Boxen: Wladimir Klitschko - David Haye:Das Großmaul besiegen und alle Titel holen

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Sollte Wladimir Klitschko am Samstag gegen David Haye gewinnen, würden die Klitschkos alle bedeutenden Titel im Schwergewicht auf sich vereinen. Weil es danach kaum noch Herausforderer gäbe, spricht Vitali vom Karriereende der boxenden Brüder.

Jürgen Schmieder

Wladimir Klitschko, das muss einmal gesagt werden, ist ein höflicher und zuvorkommender Zeitgenosse. Er ist meist gutgelaunt, bedankt sich nach Kämpfen bei Zuschauern und Journalisten fürs Kommen und verwendet gemeinhin keine Schimpfwörter.

Gegner am Samstag, Feinde seit Jahren: Wladimir Klitschko und David Haye. (Foto: dapd)

Und doch genügen zwei Wörter, um den ukrainischen Boxer wütend zu machen - seine Mundwinkel und Augenbrauen wandern dann instinktiv nach unten, er guckt dann, als würde er jeden im Raum gerne zu Boden schlagen. Man muss nur den Namen seines nächsten Gegners aussprechen: David Haye.

Am Samstag tritt der 35-jährige Klitschko gegen den fünf Jahre jüngeren Briten an, es geht um die Schwergewichts-Titel der bedeutenden Verbände WBA, IBF und WBO. Fast drei Jahre lang haben sich Haye und die Klitschkos ein Wortgefecht mit verbalen Tiefschlägen geliefert, nun kommt es endlich zum Kampf, der als "The War" vermarktet wird - der Krieg.

Die Auseinandersetzung zwischen den beiden gilt als spektakulärster Kampf im Schwergewicht seit neun Jahren, als Lennox Lewis in Memphis gegen Mike Tyson geboxt hat - und genau so wird die Veranstaltung in Hamburg auch inszeniert. Nun hat Wladimirs Bruder Vitali dem Duell mit Haye weitere Brisanz hinzugefügt, indem er andeutete, dass die Klitschkos bei einem Sieg seines Bruders ihre Karrieren beenden könnten.

"Wenn das eintreffen sollte, dann könnten wir darüber nachdenken", sagte Vitali. Sollte IBF- und WBO-Champion Wladimir seinen 56. Sieg im 59. Profikampf feiern - vielleicht gar mit dem 50. K. o. seiner Laufbahn - und Haye den WBA-Titel abnehmen, hätten die Klitschkos alle vier Gürtel der bedeutendsten Verbände in der Familie vereint. "Das gab es noch nie. Der Erste in der Geschichte zu sein, ist immer etwas Besonderes. Das motiviert uns sehr", sagt Vitali.

Die letzten Kampfabende der Klitschko-Brüder erinnerten eher an Wrestling denn ans Boxen. Es waren monströse Shows mit klar verteilten Rollen: Stets drehte sich alles um den Kampf des Guten (einer der Klitschkos) gegen den Bösewicht. Der musste in den Wochen vor der Auseinandersetzung mit markigen Worten glänzen und vor allem furchteinflößend aussehen.

Die boxerische Qualität war zweitrangig, er musste nur lange genug durchhalten, damit die Massen in der Arena und vor dem Fernseher - und nicht zuletzt auch die Werbepartner des Senders RTL - zufrieden waren. Am Ende gewann der Gute nach Punkten oder durch einen K. o. in den späten Runden, eine runde Sache war das.

So gesehen passt Haye perfekt in diese Vermarktungsmaschinerie: Er präsentiert sich als geschmackloser Flegel und widerliches Großmaul. Kein Pressetermin vergeht ohne Provokation, zuletzt gab er die Veröffentlichung des Handyspiels "David Haye's Knockout" bekannt, bei dem der Spieler einem osteuropäischen Boxer den Kopf abschlagen muss.

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:Gesiegt und ausgebuht

K.-o. in Runde eins: Vitali Klitschko gewinnt zum 42. Mal einen Profi-Boxkampf und verteidigt seinen WM-Titel. Sein Gegner Solis geht schnell zu Boden, verdreht sich das Knie und muss ins Krankenhaus. Die 19.000 Zuschauer reagieren erbost.

Der Kampf in Bildern

Vor zwei Jahren hatte er sich mit einem T-Shirt präsentiert, auf dem er die abgetrennten Häupter der Klitschkos in Händen hält. "Ich bin ein bisschen neidisch auf Wladimir, dass er gegen David Haye boxen darf", sagt Vitali, "ich habe mir selbst gewünscht, diesen Quatschkopf mit meinen Fäusten maultot zu machen. Ich weiß aber, dass Wladimir es genauso gut machen wird wie ich."

Könnten alle bedeutenden Titel im Schwergewicht auf sich vereinen: die boxenden Brüder Vitali und Wladimir Klitschko. (Foto: dpa)

Haye ist ein Großmaul, der jedoch boxerisch durchaus ernst zu nehmen ist. Er ist ein unangenehmer Gegner für Wladimir Klitschko, der zuletzt kaum Probleme hatte gegen eher pummelige und pomadige Kontrahenten. Klitschko dominierte mit seiner starken Führhand, er boxte taktisch clever, ohne wirklich spektakulär zu agieren. Nun aber wartet der bewegliche und schlagstarke David Haye - und die Auseinandersetzung dürfte karriereprägend sein für die Klitschkos.

Gewinnt Wladimir, dann hätten die Klitschkos alles erreicht, was es im Schwergewicht zu erreichen gibt. Namhafte Gegner sind nicht in Sicht - zumal Haye bei einer Niederlage seine Karriere beenden dürfte und sich seiner Laufbahn als Actionheld in Hollywood widmen dürfte. Verliert Wladimir jedoch, wird ihm auch weiterhin der Makel anhaften, zwar einer der talentiertesten Boxer aller Zeiten zu sein - entscheidende Kämpfe jedoch nicht gewinnen zu können. Es wäre die vierte Niederlage in der Profi-Ära des 35-Jährigen.

Es sind zwar keine Optionen vereinbart und die Klitschkos gehen freilich davon aus, dass Wladimir gegen Haye gewinnt. Vitali etwa sagt: "Wenn Wladimir mit Haye fertig ist, gibt es für mich gar nichts mehr zu machen. Über Niederlagen dürfen Boxer sowieso nicht nachdenken. Wenn man mit solchen Gedanken in den Ring steigt, kann man nicht gewinnen." Doch ist bei einer Niederlage von Wladimir nicht ausgeschlossen, dass der 39-jährige Vitali seinen Bruder rächen wollen wird.

Die Klitschkos haben dieses System in den vergangenen Jahren perfektioniert. Wladimir besiegte Chris Byrd, gegen den zuvor Vitali aufgegeben hatte. Dafür rächte der die Niederlagen seines kleinen Bruders gegen Ross Purrity und Corrie Sanders. Gegen Lamon Brewster gelang Wladimir selbst die Revanche.

Trotz der Aussagen von Vitali geht Bernd Bönte, Geschäftsführer der Klitschko Management Group, davon aus, dass die ukrainischen Brüder noch lange boxen werden. "Ans Aufhören denkt keiner von beiden. Die Jungs sind hungrig und möchten weitere große Kämpfe liefern. Wer anderes sagt, erzählt Blödsinn", sagt Bönte. Erst vor wenigen Wochen hatten die Klitschkos mit dem Fernsehsender RTL einen Vertrag über weitere fünf Kämpfe abgeschlossen.

Vitali boxt im September zunächst gegen den überaus talentierten Polen Tomasz Adamek. "Mit dem Kampf ist noch lange nicht Schluss. Wir reden schon über die Fights im nächsten Jahr", sagt Bönte. Doch gegen wen die Klitschkos im kommenden Jahr antreten werden und ob sie überhaupt noch antreten werden, darüber entscheidet vor allem der Kampf von Wladimir am Samstag gegen David Haye.

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