Borussia Dortmund:Dembélés Zorn befeuert den BVB

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  • Der aufregende Teenager Ousmane Dembélé glänzt wieder bei Borussia Dortmund.
  • Beim Pokalabend gegen Hertha BSC stellt sich heraus, dass der Franzose biestiger geworden ist - er wird immer besser.
  • Hier geht's zu den Ergebnissen im DFB-Pokal.

Von Philipp Selldorf, Dortmund

Der amtlich ermittelte Mann des Spiels trug einen geschmeidigen schwarz-gelben Trainingsanzug und einen winzig kleinen Rucksack in Raubkatzen-Optik auf dem Rücken, als er zur Übergabe der Trophäe herbeischlurfte. "Denn jedes Spiel muss seine Helden haben", hat der DFB die Aktion betitelt, die dem Publikum gestattet, den herausragenden Spieler des Pokalabends zu küren. Nach dem Willen des Volkes war Marco Reus der Auserwählte der Partie, die Borussia Dortmund im Elfmeterschießen gegen Hertha BSC gewonnen hatte. Dies gab Anlass zu grundsätzlichen Überlegungen. Ist der Volkswille wirklich immer der ideale Maßstab?

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Nachdem Reus mit bemerkenswerter Teilnahmslosigkeit seine private Auszeichnung entgegengenommen hatte, eine kleine Marmortafel mit zwei Fußabdrücken, kam der eigentliche Mann des Abends des Weges. Ousmane Dembélé hatte die Kapuze tief ins Gesicht gezogen und ging schweigend in die Nacht. Anhänger von Borussia Dortmund durften das als gute Nachricht auffassen: Weder musste er von Mitspielern gestützt noch gar von starken Männern getragen werden, wie es während der Verlängerung des kurz vor Mitternacht vollendeten Pokalkampfs erforderlich war.

Da hatte sich Dembélé nach einem weiteren Sprint plötzlich auf den Boden setzen und jegliche Form von Muskel-Bewegung einstellen müssen. "Ganzkörperkrampf", erläuterte Trainer Thomas Tuchel später. Vier Sanitäter brachten den Erschöpften auf einer Trage in Sicherheit, die Zuschauer applaudierten bewegt. Doch fünf Minuten später stand Dembélé wieder auf dem Rasen, ein Wunder, und eine weitere halbe Stunde später verwandelte er für den BVB mit größter Selbstverständlichkeit den ersten Elfmeter, noch ein Wunder.

Dembélé sei ein Spieler voller "Jähzorn" hat Tuchel außerdem erklärt, was sich erst mal merkwürdig anhörte, denn als Hitzkopf ist der 19 Jahre alte Franzose bisher nicht aufgefallen, obwohl er dazu oft genug Anlass hätte, wenn die gegnerischen Verteidiger Äxte und Sensen auspacken, um ihn von den schnellen Beinen zu holen. Neben Franck Ribéry gehört Dembélé zu den meistgefoulten Spielern der Bundesliga, insofern mag er es begrüßen, dass ihn Tuchel neuerdings mit einem etwas anderen Auftrag auf den Platz schickt.

Wie gegen Leipzig am vorigen Wochenende nahm Dembelé nur noch gelegentlich seine alte Stammrolle als rasender Flügelstürmer wahr, die besten Momente hatten er und die Borussia, wenn er aus dem Mittelfeld agierte. Als Anspielstelle und Spielbeschleuniger ist er dort so wertvoll wie als Passgeber, manche seiner intelligenten Zuspiele in die Tiefe sahen aus, als kämen sie von einem altgedienten Regisseur mit der Erfahrung von vielen Europacup-Abenden.

Mit der Haltung eines Haupt-Verantwortlichen ging Dembelé auch beim Elfmeterschießen voran. "Er hat gesagt, er möchte als Erster schießen, und nachdem er es bis zum Punkt geschafft hatte, waren wir zuversichtlich, dass er eventuell auch schießen kann", witzelte Tuchel, bevor er hochachtungsvoll feststellte, dass dieses Freiwilligenkommando "aller Ehren wert" gewesen sei: "Der Junge war letztes Jahr noch A-Jugend-Spieler, und das nach einem halben Jahr in der Bundesliga so zu machen ... Er hat das gewisse Etwas. Und er hat auch einen bestimmten Jähzorn, wenn es darum geht, zu gewinnen. Das steckt tief in ihm drin, und das lieben wir."

Der mit Recht pathetisch besungene Dembélé, um dessen Verbleib sich die Dortmunder bald sicherlich ebenso sorgen müssen wie um den Erhalt von Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang, trug wesentlich dazu bei, dass das Spiel bald Abstand von seiner dunklen Vorgeschichte nahm.

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Vor dem Anpfiff hatten die Zuschauer im Stadion eine Videobotschaft von Marcel Schmelzer empfangen, in der der Kapitän im Namen der Mannschaft die Exzesse am Rande der Partie gegen Leipzig verurteilte - nicht alle Bewohner der Südtribüne quittierten die moralische Ansprache mit Applaus, der harte Kern im Block stimmte voller Trotz Gesänge an. Klubchef Hans-Joachim Watzke hätte dazu etwas sagen können, aber er verzichtete auch am Mittwochabend auf die Gelegenheit, sich gegen die Kritiker zu wehren, die ihn während der letzten Tage zielsicher aufs Korn genommen hatten. Interview-Bitten lehnte er ab.

Ob die immer höher wogenden Polit-Debatten Einfluss auf das Spiel seiner Mannschaft gehabt hätten, wurde Tuchel gefragt. Der Trainer verneinte. Tatsächlich war es ein BVB-Spiel mit den typischen Zutaten: Zunächst gab es zwei grobe Abwehrfehler, von denen einer zum 0:1 durch den cleveren Kalou führte, und dann gab es wie so oft eine Serie bester Torchancen, die allen voran Aubameyang und Reus in Übereifer und Ungeduld verschwendeten.

So wurde es wieder ein selbstverschuldetes Spektakel, und so kam es zu einer Verlängerung, in der sich zwei weitgehend entkräftete Teams ins Elfmeterschießen quälten. Volksheld Reus stand da längst ausgewechselt an der Seitenlinie und sah zu, wie die Schützen der Hertha an sich selbst und an Torwart Roman Bürki verzweifelten. Der immer ein wenig umstrittene Schweizer Schlussmann musste sich allerdings auch diesmal Kritik gefallen lassen - von sich selbst. Dass Allaguis schon abgewehrter Schuss doch noch ins Tor trudelte, das sei die Folge seines "technischen Fehlers" gewesen, sagte Bürki, der damit zumindest der ehrlichste Man of the Match war.

© SZ vom 10.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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