Bremen:Nouri erweckt Werder Bremen

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Vater des Aufschwungs: Alexander Nouri (Foto: dpa)
  • Alexander Nouri schafft es als erster Trainer seit Otto Rehhagel, die Abwehr des SV Werder dicht zu bekommen.
  • Das Resultat: Bremen darf nun ganz vorsichtig von Europa träumen.
  • Nun wird aber Thomas Delaney erstmal wegen eines Muskelfaserrisses mehrere Wochen fehlen.

Von Jörg Marwedel, Bremen

Trainer Alexander Nouri haftet Esoterisches an. Auch seine Worte nach dem 3:0-Sieg am Dienstagabend gegen Schalke 04, mit dem sich Werder Bremen gerade die Punkte 17, 18 und 19 von 21 in den vergangenen sieben Spielen gesichert hatte, passten zu diesem Persönlichkeitsbild. Man habe gewonnen, weil die Profis "das Herz auf dem Platz ausgeschüttet" hätten. Auf dem Rasen sei "eine Gemeinschaft des Willens" aktiv gewesen, lobte er fast überschwänglich. Und nachdem die Fans in der Schlussphase der Partie sich freudetrunken an bessere Zeiten erinnerten und die Hymne "Europapokal, Europapokal" anstimmten, sagte er: "Wir wissen, dass die Brücke zwischen Realität und Traum harte Arbeit ist." Das könnte auch aus einem Buch stammen, in dem es um Lebensziele geht.

In den vergangenen 15 Spielen kassierte Bremen im Schnitt nur ein Gegentor pro Partie

Die Bremer Gemeinschaft des Willens hatte tatsächlich den von Nouri geförderten besseren "Teamspirit". Die irgendwie weiter belasteten Schalker waren zwar lange Zeit ebenbürtig, trafen aber im Zusammenspiel manch falsche Entscheidung. Das galt auch für Weltmeister Benedikt Höwedes, der beim 0:1 durch Theodor Gebre Selassis Kopfball (24.) eine Außenristflanke von Zlatko Junuzovic extrem falsch berechnete und in der 76. Minute Fin Bartels von den Beinen holte, weshalb es Elfmeter gab. Max Kruse verwandelte diesen so sicher wie ein Bankräuber, der den Tresor-Code kennt und nur noch das Geld auszuräumen braucht. Und Kruse wusste auch, wie er flanken musste, um dem Eigengewächs Maximilian Eggestein zu seinem ersten Bundesligator zu verhelfen (80.).

Während der einzige Kommentar des Schalker Mittelfeldstrategen Leon Goretzka ein extrem frustriertes "Leck mich am Arsch" war, war bei den Bremern auch nach dem Abpfiff noch ein besonderer Teamgeist zu spüren. Der verletzte Robert Bauer warf seine Krücken weg, um jedem einzelnen Kollegen aufs Herzlichste zu gratulieren. Werder ist seit Dienstagabend eine Mannschaft, die nicht mehr nur nach unten auf Relegationsplatz 16 schauen muss, sondern sogar einen kleinen Blick nach oben richten darf. Es sind nach dieser fast unglaublichen Serie (in der Rückrundentabelle ist Werder jetzt Vierter) nur noch fünf Punkte zu einem Rang, auf dem sie sich für den internationalen Wettbewerb qualifizieren würden.

Dass der lange Zeit als Abstiegskandidat geführte SV Werder träumen darf, hat tatsächlich mit Nouris Arbeit zu tun. Er ist der Erste seit Meistertrainer Otto Rehhagel (der bei den Titeln 1988 und 1993 nur 22 beziehungsweise 30 Gegentore hinnehmen musste), der es geschafft hat, die Abwehr dicht zu bekommen. Im ersten Saison-Drittel galt sie noch als "Schießbude der Liga" (31 Gegentreffer in zwölf Spielen). Nun muss man nicht mehr fürchten, dass sie regelmäßig ausgespielt wird. In den vergangenen 15 Spielen musste man im Schnitt nur noch einmal pro Partie den Ball aus dem eigenen Netz holen. Damals waren die Sicherheitsgaranten Keeper Dieter Burdenski, Uli Borowka und Rune Bratseth am Werk, jetzt sind es zunehmend Torwart Felix Wiedwald und Niklas Moisander, die mit wechselnden Partnern wie Lamine Sané, Milos Veljkovic oder dem fast ausgemusterten Luca Caldirola eine halbwegs robuste Festung aufgebaut haben.

"Die Verteidigung ist die Basis", sagt Alexander Nouri und scheint sich darin sehr vom Bremer Dauer-Trainer Thomas Schaaf und seinem Vorgänger Viktor Skripnik zu unterscheiden. Und das fast Unglaubliche ist, dass Werder immer wieder Ausfälle wichtiger Spieler ausgleicht. In der Hinrunde fehlte Kruse drei Monate, jetzt hat sich zu den derzeit maroden Bauer, Sané, Fritz, Gnabry und Bargfrede auch noch Winterzugang Thomas Delany gesellt, der für die Balance zwischen Abwehr und Angriff enorm wichtig ist. Er zog sich einen Muskelfaserriss im Oberschenkel zu und wird einige Spiele fehlen.

Trotzdem hat Nouri immer noch mehrere verlängerte Arme im Team. Einer ist Zlatko Junuzovic, der fast schon redet wie ein Coach. Man brauche das Wort Europa gar nicht in den Mund zu nehmen, warnt er. Man habe kein "überragendes Spiel" gemacht, nur ein "ordentliches". Überhaupt sei zuletzt auch "Spielglück" hinzugekommen. Es sei sehr wichtig, realistisch zu bleiben. Man sei aus einer "der größten Sackgassen, die es im sportlichen Bereich gibt", herausgekommen. Und zwar, weil man als Einheit agiere. Die Mannschaft und Nouri hätten jede Menge Argumente geliefert, um den Vertrag mit dem Trainer zu verlängern, befand der Österreicher.

Am Freitag geht es erstmals weniger um Punkte gegen den Abstieg als tatsächlich um Europa. Dann müssen die Bremer bei Eintracht Frankfurt, einem weiteren Europa-League-Anwärter, antreten. "Ich denke", sagt Abwehrchef Moisander, "dass Frankfurt einen anderen Gegner bevorzugen würde". Gewinnt Werder auch dort, ist das Thema Europa endgültig auf der Liste.

© SZ vom 06.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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