Abstieg in die 3. Liga:Arminias ostwestfälischer Alptraum

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Fabian Klos wirkte derart frustriert über den Bielefelder Abstieg, dass er kaum noch zu Trauer in der Lage war. (Foto: Lars Baron/Getty)

"Ich kann nicht mal mehr weinen": Der Bielefelder Absturz manifestiert sich in der Relegation gegen Wehen Wiesbaden auf erschütternde Weise - ausgerechnet ein früherer 1860- und Bayern-Spieler schickt den Klub endgültig in Liga drei.

Von Ulrich Hartmann, Bielefeld

Es hat bloß zwölfeinhalb Monate gebraucht, um aus dem Bundesligisten Arminia Bielefeld einen Drittligisten zu machen. Ein Schmetterling verwandelt sich zurück in eine Raupe. Am Montagabend wurde dieser ostwestfälische Fußball-Alptraum mit dem zweiten Abstieg binnen eines Jahres Wirklichkeit. Nach der 0:4-Blamage im Hinspiel verloren kämpferische, aber uneffektive Bielefelder auch das Rückspiel der Relegation mit 1:2 gegen jenen SV Wehen Wiesbaden, der jetzt in der zweiten Liga spielen darf.

"Transformers", leuchtete am Montagabend immer wieder auf den LED-Wechselbanden des Bielefelder Fußballstadions auf. Werbung für einen neuen Kinofilm über Roboter, die sich in Autos verwandeln können. Auch die Arminia ist eine Art Transformer: mal Erst-, mal Zweit-, mal Drittligist. Sieben Mal in den vergangenen 15 Jahren und 23 Mal seit Einführung der Bundesliga vor 60 Jahren hat dieser Klub die Liga gewechselt.

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Immer wieder auf und nieder, schallt es auf dem ostwestfälischen Fußball-Rummel aus den Lautsprechern. Die Kunst ist, in der traditionell schlecht vergüteten dritten Liga immer wieder den Neuanfang zu schaffen. Das ist auch diesmal die größte Herausforderung, oder wie Arminias Geschäftsführer Christoph Wortmann sagt: "Eine Herkules-Aufgabe!"

Dabei war Herkules bei der Varusschlacht vor mehr als 2000 Jahren im Teutoburger Wald knapp hinter Bielefeld gar nicht dabei. Hermann, der Cherusker, hieß der germanische Held, auch genannt: Arminius. Ihm widmete die 1905 gegründete Arminia ihren Namen. Arminius könnte ungefähr ein Antlitz gehabt haben wie der Maskenmann Fabian Klos, der nach zwei kapitalen Gesichtsverletzungen nur noch mit schwarzer Carbon-Maske spielt.

Arminias Käpt'n Klos, der seiner Mannschaft nach dem 0:4 im Hinspiel brüsk Charakter und Zusammenhalt abgesprochen hatte, erzielte im Rückspiel nach vier Minuten die Bielefelder 1:0-Führung. Da wackelte das Stadion. Die Transformers wehrten sich gegen ihre nächste Verwandlung. Doch Wehen Wiesbaden erwies sich als zu clever und fußballerisch besser. Der gebürtige Starnberger und frühere 1860- sowie FC-Bayern-Junior Benedict Hollerbach, 22, drehte mit zwei Treffern noch in der ersten Halbzeit das Spiel.

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Das Ergebnis von 1:2 behielt bis zum Ende Gültigkeit. Etwa 600 Wiesbadener Fans sangen und hüpften. Etwa 23 000 Bielefelder Zuschauer waren konsterniert. Pyrotechnische Eskalationen wie im Hinspiel blieben aus. Bielefeld wirkte erschöpft. "Ich kann nicht mal mehr weinen", sagte Klos am Ende deprimiert. "Neuanfang auf allen Ebenen", stand gegen Ende des Spiels auf einem Banner im Arminia-Fanblock.

Diesen Appell hätten sich die Fans sparen können, denn wenn man in die dritte Liga absteigt, fängt man sowieso bei Null an. Apropos sparen: nach 35 Millionen Euro Fernsehgeld in der ersten und 19 Millionen Euro in der zweiten wird die Arminia in der dritten Liga 1,3 Millionen Euro bekommen. Sie wird sich dort folglich einen völlig neuen Kader zusammenstellen müssen.

Als neuer Sportdirektor kommt Michael Mutzel, vormals Hamburger SV, als Trainer könnte Uwe Koschinat verweilen, als Kapitän könnte Klos beim Neuanfang vorangehen. All das ist Inhalt anstehender Gespräche. Die Verträge nahezu aller Spieler haben für die dritte Liga keine Gültigkeit. Die Saison beginnt in zwei Monaten am ersten August-Wochenende. Das wird ein heißer Sommer für Arminia Bielefeld.

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