Borussia Mönchengladbach:Noch ein Preis für Favre

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Gladbach jubelt, hier Granit Xhaka (links) und Raffael. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Seit Lucien Favre weg ist, läuft es in Gladbach: Rettet der Ex-Coach seiner Mannschaft die Saison, gerade weil er sie im Stich gelassen hat?

Kommentar von Christof Kneer

Vor ein paar Monaten ist Lucien Favre zum Trainer des Jahres gewählt worden, aber es war gleichzeitig eine Art Ehrung für sein Lebenswerk in Mönchengladbach. Binnen viereinhalb Jahren hatte der Schweizer Trainer einen fast feststehenden Absteiger in eine Mannschaft verwandelt, die in Europa einen so guten Ruf genießt, dass der Trainerkollege José Mourinho gerne mal Spieler aus Chelsea nach Gladbach verleiht. Weil sie dort was lernen, bei Favre, diesem schrulligen Professor aus den Schweizer Bergen.

Seit diesem Wochenende steht nun fest, dass Lucien Favre noch einen ganz anderen Preis verdient hat, allerdings einen, der aus einem einleuchtenden Grund noch keinen Namen hat. Denn es gab weltweit noch keine Notwendigkeit für eine solche Auszeichnung: Es gab noch nie einen Trainer, der seine Mannschaft am siebten Spieltag endgültig vor dem Abstieg gerettet hat - und zwar dadurch, dass er sie rechtzeitig im Stich gelassen hat.

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Mit einem verdienten 1:1-Unentschieden trennen sich die Oberbayern vom 1. FC Köln und stehen zunächst auf Platz sechs der Bundesligatabelle.

Lucien Favre hat kein Spiel gecoacht in dieser Woche, er hat kein einziges Training geleitet, und trotzdem hat er irgendwie sechs Punkte geholt. Es ist müßig darüber zu spekulieren, warum die Gladbacher ihre ersten beiden Siege erst dann gelandet haben, als ihr Trainer nicht mehr ihr Trainer war. Für den klassischen psychologischen Befreiungsreflex, den das 4:2 gegen Augsburg nahelegte, war die Leistung in Stuttgart nicht gut genug; und rein handwerklich hat der Übergangscoach André Schubert zu wenig verändert, um eine fundamental neue Strategie im Spiel erkennen zu können.

Unerklärlich? Gladbach stört's nicht

Die Gladbacher wird es nicht stören, dass sie ihre Sechs-Punkte-Woche nicht richtig erklären können. Es dürfte ihnen reichen, dass es diese Woche wirklich gegeben hat, denn die jüngsten Siege könnten schon genügen, um eine Vorrunde zu vermeiden, wie sie Borussia Dortmund in der vergangenen Saison erleben musste.

Die Siege gegen Augsburg und in Stuttgart könnten die entscheidende Anschubfinanzierung für eine einigermaßen ruhige Saison gewesen sein - nach menschlichem Ermessen ist die individuelle Qualität dieser Elf zu groß, um dauerhaft Kellerduelle bestreiten zu müssen.

Die gute Nachricht für die Gladbacher ist die schlechte Nachricht für alle anderen. Schon in der vergangenen Saison hat die Liga einen großen Teil ihrer Spannung aus einem monatelangen Abstiegskampf bezogen, und schon nach sieben Spieltagen deutet sich eine Neuauflage an - mit ein paar neuen Details, die einigermaßen gefährlich sind für jene Teams, die im Moment unten stehen.

Denn ganz unten finden sich, abgesehen vielleicht von Hannover 96, kaum Mannschaften, die man sich zurzeit als Absteiger vorstellen kann: Den FC Augsburg und die TSG Hoffenheim hatte man vor der Saison eher für den Europacup auf der Rechnung, und der einschlägig vorbelastete VfB Stuttgart erweckt den Eindruck, als habe er zumindest das fußballerische Potenzial, um nicht wieder bis zum 34. Spieltag zittern zu müssen.

Immerhin: Favre ist auf dem Markt

Für Hoffenheim, Augsburg und den VfB ist das aber nicht beruhigend, sondern vielmehr bedenklich: Die Lücke zu den sozusagen klassischen Abstiegskandidaten wie Ingolstadt oder Darmstadt ist schon nach sieben Spieltagen ziemlich groß. Vor allem der VfB beginnt gerade zu begreifen, dass es ihn am Ende nicht retten wird, wenn er nach einer gefühlten Leistungstabelle auf Platz vier oder sieben steht. Kombiniert mit einer Leichte-Fehler-Tabelle (Platz 18) und einer Torchancen-Verschwendungs-Tabelle (Platz 18) ergibt das im Moment nicht mehr als Platz 17.

Ob es die Verantwortlichen der bedrohten Klubs trösten wird, dass wenigstens der Trainer Lucien Favre auf dem Markt ist?

© SZ vom 27.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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