setzte, war er getrieben von einem Ziel: die Entdeckung des Jungbrunnens. Auf der gewiss beschwerlichen Irrfahrt durch die Weltmeere stieß er unter anderem auf eine nordamerikanische Landzunge, die er fälschlicherweise für eine Insel hielt. Heute wird das Fleckchen Erde Florida genannt. Den Jungbrunnen fand er nicht. Hätte er sich besser nach Franken begeben. Dort scheint Nürnbergs Sportdirektor Martin Bader genau 499 Jahre später das Objekt der Begierde gehoben zu haben. Und damit gleichbedeutend die Verheißung einer falten- und sorgenfreien Zukunft für den Club.

Julian Schieber und Ilkay Gündogan bejubeln ein Tor gegen Hanover 96. (Foto: REUTERS)

"Bei uns weiß jeder Jugendspieler, dass er den Sprung in den Profikader schaffen kann, wenn er zügig in die Socken kommt", gibt U23-Trainer René Müller die neue Richtung beim FCN vor. Keine Frage, der Höhenflug der Nürnberger Bundesliga-Profis trägt modische Trendfrisuren, ist durchweg unbekümmert und lässt die Konkurrenz derzeit alt aussehen: Bereits vier Bundesliga-Premieren für Lehrlinge aus dem eigenen Nachwuchsleistungszentrum gab es im Laufe der Saison zu notieren.

Und nach dem Ausfall von VfB-Stuttgart-Leihgabe Julian Schieber (Meniskusriss im Training, sechs Wochen Pause) hoffen die Fans auf den nächsten Azubi, der sich bei den Profis beweist. Markus Mendler, 18, Marvin Plattenhardt, 19, Timothy Chandler, 20, und Philipp Wollscheid, 21, haben mit ihren Einsätzen vorgemacht, wie es geht.

Als Martin Bader im Januar 2004 seinen Dienst als Sportdirektor beim 1. FC Nürnberg antrat, war vom neuen Jugendstil noch keine Spur. Das Nachwuchsleistungszentrum stand zwar schon am Valznerweiher, die Jugend- und Nachwuchsarbeit lief aber eher beiläufig. "Man hat im Verein zu lange in der Vergangenheit geschwelgt und sich auf den großen Namen verlassen. Die Jugendförderung wurde vernachlässigt", sagt Bader heute. Nur ein einziger Fußballlehrer war hauptamtlich angestellt.

Doch der Unterbau hat sich gemacht: Die Strukturen wurden professioneller, die Investitionen erhöht. Dabei war es dem Club stets wichtig, auch die schulische Ausbildung zu fördern. Aktuell machen 15 von 22 A-Jugendlichen ihr Abitur. "Selbst beim Abstieg 2008 haben wir uns bewusst dagegen entschieden, an der Nachwuchsarbeit zu sparen", erklärt Bader.

Auf fünf bis sechs Jahre war das Konzept einer neuen Nachwuchsarbeit angelegt. Dann sollte sich der neue Anti-Aging-Kurs beginnen auszuzahlen. Jetzt endlich profitieren die Nürnberger von ihrem Strategiewechsel und reiben sich selbst ein wenig die Augen: "Dass es so gut funktioniert, hätten wir nicht erwartet", gesteht der Sportdirektor.

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Sicherlich macht es die komfortable Situation der Profis den Verantwortlichen derzeit leicht, dem Nachwuchs erste Gehversuche in der Bundesliga zu genehmigen. Doch Bader ist davon überzeugt, dass man auch in sportlich trüberen Zeiten auf die Jugend setzen kann: "Am Ende entscheidet immer die Qualität und nicht das Alter." Langfristige Verträge wie der mit Plattenhardt (bis 2014) verleihen dem Konzept Glaubwürdigkeit.

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Das Vertrauen in die Fähigkeiten der Nachwuchskräfte ist groß und kommt entsprechend gut an. Inzwischen beobachten die Verantwortlichen sogar einen Domino-Effekt: Bekommt einer der Jungen eine Chance, wollen die anderen nachziehen. Nach Markus Mendlers erstem Auftritt mit Nürnberg beim FC St. Pauli hingen die Kollegen aus der U19 regelrecht an seinen Lippen. "Die Jungs wollten alles von Markus wissen. Vor allem wie die Atmosphäre am Millerntor war", erzählt René van Eck. Der frühere Club-Profi betreut die A-Jugend in der Bundesliga Süd/Südwest.

Die Mannschaft steht auf dem dritten Rang, mit vier Punkten Rückstand zur Tabellenspitze und einem Spiel weniger als der VfB Stuttgart und 1860 München. Darf eines seiner Talente bei den Profis mittrainieren, werden aus den Mannschaftskameraden geradezu Bewunderer: "Die stehen dann alle am Spielfeldrand und schauen zu", schildertvan Eck.

Verdient macht sich auch Cheftrainer Dieter Hecking. "Die Spieler wissen genau, dass er das Training beobachtet. Das ist Motivation genug", sagt U23-Trainer Müller. Einmal pro Woche tauschen sich die Trainer untereinander aus. Hier wird festgelegt, welche Spieler eine Chance bekommen. Dabei gilt es den schweren Spagat zu schaffen: die Talente behutsam aufbauen, aber auch frühzeitig in die Pflicht nehmen.

Van Eck ist davon überzeugt, dass sich der FCN, der sich traditionell gerne zwischen erster und zweiter Liga bewegt, mit diesem Weg auch langfristig in der höchsten deutschen Spielklasse etablieren kann. Die Generation hinter Gündogan & Co wartet schon: "Wir haben auf jeden Fall noch Talente in der Hinterhand", sagt van Eck.

© SZ vom 26.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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