Bayern unterliegt Gladbach:Auftakt voller Missgeschicke

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Beim 1:3 in Mönchengladbach geht für den FC Bayern so ziemlich alles schief. Die schwache Vorstellung dürfte der Mannschaft gleich zum Start der Rückrunde eine Debatte über Anspruch und Wirklichkeit bescheren.

Philipp Kreutzer, Mönchengladbach

Am liebsten wären sie so schnell wie möglich davongebraust. Doch das war schlicht unmöglich, denn auf dem völlig verstopften Parkplatz vor dem Stadion in Mönchengladbach kam der Mannschaftsbus der Bayern zunächst nur im Schneckentempo voran. Dieses Klein-Klein ohne nennenswerten Raumgewinn bildete den bezeichnenden Abschluss eines aus Münchner Sicht völlig verkorksten Rückrundenauftakts.

FC Bayern in der Einzelkritik
:Chef Schweinsteiger und die Fehlerhaften

Bastian Schweinsteiger ist sofort wieder Bayern-Anführer, das bringt jedoch nichts: Torwart Manuel Neuer erlebt ein Déjà-vu, Thomas Müller setzt Anatolij Timoschtschuk matt, Arjen Robbens Gegenspieler ahnt jeden Laufweg des Niederländers voraus. Die Bayern beim 1:3 in Gladbach in der Einzelkritik.

Philipp Kreutzer, Mönchengladbach

Unglücklich waren für die Bayern zuvor schon manche Umstände des Spiels gewesen. So liefen beispielsweise in der Halbzeitpause auf den Videoleinwänden im Borussia-Park historische Bilder von der Gladbacher Titelfeier 1977. Die Schale nahm die legendäre Fohlen-Elf damals im Münchner Olympiastadion in Empfang.

Ein schlechtes Gefühl beschlich auch Bastian Schweinsteiger, am Freitag zum ersten Mal nach überstandener Schulterverletzung wieder dabei. Schon beim Aufwärmen vor dem Spiel bemerkte er: "Der Rasen ist in einem katastrophalen Zustand."

Über die Platzverhältnisse hätte Schweinsteiger im Fall eines Sieges vermutlich kein Wort verloren. Weil aber Manuel Neuers Patzer schwerwiegende Folgen hatte, fühlte er sich in seiner Rolle als Anführer berufen, seinen Torwart zu verteidigen. Schließlich hatte der missglückte Befreiungsschlag Neuers, den Marco Reus zur frühe Führung der Gladbacher verwertete, erhebliche Auswirkung für den weiteren Verlauf der Begegnung.

"Wir haben der Borussia durch diesen Fehler in die Karten gespielt", analysierte Jupp Heynckes. Anders als Schweinsteiger hatte der Bayern-Trainer bei Neuers Lapsus keine Unebenheit im Rasen bemerkt. Die Ursache sah Heynckes vielmehr darin, "dass er versucht, den Ball so schnell wie möglich wieder ins Spiel zu bringen. Da muss er ruhiger sein". Vor allem bei Neuer selbst, der kleinlaut einräumte, "die Einladung zur Niederlage gegeben" zu haben, dürften die Erinnerungen an das Hinspiel sehr lebhaft gewesen sein. Auch im August hatte er der Borussia mit einem Aussetzer zum Sieg verholfen.

"Das war der Knackpunkt"

Während Schweinsteiger eine ordentliche Vorstellung bot und den Ehrentreffer zum 1:3 erzielte, litten die meisten seiner Mitspieler in Mönchengladbach unter akuter Formschwäche. So brachte der ebenfalls nach langer Verletzungspause genesene Arjen Robben kaum etwas zustande. Mit einem Ballverlust kurz vor der Pause, der den zweiten Treffer der Borussia durch Patrick Herrmann ermöglichte, unterlief dem Flügelstürmer eines der zahlreichen Bayern-Missgeschicke dieses Abends. "Das war der Knackpunkt", urteilte Heynckes.

Durch ihre fünfte Saisonniederlage haben sich die Bayern nun die üblichen Debatten über Anspruch und Wirklichkeit eingehandelt. Was selbst der frisch tätowierte Verteidiger Breno nicht erreichte, dürfte jetzt eintreten: das vorläufige Ende der im Trainingslager in Doha immer wieder beschworenen großen Harmonie. "Man kann sich vorbereiten, wie man will, es gilt der Rückrundenstart", rief Kapitän Philipp Lahm allen Beteiligten eindringlich in Erinnerung und stellte fest: "Wir haben einfach zu viele Fehler gemacht." Heynckes' teilte diese Einschätzung, er bemängelte zudem: "Wir haben am und im Strafraum das Durchsetzungsvermögen vermissen lassen."

An eine Aufholjagd glaubte auch er nicht wirklich, dafür blieb seine Mannschaft ohne den gesperrten Franck Ribéry zu sehr unter ihren Möglichkeiten. Toni Kroos auf dem linken Flügel und Jerome Boateng als Rechtsverteidiger hätten nicht viel deutlicher machen können, wie wenig Freude sie bei der Verrichtung ihrer Arbeit auf diesen Positionen verspüren. Beide wirkten weitgehend unbeteiligt.

Die Bemühungen von Thomas Müller und Mario Gomez waren zwar von größerem Elan geprägt, verpufften aber aufgrund der mangelnden Unterstützung durch ihre Mitspieler und der Qualität der Gladbacher Innenverteidiger Martin Stranzl und Roel Brouwers nahezu wirkungslos. Als nach dem 0:3, erneut erzielt von Herrmann, der zumindest solide Daniel van Buyten mit Verdacht auf Mittelfußbruch ausgewechselt werden musste, war das Münchener Unglück endgültig vollkommen. Der Abwehrspieler verließ das Stadion an Krücken, ihm droht eine lange Pause.

Bastian Schweinsteiger gehörte bei seiner Rückkehr nach langer Verletzungspause zu den besseren Bayern-Spielern. Die höchste Saisonniederlage konnte aber auch er nicht verhindern. (Foto: dpa)

Beträchtlicher läuferischer Aufwand

Positiv fällt der Befund für die Gladbacher aus. Gegen eine Führung haben sie wie wohl jede andere Mannschaft der Welt wenig einzuwenden. Für die Borussia aber ist ein 1:0 nicht bloß ein erfreulicher Spielstand, sondern notwendige Voraussetzung, um zum Tragen zu bringen, was sie nahezu perfekt beherrscht: gut organisiert und leidenschaftlich verteidigen und dann blitzschnell und schnörkellos kontern. Die Defensivarbeit übernehmen bei Gladbach alle elf Spieler und zwar fein aufeinander abgestimmt und mit beträchtlichem läuferischen Aufwand.

So erzeugt selbst eine so kombinationssichere Mannschaft wie der FC Bayern trotz 64 Prozent Ballbesitz wenig Torgefahr. Zwei Chancen zum Ausgleich - einen Kopfball von Mario Gomez und einen Schuss von Toni Kroos - parierte Gladbachs junger Torhüter André ter Stegen gekonnt.

"Es war sehr schwer, gegen uns zu spielen", bilanzierte Lucien Favre vergnügt. Wie seine Mannschaft die bestmögliche Antwort auf die Unruhe nach der Bekanntgabe des Reus-Wechsels fand, verdeutlicht eindrucksvoll: Dies ist mehr als nur ein Überraschungsteam. Gladbach hat das Potenzial, bis zum Schluss um den Titel mitzuspielen. Entsprechend enthusiastisch intonierten die Borussia-Fans "Gegen Gladbach kann man mal verlier'n" und stimmten später auch den unvermeidlichen Lederhosen-Hit an.

Weniger als Provokation denn als Weckruf hätten die Bayern dagegen diese Szene begreifen sollen: Als sie zum zweiten Durchgang das Feld betraten, passierten die Spieler Gladbachs Torhüter ter Stegen, der nicht in der Kabine sitzen mochte, sondern sich lieber von einem Kollegen warmschießen ließ. "Ihr habt das ja nicht gekonnt", musste er den Münchenern gar nicht mehr zurufen.

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