Bestechung bei Zenit Sankt Petersburg:Brisante Bekenntnisse

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Erik Hagen (re.): Geständnis gegen den Leidensdruck (Foto: dpa)

Pro Spieler 3000 Dollar an den Schiedsrichter: Der ehemalige Verteidiger Erik Hagen berichtet über Bestechung beim russischen Klub Zenit Sankt Petersburg in einem Uefa-Pokal-Spiel und bringt damit den europäischen Verband in Erklärungsnot. Vor allem die Verbindung zu Sponsor Gazprom wirft Fragen auf.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Aus Norwegen kommt eine delikate Affäre auf Europas Fußballlandschaft zu, und der Auslöser pflegt mit seiner Familie das beschauliche Landleben. Erik Hagen sagt im Gespräch mit der SZ, er habe viele Reaktionen bekommen, vom norwegischen Fußballverband, von aktiven Fußballern, von Bekannten - und alle seien sie positiv gewesen. Der Tenor: Gut, dass du das öffentlich so gesagt hast.

Zur Wochenmitte hat der frühere Verteidiger Hagen, Spitzname "Panzer" und inzwischen 38 Jahre alt, der norwegischen Zeitung VG brisante Details über seine Zeit beim russischen Spitzenklub Zenit Sankt Petersburg (2005 bis 2008) erzählt. Er tat es offenbar aus einer Laune heraus, die Reporter hatten keine Ahnung davon und wollten ganz generell "die schmutzigen Seiten des russischen Sports" beleuchten, den Einsatz des dopingverdächtigen Xenon-Gases und andere Tricks.

Und da, "ganz plötzlich", wie ein Rechercheur sagt, befreite sich Hagen von einem inneren Leidensdruck und gestand, dass er und seine Mitspieler vor einem Uefa-Pokal-Spiel jeweils 3000 Dollar bezahlt hätten, um den Schiedsrichter zu schmieren. Er ließ offen, um welche Partie es ging, aber offenkundig handelt es sich um das 2:1 in der Zwischenrunde gegen den portugiesischen Klub Vitoria Guimares im Oktober 2005, das jedem Profi 12 000 Dollar Siegprämie einbringen sollte.

"Alles zu unseren Gunsten, es war peinlich"

Zudem erinnerte sich Hagen durchaus amüsiert an den Schlussspurt in der Meisterschaft 2007, als er mit Zenit neun der letzten zehn Spiele gewann. "Alle Schiedsrichterentscheidungen waren zu unseren Gunsten, es war peinlich", sagte er. Parallel gab auch Hagens Landsmann Jørgen Jalland an, in seiner Zeit bei Rubin Kasan (2005/06) an offenkundig manipulierten Spielen teilgenommen zu haben. "Es war völlig normal, auf den Platz zu gehen und das Gefühl zu haben, dass der Ausgang unabhängig von dem, was du tust, gegeben ist", sagte er.

Die Aussagen des Duos ergänzen das Bild, das in den vergangenen Jahren vom russischen Fußball entstanden ist. Schon des öfteren hat es konkrete Manipulationsvorwürfe gegeben. In einer Umfrage der internationalen Spielergewerkschaft Fifpro gaben mehr als zehn Prozent der Teilnehmer aus Russlands oberster Liga an, dass sie schon zwecks Spielmanipulation kontaktiert worden seien; fast die Hälfte erklärte, von manipulierten Spielen zu wissen.

Dass allerdings ein Beteiligter mit Blick auf ein internationales Spiel konkret auspackt - das ist ungewöhnlich. Am Tag vor der Partie sei die Mannschaft zusammengesessen und habe sich so entschieden, gibt Hagen an. Er sei der Einzige gewesen, der zunächst Einwände formuliert hätte; der Klub habe keine Kenntnis gehabt.

Nach dem Abpfiff habe er vor Frust über das Geschehene Tür und Spiegel zerstört - und ein Mitspieler habe ihm erklärt, dass sie das nun nicht mehr machen würden. Der Schiedsrichter der Uefa-Pokal-Partie wies den Verdacht zurück. Zenit sagte, man sei "besorgt" und "erstaunt". Hagen beantwortet Nachfragen zum konkreten Ablauf nicht, da könne er sich nach so vielen Jahren nicht mehr erinnern. Dabei stellen sich viele Fragen, etwa von wem die Idee kam und wie genau der Geldfluss war. Und vor allem: Wie wahrscheinlich es ist, dass so etwas nur ein einziges Mal vorkam.

Auf jeden Fall gibt es genügend Anhaltspunkte für die Europäische Fußball-Union (Uefa), sich des Falles einmal genauer anzunehmen. Erik Hagen würde schon gerne mit dem Verband darüber reden, "aber ich weiß nicht, ob die Uefa mit mir reden will". Auf Anfrage, welche konkrete Reaktion es auf Hagens brisante Aussagen gebe, mauerte der Verband: Er gebe keine Auskunft zu einzelnen Spielen.

Der Umgang mit der Causa ist für die Uefa, die sich erst jüngst beim Kongress in Astana für eine Resolution für die Integrität des Spiels beklatschen ließ, durchaus heikel. Zenit gehört mehrheitlich dem russischen Erdgasunternehmen Gazprom - jener staatlich kontrollierten Firma, die seit Sommer 2012 auch als Hauptsponsor der Champions League fungiert.

Zum Zeitpunkt des besagten Europapokalspiels war Gazprom über eine Tochterfirma bereits Anteilseigner von Zenit, im Dezember 2005 übernahm das Unternehmen die Mehrheit. Damit ging auch ein Wechsel an der Vereinsspitze einher: Sergej Fursenko hatte fortan das Sagen, ein Vertrauter von Wladimir Putin - beide waren an der Gründung der Datschen-Kooperative "Osero" (zu deutsch: See) nahe Sankt Petersburg beteiligt. Den Chefposten bei Zenit gab Fursenko bereits ein paar Jahre später wieder auf, ein einflussreiches Amt in der Fußballszene hat er gleichwohl bis heute: Er sitzt im Exekutivkomitee der Uefa.

Erik Hagen wiederum hofft, dass er mit seinem Geständnis nicht alleine bleibt. "Vielleicht gibt es nun auch noch andere Spieler, die über dieses Thema reden."

© SZ vom 04.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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