Júlio César, Torhüter der Corinthians São Paulo, sah verzweifelt aus. Er kniete an seinem Torpfosten, klatschte mit beiden Händen, schrie Mitspieler an und forderte seine Mauer auf, weiter nach rechts zu rücken. Dann der Pfiff, der Ball war freigegeben. César flog, streckte sich und bekam noch die Fingerspitzen an den Ball. Vergeblich, der Ball landete im oberen Eck seines Tores.
Rogério Ceni heißt der Schütze des perfekt getretenen Freistoßes. Er ist ein Kollege von César und Torwart des FC São Paulo. Sein Tor war der 2:1-Siegtreffer im Derby gegen den Erzrivalen Corinthians und nach Angaben des brasilianischen Fußballverbandes gleichzeitig der 100. Treffer seiner Karriere. Einzig die Fifa sagt, Ceni habe erst 98 Tore in Pflichtspielen erzielt. Sie zählt zwei Treffer aus Testspielen 1998 und 2001 nicht mit. Ceni dagegen schon, er sagt: "Ich kann die beiden Tore nicht vergessen. Schließlich waren es Spiele mit Publikum, Schiedsrichter und allem drum und dran, keine Kickereien am Strand." Aber auch nach Zählweise des Weltverbandes wird der 38-jährige Torwart die 100 noch voll machen, sein Vertrag läuft bis 2012.
Schon 2006 hatte Ceni den Paraguayer José Luis Chilavert als torgefährlichsten Torhüter der Welt abgelöst. Der hatte immerhin 63 Mal getroffen. Deutschlands torgefährlichster Torwart ist Hans Jörg Butt mit 26 Toren - allerdings alle nach Elfmetern. Ceni ist dagegen zudem ausgewiesener Freistoßexperte, hat 56 Freistöße und 44 Elfmeter verwandelt. Deswegen ist auch das erste Bild auf der Website seines Vereins eines von ihm: Rogério Ceni - Torwart und Kanonier. Sein erstes Tor erzielte er am 15. Februar 1997, im Rekordjahr 2005 waren es insgesamt 21 Tore. "Caramba, ich bin glücklich", freute sich Ceni nach seinem Jubiläumstreffer: "Ich hatte nicht erwartet, das 100. in einem Klassiker zu schießen. Es ist ein Geschenk Gottes. Es gibt Tage, da schaut er auf dich."
Der Torwart, der im Pass noch den deutschen Familiennamen "Mücke" trägt, spielt seit 1992 für den FC São Paulo. In der Nationalmannschaft kam Ceni zu 17 Länderspielen - ohne Tor. Weltmeister 2002 darf er sich nennen, kam aber zu keinem Einsatz in Japan und Südkorea. Die Motivation, neben Elfmetern auch Freistöße zu schießen, erklärt Ceni so: "Ich wollte das Vorurteil, dass Torleute ihre Füße nicht benutzen können, widerlegen. Das ist eine Lüge."
Eine Gefahr allerdings besteht bei Cenis Freistößen: Wenn der Ball doch mal nur in die Mauer geht, hat er einen weiten Weg zurück ins Tor. Einmal beklagte er sogar ein Gegentor direkt nach einem verwandelten Freistoß. Ceni jubelte ausgelassen mit den Ersatzspielern auf der Bank, trabte dann gemütlich Richtung Tor. Der Schiedsrichter hatte allerdings schon wieder angepfiffen und Branco von Fluminense traf von der Mittellinie. Genau wie Schalkes Mike Hanke einst gegen Leverkusens Jörg Butt. Ceni hat allerdings daraus gelernt - wenn er trifft, jubelt er nicht mehr mit der Ersatzbank. Bei seinem 100. Treffer musste er das auch nicht, die Ersatzspieler rannten alle zu ihm. Und einer seiner Mitspieler stellt sich immer direkt an den Anstoßkreis und blockiert den Ball so lange, bis Ceni wieder sicher in seinem Tor steht.
Hier gibt es das 100. Tor im Video: http://www.youtube.com/watch?v=dsHTwvGHaIs
