Borussia Dortmund:Super-A-Jugend verläuft sich nach Europa

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Champions League muss man lernen. Beim Triumph von 1997 hatte Borussia Dortmund eine gewachsene Hauskultur, die Jugend kam in Person von Lars Ricken von der Bank. Jetzt wird der aktuelle Jahrgang für seine Fehler knallhart bestraft. Jürgen Klopps Idee vom Fußball ist honorig - sie muss aber auch Kritik aushalten.

Klaus Hoeltzenbein

Vielleicht kann man das, was Borussia Dortmund gerade erlebt, mit Tischtennis erklären. Mit einem Hochbegabten, der aus der Jugend zu den Senioren, also auf die nächste Ebene wechselt, und der sich nicht ändern und anpassen will, sondern der auch bei den Erwachsenen stur jenen Stil durchzusetzen versucht, mit dem er im Nachwuchs Klassenbester war.

Probleme in Europa: Mats Hummels (links) und Marcel Schmelzer. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Der schmettert, schmettert, schmettert, bis der Schlagarm schmerzt, der am Ende aber doch als Verlierer von der Platte geht. Weil auf der anderen Seite ein in Ehren ergrauter Routinier steht, der den Schläger hinhält, bis der einstmals Klassenbeste müde ist, unkonzentriert - und die Fehler selber macht.

Ähnlich erging es der Borussia beim 0:3 in Marseille und jetzt beim 1:3 in Piräus. Der Versuch, auch international jenen Offensivstil durchzusetzen, mit dem der Dortmunder Talentschuppen die deutsche Meisterschaft 2011 gewann, wurde kühl bestraft.

Gekoppelt an die Erkenntnis, dass eine Ebene höher doch andere Gesetzmäßigkeiten gelten, dass die Champions League auch etwas Schlaues, etwas Verschlagenes hat. Beide, Marseille und Piräus, haben die Jungspunde aus dem Ruhrgebiet angreifen, angreifen, angreifen lassen, und als diese anfangs das Tor nicht trafen, wurden sie blitzartig und präzise ausgekontert.

Champions League wird einem nicht in die Wiege gelegt, Champions League muss man lernen. Das wurde in diesem 1993 eingeführten Wettbewerb selten so deutlich wie am Beispiel der Dortmunder. Wer hier bestehen will, braucht eine gewachsene Hauskultur - eine solche besaßen die Dortmunder einst, als sie 1997 mit einer Elf um Kohler, Sammer, Reuter und Riedle dieses Turnier gewannen.

Damals kam die Jugend von der Bank, erzielte der 20 Jahre junge Lars Ricken das legendäre 3:1 gegen Juventus. Die Finalelf hatte ein Durchschnittsalter von 28,5 Jahren, bei erst 23 liegt der Dortmunder Kader derzeit. Viel Augenmaß wird heute bei den Transfers verlangt, denn Borussia erholt sich noch immer von den Sünden der Zeit nach 1997, als der Klub beim Versuch, auf Champions-League-Niveau zu bleiben, durch sündteure Einkäufe an den Rand der Insolvenz geriet.

Trainer Jürgen Klopp hat sich die Aufgabe gestellt, einen auch aus der Finanznot geborenen Sturm und Drang durchzusetzen. Es ist der Versuch, den Rhythmus jederzeit diktieren zu wollen - wie der große FC Barcelona, wie der FC Bayern. Es ist die optimistische, die strapaziösere Idee vom Fußball. Ihre Umsetzung hat Zeit verdient, aber sie muss jetzt die Kritik aushalten, dass es so aussieht, als habe sich da eine Super-A-Jugend nach Europa verlaufen.

© SZ vom 21.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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