Borussia Dortmund:Hummels reibt sich am Marterpfahl

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Mats Hummels bei Diskussionen mit Fans nach dem Uefa-Cup-Spiel gegen FK Krasnodar (Foto: AFP)
  • Lässiger Spielstil, offene Worte: Mats Hummels gerät immer wieder leicht in die Kritik.
  • Das frisst sich sogar schon in die Gedankenwelt von Trainer Tuchel.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Thomas Tuchel wollte das nicht so im Raum stehen lassen. Dass er Mats Hummels, den Dortmunder Kapitän und Weltmeister, wegen vermeintlicher Formschwäche auf die Ersatzbank beordert habe. "Ganz im Gegenteil", versicherte der Trainer Tuchel sogar - und es war jetzt schon eine verbale Ausholbewegung nötig, um dieses Gegenteil zu erklären: "Es war längst geplant, dass Mats auch mal eine Pause bekommen muss." Man habe aber sogar gemeinsam "überlegt, ob wir das nun angesichts der öffentlichen Diskussion der letzten Tage auch wie geplant machen, weil es dann ja missverstanden werden könnte".

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Der Dortmunder Nationalspieler äußert sich zur andauernden Kritik an ihm - und moniert die Berichterstattung.

Doch allzu viel Rücksicht auf öffentliche Aufgeregtheiten wollte Thomas Tuchel dann doch nicht nehmen. Und so saß Mats Hummels am Sonntagnachmittag beim souveränen 4:1 gegen den VfB Stuttgart bis kurz vor Spielende draußen.

Die Angelegenheit zeigt: Es wird für Profifußballer immer komplizierter, sich in der sogenannten "Öffentlichkeit" zu bewegen. Hummels selbst hatte sich schon zwei Tage vor dem Spiel via Twitter beklagt: Jetzt sei es aber mal gut mit der überzogenen Kritik an ihm und seiner Leistung. Hummels hatte ins Netz zurück geraunt, das über ihn raunte.

Kürzlich thematisierte er Übergewicht und Frustessen - das war durchaus Selbstkritik

Am vergangenen Donnerstag war Hummels im Europa-League-Spiel beim FK Krasnodar nach 30 Sekunden ein Foul passiert - Elfmeter, 1:0 für die Russen. Anschließend wurde noch 95 Minuten weitergespielt, Innenverteidiger Hummels gab sich keine Blöße mehr, seine Offensivkollegen jedoch brachten kein Törchen zustande, was den BVB nun den Gruppensieg kosten könnte. An den Marterpfahl wurde Hummels gestellt, genauer: an den Internet-Marterpfahl.

Im Netz schreibt sich ja mancher Spott ziemlich leicht hin, und so war die Welle zum Thema Hummels bis zum Wochenende dermaßen angeschwollen, dass Dortmunds Trainer sich tatsächlich fragte, ob er noch Öl ins Feuer gießen würde, wenn er seinem Abwehrchef und Wortführer mal eine Pause geben würde. Wo doch Pause so gerne mit Strafe gleichgesetzt wird, blödsinnigerweise.

Auch Thomas Tuchel ist ja nicht entgangen, dass dieser Mats Hummels immer unter besonderer Beobachtung steht.

Dass Hummels ein Typ ist, der seinen Verteidiger-Job nicht als Zerstörungsorgie interpretiert, sondern Bälle elegant erobern will, um sie dann geschmeidig, gerne mit dem Außerrist, in eigene Gegenstöße zu verwandeln - das provoziert schon lange einen Teil der Fußballgemeinde. Anfangs sogar den Bundestrainer. Joachim Löw hat sich inzwischen allerdings damit abgefunden, dass Hummels, neben Jérôme Boateng, der wohl beste deutsche Innenverteidiger ist. Hängen geblieben ist an Hummels außerdem, dass einer, der an guten Tagen auf dem Platz einen gewissen Beckenbauer-Swing hat, der rhetorisch recht gewählt daher kommt und den Frauen in Umfragen auch noch zum bestaussehenden Spieler der Nationalelf (und überhaupt) wählen - dass so einer doch einfach ein arroganter Pinsel sein muss.

Ganz schuldlos ist er an diesem Zerrbild allerdings auch nicht. Nach den beiden selbst verschuldeten Unentschieden des BVB in dieser Saison, in Hoffenheim und gegen Darmstadt, sowie nach der 1:5-Schlappe beim FC Bayern hatte Hummels es gewagt, offene Kritik am mangelnden Defensiv-Verhalten seiner Vorderleute zu üben. Das mag man in der Branche nicht so gern. Und speziell gegen die Bayern müsste sich Hummels auch über seine eigenen Patzer geärgert haben. Damals ließen sich sogar Dortmunds sonst meist gelassene Manager Hans-Joachim Watzke und Michael Zorc dazu provozieren, von Hummels zu verlangen, er möge "als Kapitän auch in Sachen Selbstkritik vorangehen". So weit, so nachvollziehbar. Zugleich wurde kolportiert, Hummels gehe seinem Trainer Tuchel "auf die Nerven" mit seiner Art. Ohne Prüfung auf Wahrheitsgehalt.

Seitdem wird jeder Stolperer von Hummels als Anfang vom Ende seziert. "Ich werde als Innenverteidiger mein Leben lang an Gegentoren beteiligt sein", klagte Hummels jetzt auch im Fachblatt Kicker. Vor einigen Wochen hatte Hummels schon freimütig über die verkorkste vergangene BVB-Saison unter Jürgen Klopp gesprochen. Er habe Übergewicht mit sich herumgeschleppt, er habe eine gewisse Anfälligkeit für das Laster des Frustessens. Das war durchaus Selbstkritik.

Von Abwanderungswillen hat in Dortmund jedenfalls noch niemand etwas gehört. Tuchel weiß, was er an Hummels hat, Hummels selbst, der zuletzt nicht mehr als Freund des Klopp-Fußballs bekannt war, stellt Tuchel allerbeste Zeugnisse aus. Der neue Trainer war ein wichtiger Grund für Hummels, im vergangenen Frühjahr alle Abwanderungsgedanken wegzuschieben. Zorc und Watzke arbeiten gerade an einer Vertragsverlängerung, über das Jahr 2017 hinaus. Die Ankündigung von Watzke, dass man in naher Zukunft mehr Geld in den Kader als in Dividenden stecken werde, hat sich auch auf Hummels bezogen, dessen Gehalt bei einer Verlängerung deutlich nachgebessert werden soll.

© SZ vom 01.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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