Mike Büskens und Schalke 04:Ein Bund fürs Leben

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Da ist er wieder: Mike Büskens war erst im vorigen Frühjahr zum ständigen Co-Trainer befördert worden - zum "Hermann Gerland von Schalke", wie er selbst es ausdrückte. (Foto: Ina Fassbender/dpa)

Zum dritten Mal springt Mike Büskens, 53, als Interimstrainer von Schalke 04 ein, längst hat er den Status eines Vereinsunikats. Aber ist er auch der Richtige, um den angeschlagenen Traditionsklub doch noch zum Aufstieg zu führen?

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Am 7. März vor 30 Jahren berichtete die Ruhrgebietspresse nicht nur ausführlich über die höhnischen Kommentare von Schalkes Cheftrainer Aleksandar Ristic zum 1:1 seiner Elf gegen Wattenscheid 09 ("schwach in allen Mannschaftsteilen"), sondern im nebenstehend Kleingedruckten auch über einen Zugang für die nächste Saison: Präsident Günter Eichberg habe sich mit Mittelfeldspieler Mike Büskens, 23, vom Tabellenletzten Fortuna Düsseldorf auf einen Vertrag bis 1996 geeinigt.

Niemand konnte seinerzeit die historische Tragweite dieser Transaktion erahnen. Die Unterschrift besiegelte gewissermaßen Büskens' Schicksal und sein Konvertieren vom Rheinländer zum Ruhrgebietler, mit Schalke 04 ging er einen Bund fürs Leben ein. Zwischenzeitlich hatte es ihn zwar mal in die weite Welt verschlagen, wo er unter anderem als Trainer von Greuther Fürth und Rapid Wien Verdienste erwarb, aber es zog ihn dann doch immer zurück auf den vertrauten Hof in Gelsenkirchen, wo ihm jetzt - am 30. Jahrestag seiner ersten Zusage - abermals eine Sondermission anvertraut wurde. Büskens, 53, soll als Nachfolger des beurlaubten Dimitrios Grammozis Schalkes zuletzt windschief auftretendes Team zum Aufstieg aus der zweiten Liga führen. "Mike ist derjenige welche, der das schaffen kann", glaubt Sportdirektor Rouven Schröder.

Sollte er es nicht schaffen, wird ihm das keiner übelnehmen. Schalke hat zurzeit nur noch eine Außenseiter-Chance, und den anderen Punkt seines Auftrags wird Büskens auf jeden Fall erfüllen: Im Sommer wird er Platz machen für einen neuen Chefcoach und dessen Team, dem er sich dann als unabhängig angestellter Co-Trainer anschließen wird. Eine Alternative zu Büskens habe man gar nicht erst erwogen, berichtete Schröder.

Als der Verein am Montagabend den Einstieg des alten Helden meldete, setzte im Publikum Rechnen und Rätseln ein. Wie oft im 21. Jahrhundert hatte man diese Nachricht wohl schon gehört? Erstmals hatte ihn der Verein 2008 an der Seite von Youri Mulder zum Kommandeur ernannt, schon nach dem ersten Spiel wollten viele Fans die Interims- zur Dauerlösung erheben: Beim 5:0-Sieg gegen Energie Cottbus schoss Kevin Kuranyi vier Tore. Im Sommer kam dennoch Fred Rutten - und im nächsten Frühjahr, nachdem Rutten wieder hatte gehen müssen, abermals das bewährte Duo.

Diesmal muss Büskens den Aushilfsjob ohne seinen Kompagnon Mulder bewältigen, der inzwischen als Funktionär fungiert. Aufsichtsrat Mulder nahm nach dem 3:4 gegen Hansa Rostock an den Beratungen teil, die zum Trainerwechsel führten. Schröder beendete am Dienstag das Kapitel Grammozis mit einem Nachruf auf den "hervorragenden Menschen, Sportsmann und auch Trainer", gab aber auch zu erkennen, dass die Geduld mit dem hervorragenden Mann schon strapaziert gewesen sei. Man habe nach dem vielfach missratenen Rostock-Spiel "keine Bauchentscheidung" getroffen, sondern eine kritische Beobachtung zu Ende geführt. Das klang, als bereute es Schröder, nicht früher gehandelt zu haben.

Wie es sich gehört für den von seiner eigenen Legende umnebelten Verein, ist auch dieser Trainerwechsel mit besonderen Zutaten versehen. Dass Huub Stevens mittels eines angezündeten Autos seinen eigenen Tod vorgetäuscht habe, um nicht wieder als Retter eingreifen zu müssen, war zunächst nur ein illustrierter Internet-Witz. Doch der ewige Ex-Trainer war tatsächlich wieder ein gefragter Mann: Büskens hatte seinen Lehrmeister um Rat gefragt, ob er den Auftrag annehmen sollte - Stevens bejahte. Anschließend musste der designierte Sanitäter dem Klub erstmal mitteilen, dass er gerade selbst nicht gesund sei - er sitzt seit dem Wochenende in der Corona-Quarantäne. Die Trainingsrunden bis zum Spiel in Ingolstadt am Sonntag lässt der Verein nun aufzeichnen, so dass sie Büskens im Büro studieren kann.

Vorerst wird somit ein reduzierter Trainerstab die Arbeit koordinieren, außer Grammozis mussten auch dessen Assistent Sven Piepenbrock sowie Torwarttrainer Will Coort gehen. Letzteren konnten die Schalker kostengünstig ersetzen, indem sie den im Sommer fortgeschickten Simon Henzler wieder ins Amt einsetzten. Er stand praktischerweise ohnehin noch auf der Lohnliste.

Als der Verein im vorigen Frühjahr Büskens zum ständigen Co-Trainer beförderte - zum "Hermann Gerland von Schalke", wie er selbst es ausdrückte - hatte er sowohl die Denkmal- wie die populäre Traditionspflege im Blick. Ob aber ein Mann, der quasi im Rang eines Museumsstücks steht, der Richtige ist, um dem Team Orientierung und Aufbruchsstimmung zu vermitteln? Büskens hatte ja selbst lang genug an Grammozis' Seite gearbeitet (wenngleich mit offenbar wachsendem Abstand). Rouven Schröder zweifelt nicht: Als "Zuarbeiter" habe er seine Ideen "nur anbieten, aber nicht umsetzen können. Jetzt kann er deutlich mehr bewegen mit seiner ureigenen Schalke-Pur-Art."

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