Boxen: Marco Huck:"Mir ist bewusst, dass ich das Produkt bin"

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Der Cruisergewichtler Marco Huck spricht über den Druck, für den Boxstall und das Fernsehen gute Kämpfe liefern zu müssen. Warum er am Samstag in München zwei Wochen vor seiner Hochzeit einen WM-Kampf bestreitet - und wie er die Karriere der Klitschkos beenden will.

Interview: Jürgen Schmieder

Marco Huck ist 26 Jahre alt, seit zwei Jahren ist er WBO-Weltmeister im Cruisergewicht. Nach den Niederlagen von Arthur Abraham und Sebastian Sylvester gilt er als erster Kämpfer des Sauerland-Stalls und nach den Klitschkos als Gesicht des Boxens in Deutschland.

Marco Huck - mit bürgerlichem Namen Muamer Hukić, geboren 1986 im heute serbischen Sandschak -, Weltmeister im Cruisergewicht, mit seinem Trainer Ulli Wegner. (Foto: picture alliance / dpa)

sueddeutsche.de: Herr Huck, sind Sie eigentlich vollkommen verrückt?

Marco Huck: (lacht) In meinem Gym gibt es Typen, die sind weit verrückter als ich. Deshalb denke ich, dass ich ziemlich normal bin.

sueddeutsche.de: Es geht darum, dass sie einen Weltmeisterschafts-Kampf zwei Wochen vor Ihrer Hochzeit ansetzen.

Huck: Das lässt sich einfach erklären. Sven Ottke wollte seine Biographie zwei Wochen nach einem wichtigen Kampf, einer Titelvereinigung, herausbringen. Der Verlag hat ihn gedrängt, sie vorher zu veröffentlichen, weil er dann sicher noch Weltmeister ist - und sie Angst hatten, dass etwas schief gehen könnte. Ottke bestand auf den späteren Termin, weil er sicher war, dass er gewinnen würde - und er hat gewonnen. Als Boxer darfst Du keine Zweifel haben, deshalb ist der Termin schon in Ordnung.

sueddeutsche.de: Ihr Gegner, Hugo Hernan Garay, ist alles andere als Fallobst.

Huck: Er hat das Jahrhunderttalent geschlagen!

sueddeutsche.de: Sie sprechen vom Kampf gegen Jürgen Brähmer vor zweieinhalb Jahren, den Garay deutlich gewonnen hat.

Huck: Er hat Brähmer nach Strich und Faden beherrscht und übel zugerichtet.

sueddeutsche.de: Davor haben Sie keine Angst?

Huck: Überhaupt nicht!

sueddeutsche.de: Garay und Sie pflegen einen ähnlichen Kampfstil.

Huck: Moment mal, ich bin einzigartig, ein Unikat! Mich gibt es nur einmal!

sueddeutsche.de: Aber auch Garay agiert furchtlos, schlägt viel und hart. Viele Beobachter erwarten einen spannenden und spektakulären Kampf. Sie auch?

Huck: Garay ist ein typisch argentinischer Boxer: Er ist unangenehm, er attackiert ständig, marschiert nach vorne und schlägt andauernd. Er gibt seinen Gegnern keine Ruhepausen. Es wird definitiv nicht langweilig. Wer allerdings meine Karriere verfolgt hat, der weiß, dass es bei meinen Kämpfen nie langweilig ist.

sueddeutsche.de: Sie boxen überaus offensiv, waren dadurch in der Vergangenheit allerdings verwundbar, weil Sie nach eigenen Attacken die Balance verloren haben und dann getroffen werden konnten. In den vergangenen Kämpfen wirkten Sie zurückhaltender, überlegter. Woran liegt das?

Huck: Das hat viel mit Routine zu tun. Ich habe gesehen, dass ich erfolgreicher bin, wenn ich disziplinierter agiere. Außerdem ist es gesünder. (lacht)

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Jürgen Schmieder, Hamburg

sueddeutsche.de: Apropos Routine. Sie sind 26 Jahre alt, für einen Boxprofi ist das ziemlich jung.

Huck: Ich habe in meiner Karriere schon einige Schlachten geschlagen - und aus jeder meine Lehren gezogen. Also kann man schon behaupten, dass ich mittlerweile ein erfahrener Boxer bin. Mein Trainer Ulli Wegner sagt dennoch, dass ich immer noch ein Rohdiamant sei, der noch geschliffen werden muss. Deshalb glaube ich, dass meine beste Zeit erst kommen wird.

sueddeutsche.de: Welchen Anteil hat Wegner an dieser Entwicklung? Sie galten lange als schlampiges Genie, Wegner ist ein Freund von Disziplin.

Huck: Deshalb sind wir ein gutes Team, wir arbeiten sehr gut zusammen. Wenn es nach ihm gehen würde, dann wäre ich doppelt so zahm. Schauen Sie mal auf seinen Kopf: Für viele dieser grauen Haare bin ich verantwortlich.

sueddeutsche.de: Wie schwer fällt es Ihnen während eines Kampfes, sich zurückzunehmen?

Huck: Ich kämpfe ständig mit mir selbst. Ich muss im Ring sehr aufmerksam sein und mir ständig überlegen: Wann muss ich das Tempo drosseln, wann kann ich wieder anziehen? Ich habe gelernt, nicht zu viel zu wollen.

sueddeutsche.de: Wirkt Wegner während der Kämpfe auf Sie ein?

Huck: Das tut er permanent. Er kann mir ja, wenn ich einmal im Ring stehe, boxerisch nichts mehr beibringen. Also muss er versuchen, psychisch und taktisch auf mich einzuwirken.

sueddeutsche.de: Ganz ehrlich: Hört ein Boxer überhaupt, was der Trainer in den Pausen zu einem sagt?

Huck: Oh ja! Ich bekomme alles mit - und versuche auch, es umzusehen. Der Trainer sieht von außen andere Dinge als ich im Ring. Er sagt mir deutlich seine Meinung und ich versuche, darauf einzugehen.

sueddeutsche.de: Manchmal funktioniert das nicht, wie etwa bei Ihrem Stallgefährten Arthur Abraham. Er musste zuletzt eine bittere Niederlage einstecken, Ulli Wegner war nach dem Kampf stinksauer. Spricht man mit seinem Kollegen danach darüber?

Huck: Die Niederlage von Arthur tat mir besonders leid. Wir kennen uns seit Jahren, wir sind befreundet, deshalb tut es weh, wenn ein guter Freund verliert. Natürlich versuche ich, aus den Niederlagen von Kollegen eigene Lehren zu ziehen: Welche Fehler hat er gemacht, die ich unbedingt vermeiden muss? Was hat er gut gemacht?

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Der Kampf in Bildern

sueddeutsche.de: Durch die Niederlage von Abraham und zuletzt auch Sebastian Sylvester sind Sie das Zugpferd des Sauerland-Boxstalls, vielleicht sogar - abgesehen von den Klitschkos - des gesamten Boxens in Deutschland derzeit. Verspüren Sie diesen Druck?

Huck: Früher war es mein Traum, überhaupt einmal Profiboxer bei Sauerland zu werden. Das ist wahr geworden - und jetzt bin ich sogar die Nummer eins bei Sauerland. Es ist nicht nur Druck, sondern auch große Motivation.

sueddeutsche.de: Es geht nicht zuletzt auch um viel Geld. Sauerland hat kürzlich - nach langem Hin und Her - den Vertrag mit der ARD verlängert. Sie sind nun der Boxer, der liefern muss.

Huck: Mir ist durchaus bewusst, dass ich das Produkt bin - und dass ich gute Kämpfe liefern muss.

sueddeutsche.de: Am Samstag findet ein München ein riesiges Spektakel statt. Die DTM fährt im Olympiastadion, es gibt Popkonzerte, Sie boxen um die Weltmeisterschaft. Welchen Teil des Spektakels übernehmen Sie?

Huck: Ich bin die Hauptattraktion.

sueddeutsche.de: Sie boxen in der Eissporthalle, es sollen 4000 Menschen kommen. Die Klitschkos haben zuletzt Fußballstadien gefüllt. Ist das auch Ihr Ziel?

Huck: So ein Traum kann schneller wahr werden, als man denkt. Natürlich möchte man als Sportler Spektakel haben. Aber bei allem Drumherum darf man nicht vergessen, warum die Leute letztlich zum Boxen gehen: Sie wollen guten Sport sehen - und ich denke, dass sie bei meinen Kämpfen auf ihre Kosten kommen.

sueddeutsche.de: Sie sind Weltmeister im Cruisergewicht - es gibt noch drei andere Weltmeister in dieser Gewichtsklasse. Es wäre langsam Zeit für einen Titelvereinigung.

Huck: Ich denke, dass so etwas bald kommen wird. Natürlich wäre mir ein Kampf gegen Cunningham am liebsten.

sueddeutsche.de: Der Ihnen vor drei Jahren die einzige Niederlage ihrer Karriere zugefügt hat.

Huck: Unbedingt. Ich hoffe, dass dieser Kampf bald zustande kommen wird.

sueddeutsche.de: Danach steht ein Wechsel ins Schwergewicht zur Debatte. David Haye hat es erfolgreich vorgemacht, im September boxt Tomasz Adamek, ebenfalls ehemaliger Cruisergewichtler, gegen Vitali Klitschko. Reizt Sie ein Wechsel?

Huck: Ich glaube, dass ich da oben sehr gut mitmischen könnte und dass ich auch etwas zu sagen hätte. Im Boxen kann man nie sagen, wann etwas passiert. Vor zwei Jahren hieß es, ich müsste auf einen WM-Kampf warten - drei Wochen später bekam ich den Kampf und wurde Weltmeister. Manchmal geht es schneller, als man es selbst für möglich halten würde.

sueddeutsche.de: Sie wollen also nicht das Karriereende der Klitschkos abwarten, bevor Sie wechseln?

Huck: Nein. Ich würde gerne vorher wechseln, dann beende ich ihre Karriere.

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