Biathlon-Zukunft nach Magdalena Neuner:Frontfrau gesucht!

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Während Magdalena Neuner ihre letzten WM-Auftritte absolviert, beginnt die Suche nach einer Nachfolgerin. Talentierten Nachwuchs gibt es genug, doch der braucht Zeit. Mitten hinein platzt die Diskussion um Langläuferin Evi Sachenbacher-Stehle - die will sich zur Biathletin umschulen lassen.

Carsten Eberts, Ruhpolding

So selbstbewusst wie Magdalena Neuner ist Franziska Hildebrand bereits. Das Gespräch dreht sich um die Zukunft der deutschen Biathlon-Frauen, um die Zeit nach Neuner und um die Olympischen Winterspiele 2014. "Ich will bei Olympia eine Form haben, mit der ich angreifen kann", sagte Hildebrand, gerade 21 Jahre alt, "und dann soll es eine Medaille sein."

Auf der Zielgeraden der Karriere: Magdalena Neuner (Foto: action press)

Sotschi 2014, soweit denkt man im deutschen Biathlon-Lager bereits. Lieber nicht so gerne an die beiden kommenden Jahre, die Herbst- und Wintermonate 2012 sowie das komplette Kalenderjahr 2013. Denn wie es direkt nach Magdalena Neuner wird, weiß niemand.

Viele befürchten einen Bruch, wenn Neuner ihre Karriere beendet - und damit auch ein Ende des großen Booms. Neuners frühzeitiger Rückzug hat auch den Verband kalt erwischt, der hoffte, sich noch einige Jahre auf ihren Erfolgen ausruhen zu können. Es sei zwar eine "sehr reizvolle Aufgabe, diese Lücke zu schließen", sagte Frauen-Trainer Ricco Groß. Ob und wann dies gelingen wird, wissen natürlich auch Groß und die anderen Trainer nicht.

Vor allem: Auch Andrea Henkel, die zweite Frontfrau, ist bereits 34 Jahre alt. Sie wird maximal noch bis 2014 laufen. Dann ist auch für sie Schluss.

Wer Argumente dafür sucht, dass nach Neuner keine ertraglose Zeit kommt, muss nur auf die vergangenen Jahre verweisen. Nach Vancouver 2010 hörten auf einen Schlag Kati Wilhelm, Simone Hauswald-Denkinger und Martina Beck auf, jeder fragte sich: Wie soll es weitergehen? "Die Situation war nicht leicht", erzählt Groß heute. Doch es ging weiter - mit Magdalena Neuner, dem Küken aus Wallgau, das die Lücke überraschend nahtlos schließen konnte.

Wer kann Neuners Lücke füllen? Auf den ersten Blick: niemand. Jedenfalls nicht sofort. Großes Potential ist zweifellos vorhanden. Da gibt es Franziska Hildebrand, 24, die forsche Olympia-Anwärterin. Oder Miriam Gössner, 20, die Zimmerkollegin von Neuner. Und natürlich Franziska Preuß, 17, die bei den Olympischen Jugendspielen vor wenigen Wochen in Innsbruck gleich dreimal Gold holte.

Deutscher Biathlon-Kader
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Wer hätte es gedacht? Das Biathlon-Team der Frauen besteht nicht ausschließlich aus Magdalena Neuner. Bei den Männern gibt es in Arnd Peiffer und Andreas Birnbacher zwei große Medaillenhoffnungen - und ein großes Sorgenkind. Der deutsche WM-Kader im Überblick.

Carsten Eberts, Ruhpolding

Fragt man Neuner selbst, lenkt sie den Fokus auf ihre Freundin Gössner. "Ich persönlich setze ja brutal auf die Miri", sagt Neuner. Gössners Problem: Sie ist zwar extrem laufstark, jedoch keine besonders gute Schützin. "Miri hat noch Schwierigkeiten, wenn sie mit hoher Intensität an den Schießstand kommt", erklärt Groß, der viel mit Gössner gearbeitet hat: "Sie war zwei Jahre beim Langlauf, da fehlen uns zwei Ausbildungsjahre." Groß glaubt aber: "Die kriegen wir schon hin."

Wird Miriam Gössner (rechts) die Nachfolgerin von Magdalena Neuner? (Foto: dpa)

Ebenfalls großes Potential hat Franziska Hildebrand, auch wenn es bei dieser WM nicht für ein gutes Resultat reichte. Zwar kündigte Hildebrand an: "Ich will hier meine beste Saisonleistung schaffen. Das wäre Platz eins bis fünf." Am Ende blieb es bei ihren Starts im Sprint und der Verfolgung: Platz 29 und Platz 47.

Und Preuß? Sie ist eines der größten Biathlon-Talente überhaupt, hat einen tollen Winter bei den Junioren absolviert, durfte während der WM sogar in einem BR-Talk neben Neuner auftreten. Die nächste Saison der Senioren kommt für Preuß sicher noch zu früh. Aber danach?

Mitten in diese Debatte platzt die Diskussion um jene acht deutschen Langläuferinnen, die von den Biathleten eine offizielle Einladung zur Schießprüfung bekommen haben. Die kuriose Idee: Vielleicht lassen sich ja gute Langläuferinnen zu Biathletinnen umschulen.

Seitdem ist die Stimmung im DSV angespannt: Manche reden von Aktionismus, einige Langläufer fühlen sich vom Verband verraten, andere sprechen von einer Option, der man nachgehen muss. "Wir wollen sehen, wie sich das entwickelt", sagt DSV-Sportdirektor Thomas Pfüller, spricht sogar von "Verbandsdisziplin". Besonders Evi Sachenbacher-Stehle, das noch immer prominenteste Langlauf-Gesicht, hat ihr Interesse angemeldet.

Aber geht das wirklich? Langläuferinnen, die noch nie professionell mit einer Waffe umgegangen sind? Groß äußert sich vorsichtig. Er verweist auf Kati Wilhelm, die einst vom Langlauf zum Biathlon wechselte, nach zwei Jahren Weltmeisterin wurde, nach drei Jahren Olympiasiegerin. Über Sachenbacher-Stehle sagt Groß: "Wenn sie sehr viel persönliches Engagement reinbringt, sehe ich gute Chancen, innerhalb kürzester Zeit Erfolge vorzuweisen." Richtig überzeugt sieht er dabei nicht aus.

Am Donnerstag ließ Sachenbacher-Stehle in Ruhpolding eine Pressemitteilung verlesen, die ihren Wechsel zu den Biathleten vorerst amtlich macht. "Fakt ist, dass ich ab Frühjahr die Vorbereitung mit den Biathleten aufnehme", ließ sie mitteilen. Auch die Schießprüfung werde sie absolvieren. Sachenbacher-Stehle sagt: "Für die kommende Saison stehen mir damit alle Türen offen." Das Experiment kann also beginnen.

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