Wolfsburg in der Bundesliga:Jähes Ende für van Bommel

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Mark van Bommels Zeit in Wolfsburg dauerte nur wenige Monate. (Foto: Stuart Franklin/Getty)

Acht Pflichtspiele ohne Sieg, vierte Niederlage nacheinander: Durch das 0:2 gegen den SC Freiburg rutscht der VfL Wolfsburg in eine sportliche Krise - und überrascht mit einer Trainerentlassung.

Von Thomas Hürner, Wolfsburg

Es lohnt sich immer zu hören, was Christian Streich zu einem Thema zu sagen hat, auch dann, wenn der Trainer des SC Freiburg gar nicht explizit um eine Einlassung gebeten wurde. Streich dozierte bereits kundig über die Auswüchse des Kapitalismus und allgemeine Lebensfragen, er gilt als meinungsstarker und weitsichtiger Beobachter des globalen Fußballbetriebs. Loyal gegenüber seinen Berufskollegen ist er auch, wie eine kleine Verteidigungsrede am Samstagabend verdeutlichte, kurz nach dem 2:0-Sieg seiner Mannschaft beim VfL Wolfsburg.

Streich saß auf dem Podium neben Mark van Bommel, der auf der Pressekonferenz eine knifflige Frage gestellt bekam. Was er zu den vereinzelten "Bommel raus!"-Rufen zu sagen habe, die nach dem Schlusspfiff in der Wolfsburger Arena zu hören waren? Wirklich gut kommt man als Trainer kaum noch raus aus dieser Nummer, jede Antwortvariante von "Interessiert mich nicht" bis zu "Das geht mir schon sehr nahe" wird einem im Nachgang ohnehin negativ ausgelegt.

Die Wolfsburger sind seit nunmehr acht Spielen ohne Sieg

Aber nun, Auftritt Streich: "Alles, was recht ist", zürnte er, "da muss man doch mal die Kirche im Dorf lassen!" So ein paar Hansel auf der Tribüne, so Streichs Tenor, würden jetzt nur dazu benutzt, um die Lage künstlich hochzujazzen. Jede Faser seines Körpers schien zu signalisieren: Guter Trick, Sportsfreund, aber nicht mit mir! Van Bommel nickte Streich anerkennend zu, dann visierte er den Fragesteller an und wiederholte, was der SC-Coach zuvor gesagt hatte: Genau, die Kirche möge doch bitteschön im Dorf bleiben.

Van Bommel und Streich, dieses Duo hatte nach der Partie ungefähr so viel Schlagkraft wie Bud Spencer und Terence Hill. Doch auch mit vereinten Kräften konnten sie nicht verhindern, was am Sonntagnachmittag vonseiten des Werkklubs bekannt gegeben wurde: Van Bommel wurde freigestellt, nach zuletzt acht sieglosen Spielen in Serie und dem fortschreitenden Abrutschen des VfL ins graue Mittelmaß. Für den Niederländer, der erst zu Beginn der Saison als neuer Trainer präsentiert worden war, war es damit ein sehr kurzes Intermezzo in der Autostadt.

"Es gab unter dem Strich mehr trennende als verbindende Faktoren", wird Wolfsburgs Sportchef Jörg Schmadtke in dem Kommuniqué zitiert. Es habe die Überzeugung gefehlt, "in dieser Konstellation aus der sportlich schwierigen Situation herauszukommen und schnellstmöglich die Kehrtwende herbeizuführen". Van Bommel zeigte sich "überrascht und enttäuscht" von dieser Entscheidung.

Bundesliga
:Wolfsburg trennt sich von Trainer van Bommel

Überraschende Wende beim VfL: Nach der Niederlage gegen Freiburg werfen die Niedersachsen den Coach raus - dabei war er gerade erst wenige Monate im Amt.

Am Samstagabend, mit dem Abpfiff der Partie gegen Freiburg, war aber nicht nur wegen der lauten Pfiffe der VfL-Anhänger ersichtlich, dass sich die Wolfsburger in einer manifesten Krisensituation befinden. "Wir machen es den Gegnern momentan sehr, sehr einfach, Tore gegen uns zu schießen", sagte etwa der Mittelfeldmann Maximilian Arnold, der seit Samstag mit 260 Einsätzen neuer Wolfsburger Rekordspieler in der Bundesliga ist: "Da versagen wir als Kollektiv." Und der Noch-Trainer van Bommel fasste die Lage treffend zusammen, indem er einen bundesweit gleichermaßen bekannten wie beliebten Ausspruch von Andreas Brehme zitierte. An dieser Stelle nur eine leicht entschärfte Version: Haste Kuhfladen am Schuh, haste Kuhfladen am Schuh.

Die Zugänge im VfL-Angriff zünden noch nicht richtig - und etablierte Größen stecken im Leistungstief

Nun war nicht alles Mist, was die Wolfsburger unter van Bommel auf dem Rasen veranstalteten. Nur: Das Erbe von Ex-Trainer Oliver Glasner, der mit dem VfL in der vergangenen Saison als Drittplatzierter ins Ziel ging, schien sich aufzulösen wie eine Magnesium-Tablette im Wasserglas. Unter dem Österreicher standen Intensität, Pressing und noch mehr Pressing im Vordergrund, wohingegen van Bommel einen dominanten Ballbesitzfußball installieren wollte. Eingelöst wurde nur die Hälfte des Versprechens. Der Ball zirkulierte in der Tat vornehmlich in den eigenen Reihen, auch gegen Freiburg waren wieder Vorteile bei den relativen Anteilen zu verzeichnen. Dominant wirkte das jedoch nicht.

Bruchlandung: Dodi Lukébakio und der VfL Wolfsburg spielen momentan wenig überzeugend. (Foto: Ina Fassbender/AFP)

So recht passte diese Art von Fußball nicht zum Kader, eine Idee lässt sich eben nicht so einfach über ein paar Spielerköpfe stülpen. Es gibt aber noch weitere Gründe dafür, dass es dem VfL unter van Bommel an der nötigen Zuspitzung im Angriff fehlte. Top-Stürmer Wout Weghorst, der gegen Freiburg wegen einer Corona-Infizierung fehlte, läuft in dieser Saison seiner Form hinterher und hat eine wandschrankgroße Lücke im gegnerischen Strafraum hinterlassen. Einen alternativen Offensivplan konnte van Bommel allerdings nicht kultivieren, wie auch gut an der Gesamtbilanz abzulesen ist: Nur neun Treffer in neun Spielen, dürftiger sieht es da lediglich bei den Teams in den Abstiegsregionen aus.

Darüber hinaus, und das ist eher nicht van Bommels Schuld, erwiesen sich die Wolfsburger Offensivzugänge bislang nicht als die erhofften Bereicherungen: Luca Waldschmidt ist verletzt und benötigt noch Zeit zur Akklimatisierung; Dodi Lukébakio ist zumeist auf der Ersatzbank anzutreffen und fällt wie bei seinem früheren Verein Hertha BSC bisweilen durch divenhafte Attitüden auf. Am meisten wusste noch Lukas Nmecha zu überzeugen, der immer wieder gefährlich in Erscheinung trat. Sein Ertrag ist allerdings noch zu gering, auch gegen Freiburg ließ Nmecha zwei, drei Hochkaräter liegen - ein Abschluss drohte die Latte zu spalten. Doch am Bedenklichsten war in der kurzen Ära van Bommel wohl, dass etablierte VfL-Größen beträchtlich ihrem Leistungsniveau aus der Vorsaison hinterherhinkten: Die Abwehr etwa, die unter Glasner noch zu den stärksten der Liga zählte und über eine inhärente Schwarmintelligenz zusammengehalten wurde, fiel fast nur noch mit vermeidbaren Unzulänglichkeiten auf.

Nach dem Freiburg-Spiel sprach van Bommel noch davon, dass man die Situation "gemeinsam" bewältigen werde

Der erste Gegentreffer fiel am Samstag nach einem vom Freiburger Vincenzo Grifo getretenen Freistoß. Der VfL-Verteidiger Kevin Mbabu verlor seinen Gegenspieler Philipp Lienhart aus den Augen, der zum 1:0 traf (27.). Dann war es wieder Mbabu, der mit einem Ballverlust eine Kettenreaktion in Gang setzte, an deren Ende SC-Kapitän Lucas Höler den 2:0-Endstand erzielte. In der Folge konnte sich der VfL zwar einige passable Möglichkeiten herausspielen, eine verbindende Idee war aber nicht zu erkennen.

"Wolfsburg hatte die ein oder andere Chance mehr als wir", analysierte Streich, dessen Trainerleben derzeit komfortabler nicht sein könnte: mit seinen ungeschlagenen Freiburgern steht er auf einem Champions-League-Platz. Und der inzwischen geschasste van Bommel? Der sagte da noch, dass man die Krise "gemeinsam" bewältigen werde. Davon, so der Niederländer, sei er zu "einhundert Prozent" überzeugt.

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