Leichtathletin Sara Benfares:Vielleicht Krebs, vielleicht nicht

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Doping? Knochenkrebs? Etwas anderes? Sara Benfares (rechts) bei den Leichtathletik-Europameisterschaften 2022. Mittlerweile hat die 22-Jährige ihre Karriere beendet. (Foto: KJ Peters/Beautiful Sports/Imago)

Leidet die positiv getestete Leichtathletin Sara Benfares doch nicht an Knochenkrebs, wie ihr Vater erst betont hatte? Der neue Anwalt der 22-Jährigen präsentiert eine neue Version - die neue Fragen aufwirft.

Von Johannes Knuth

Die rätselhafte Geschichte der Leichtathletikfamilie Benfares ist um eine Wendung reicher - die allerdings für weiteres Rätselraten sorgen dürfte. Urheber des jüngsten Wortbeitrags ist der Freiburger Anwalt Dubravko Mandic, der mittlerweile die Verteidigung der positiv getesteten Mittelstreckenläuferin Sara Benfares, 22, übernommen hat. Hatte Benfares' Vater in den vergangenen Wochen betont, dass seine Tochter Epo und Testosteron genommen habe, um eine Knochenkrebserkrankung zu therapieren, teilte Mandic der Saarbrücker Zeitung nun mit: "Herr Benfares war insgesamt mit der Erkrankung seiner Tochter und der medial thematisierten Dopingkontrolle überfordert. Was er genau geäußert hat, wurde in der Familie noch nicht aufgearbeitet. Frau Benfares leidet an einer diffusen Knochenerkrankung, für die weder die Ärzte noch ihr Vater eine plausible Erklärung hatten."

Dabei hatte Samir Benfares, ein einstiger Mittelstreckenläufer für Frankreich, der bis zuletzt seine drei Töchter trainierte, nicht den Eindruck erweckt, dass es ihm an plausiblen Erklärungen für den Positivtest seiner Tochter Sara mangelt (während ihr erster Anwalt diese Erklärungen kategorisch unkommentiert ließ). Die Diagnose Knochenkrebs, so Samir Benfares, sei im August 2023 gefallen - später sprach er vom September 2023 -, der Hämatokritwert damals gefährlich niedrig gewesen, bei 27. Ein Arzt habe sofort zur Behandlung gedrängt: Epo gegen die Blutarmut, Testosteron für die geschwächten Knochen. Auch das Wort "Chemotherapie" fiel. Weil die Zeit so drängte, habe man keine Ausnahmegenehmigung eingeholt, die eine Spitzenathletin auch in dringenden Fällen benötigt. Dies wollte man aber nachholen.

Die 22-Jährige hat ihre Karriere mittlerweile beendet

Dass Sara Benfares, Elfte der EM 2022 über 5000 Meter, noch Anfang Dezember 2023 im Profifeld eines Straßenlaufs über sieben Kilometer in Genf, 155 Höhenmeter bergauf und 164 Meter bergab, nur eine Minute langsamer war als die Marathon-Weltmeisterin von 2022? Ihrem natürlichen Talent zu verdanken, sagte Samir Benfares. Dass sie Tage nach dem Rennen Bilder von einem Dauerlauf über 20 Kilometer veröffentlichte, 3:33 Minuten pro Kilometer im Schnitt, Unterzeile: "Bereit für den nächsten Schritt?" Eine Inszenierung für ihre Sponsoren, so der Vater. Sara Benfares hat ihre Karriere mittlerweile beendet, was ihr neuer Anwalt nun bestätigte. Auf SZ-Nachfrage Anfang Februar, dass Ärzte eine Knochenkrebserkrankung so oder so für schwer erklärbar halten, hatte Samir Benfares noch geschrieben: "Ihre Experten äußern Zweifel, keine Gewissheiten." Für Gewissheiten brauche man Saras Krankenakte.

Gewissheiten scheint diese Akte nun aber (noch) nicht herzugeben. Sara Benfares' Anwalt richtet aus: "Eine Knochenkrebserkrankung kann aktuell nicht ausgeschlossen werden. Meine Mandantin macht keinen Sport und ist trotzdem extrem gebrechlich. Eine Erklärung dafür steht noch aus. Nachdem sich das linke Knie seit Oktober 2023 in einem degenerativen Zustand befunden hatte", sei "am 3. März beim Gehen die Kniescheibe" gebrochen. Dies erfordere "einen operativen Eingriff Ende April". Gewiss, so Mandic, sei derzeit nur eines: "Wir haben es hier in Wirklichkeit nicht mit einem Doping-Fall zu tun. Meine Mandantin hatte nicht die Absicht, an Wettkämpfen teilzunehmen. Sie wollte wieder gesund werden."

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Wobei Benfares' Positivproben laut unwidersprochenen Berichten ja vom 30. September 2023 stammen. Wenn sie kurz davor Epo und Testosteron in der Absicht nahm, um von einer diffusen, noch nicht erklärbaren Knochenkrankheit zu genesen, ihr Knie seit Oktober 2023 dann in einem degenerativen Zustand war - wieso bestritt sie zwei Monate später noch einen schweren Straßenlauf in der Schweiz?

Sara Benfares' Anwalt bestreitet diese zeitlichen Abläufe auf SZ-Nachfrage nicht. Er schreibt, dass seine Mandantin "das ganze Jahr (2023, Anm.) über praktisch inaktiv war". Sie sei auch nicht mehr voll von ihren Sponsoren gefördert worden, auch wenn es ihr einen Monat lang etwas besser ergangen sei. Bei dem Wettkampf in Genf im Dezember - dem "Course de l'Escalade", wörtlich: Rennen der Ersteigung - handele es sich auch gar nicht um einen "schweren Straßenlauf", sondern um einen "Traditionslauf".

Ob Sara Benfares das auch so sieht? Nach dem Rennen hatte sie in den sozialen Netzwerken geschrieben: "Ein Rennen, das seinen Namen verdient". Dazu stellte sie zwei Emoticons, die die Steigungen verdeutlichen sollten - und ein knallrotes, vor Anstrengung schwitzendes Gesicht.

Es bleibt spannend zu sehen, welche Wahrheit die Nationale Anti-Doping-Agentur (Nada) in all dem erkennt - wie im zweiten Positivfall der Familie Benfares, in dem die Nada noch ermittelt: Kurz nach Saras Test wurde auch der Epo-Positivtest von Sofia, 19, bekannt, 2023 noch Dritte bei der U20-EM über 3000 Meter. Samir Benfares hatte zuletzt behauptet, dass seine Tochter von dem Test gar nicht unterrichtet worden sei, was die Nada bestritt. Sara Benfares' Anwalt kann in der Sache leider nicht weiterhelfen, er hat für Sofia kein Mandat übernommen. Eine weitere SZ-Anfrage ließ Samir Benfares unbeantwortet.

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