Bundesliga:Doppelblamage auf kölsche Art

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Jann George von Regensburg trifft zum 2:2, es wird für den 1. FC Köln danach nicht besser. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Vor dem Pokal-Aus sorgt die Klubführung des 1. FC Köln für eine Posse: Die Ernennung eines neuen Medienchefs, die nach massiven Fan-Protesten storniert wird, könnte das Machtgefüge im Verein erschüttern.

Von Philipp Selldorf, Köln

Werner Wolf, der Präsident des 1. FC Köln, hatte klare Vorstellungen zum Profil des Kandidaten: Nähe zum Fußball sollte er haben, er sollte "integrativ wirken und auf Menschen zugehen", und wenn er auch nicht unbedingt aus Köln stammen müsse, sollte er doch "das kölsche Lebensgefühl verstehen". Mit diesen und weiteren Maßgaben schickte das FC-Vorsitzende den berufsmäßigen Personalberater Peter Hannen auf die Suche.

Geschichte wiederholt sich nicht? Diese Geschichte in gewisser Weise schon. Im Herbst 2011 hatte Wolf, seinerzeit nach Wolfgang Overaths Rücktritt kommissarisches Vereinsoberhaupt, einen neuen Präsidenten suchen lassen. Vier Monate darauf wurde Werner Spinner an die Spitze des Präsidiums gewählt und amtierte sieben, lange Zeit glückliche Jahre.

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Neun Jahre später ließ Wolf jetzt den wohlbekannten Berater Hannen zusammen mit einem weiteren Spezialisten nach einem neuen Mediendirektor fahnden. Am Montagnachmittag um halb vier gab der Klub bekannt: Fritz Esser, 39, werde den Job übernehmen. Und Wolf verkündete, dass das gut sei: Herr Esser verfüge über umfassende Erfahrung in Kommunikation und Sport und habe "als gebürtiger Kölner das richtige Gefühl für die Stadt und die Menschen". Doch statt sieben lange Jahre im Dienst des FC zu stehen, blieb der Kandidat Fritz Esser nicht mal zwei Tage in einem Dienst, den er gar nicht erst hatte antreten dürfen. Sein erster Arbeitstag am Geißbockheim sollte der 1. Mai sein, doch schon zwei Tage nach der Benennung stornierte der Klub das Engagement. Grund: die umstrittene Gesinnung des Kandidaten - und die furiosen Proteste, die sich blitzartig gegen ihn in der FC-Gemeinde erhoben hatten.

Der Mittwoch war somit der Tag der doppelten Blamage für den 1. FC Köln. Die Frage ist bloß, welche Peinlichkeit mehr Wirkung zeigen wird: Die innerbetriebliche Personal-Panne? Oder doch das sportliche Scheitern, das am Abend folgte, als sich die Profimannschaft nach einem beim Zweitligisten Jahn Regensburg verlorenen Elfmeterschießen aus dem DFB-Pokal verabschiedete. Der Bundesligist büßte eine 2:0-Führung ein, vergab durch den zuvor noch treffsicheren neuen Angreifer Emmanuel Dennis einen Elfmeter beim Stand von 2:2 - und auch die zwischenzeitliche Führung im Elfmeter-Roulette wusste Köln nicht zu nutzen. Nicht mal die Tatsache, dass in einer wegweisenden Spielphase eine undurchsichtige, spitzfindige und später vieldiskutierte Abseits-Entscheidung von Schiedsrichter und Videogericht das von allen zunächst als regulär empfundene Kölner Tor zum 3:1 revidierte, sorgte für mildernde Umstände. Zu bewerten war eine unzureichende Leistung, die den FC wichtige Pokal-Zusatzerlöse in Millionenhöhe kostete.

Das Auf und Ab seines Teams mache ihn "kirre und verrückt", sagte Trainer Markus Gisdol, der durch seine Wechsel-Taktik allerdings manchen Kölner Anhänger in ähnliche Zustände versetzt hatte. Ein Erfolgserlebnis im Pokal wäre "so einfach gewesen", klagte der Trainer, "und dann bringen wir uns wieder in die Situation, dass wir mit einem negativen Gefühl rausgehen."

Dieser Kommentar passt auch vorzüglich zur missglückten Kür des Mediendirektors, die in ihrer Entstehung geeignet ist, das komplizierte politische Gefüge im Geißbockheim zu erschüttern. Es gab genügend versierte Bewerber - der Präsident präferierte prompt den falschen, weil er das Offensichtliche außeracht gelassen hatte. Man habe "bei der Auswahl Fehler gemacht", ließ sich Wolf - sicherheitshalber gemeinschaftlich mit Geschäftsführer Alexander Wehrle - zitieren. Es seien Vorwürfe gegen Esser laut geworden, "die wir vorher hätten prüfen müssen".

Es geht um fragwürdige Meinungsbeiträge

Bevor diese Mitteilung das Haus verließ, hatte bereits der Kicker die besagte Nachricht verbreitet und den Prozess um die Installierung des Mediendirektors geradewegs als "Posse" bezeichnet, die ein "dramatisch amateurhaftes Verhalten" des FC-Vorstands offenbart habe. Harte Worte. Es dürfte aber schwer sein, in Köln jemanden zu finden, der ihnen widerspricht. Die Bestellung des ehemaligen Bild-Redakteurs Esser hatte in der Fan-Gemeinde einen Proteststurm heraufbeschworen, nachdem frühere Tweets und Zeitungskommentare aus seiner Feder bekanntgeworden waren.

Unter anderem hatte er sich darin beifällig zu der mit einem NS-Vergleich versehenen Aussage eines AfD-Politikers geäußert und eine Gruppe von FC-Fans als "Schwachmaten" bezeichnet. Ein Quellenstudium der öffentlich einsehbaren Texte hatten der Präsident und seine Berater offenbar unterlassen. Was stattdessen vermittelt wurde: Dass Esser der Schwiegersohn des verstorbenen FC-Idols Hannes Löhrs war.

"Toleranz, Fairness, Offenheit und Respekt sind in der Charta des FC festgeschrieben", stellte Wolf nun in der Abschiedsmitteilung fest - und gab damit zu verstehen, dass Essers Meinungsbeiträge mit den Vereinsprinzipien schwer zu vereinbaren seien. Dem abgelehnten Anwärter blieb außer dem Rückzug und Klagen über die erlittenen Beleidigungen und Beschimpfungen lediglich der Versuch der Ehrenrettung: Er stehe "hinter jedem Buchstaben der FC-Charta und lehne extreme und extremistische Parteien jeder Art ab". Auch Wolf war, so berichtete der Express, durch zahlreiche Anrufe und Meldungen bedrängt worden. Die Berater, die ihm den Kandidaten Fritz Esser präsentiert hatten, wurden nun abberufen.

Am Donnerstag sondierte bereits ein anderer berufener Branchenkenner den potenziellen Bewerbermarkt. Interessenten sollten wissen, dass es ein Medien-Chef nicht einfach hat: Der 1. FC Köln leidet am Traditionsklub-Syndrom, im uneinigen Verein kämpfen mehrere Fraktionen um die Macht- und um ihre bestmögliche öffentliche Darstellung.

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