Bayern München:Vielsagende Aufnahmen

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Nach Betrachtung der Kernspinbilder kommt der FC Bayern zu dem Schluss, dass Arjen Robbens Verletzung vorsätzlich verschwiegen wurde - oder dass es sich bei den niederländischen Ärzten um Dilettanten handelt.

Andreas Burkert

Das Arztgeheimnis schützt unter Androhung von Strafe das Vertrauensverhältnis zwischen Medizinern und ihren Auftraggebern; in der Regel sind das die Patienten. Der Vorstand des FC Bayern hat am Mittwochvormittag in der Causa Arjen Robben streng genommen Geheimnisverrat begangen, aber Karl-Heinz Rummenigge sähe einer möglichen Klage wohl gelassen entgegen. Denn ihn regt die Sache schwer auf, auch wenn er sich das diesmal nicht anmerken ließ. Mehr denn je hat er aber den Eindruck, der niederländische Fußballverband habe Robben trotz einer gravierenden Verletzung am WM-Turnier in Südafrika teilnehmen lassen. Am Mittwochvormittag sagte Rummenigge: "Es ist jetzt ein klarer Fakt, dass der Spieler nicht an der WM hätte teilnehmen dürfen."

Zeit für Autogramme hat Arjen Robben derzeit genügend. Der Niederländer muss pausieren. (Foto: REUTERS)

Seit Montag ist der FC Bayern laut Rummenigge im Besitz jener Kernspin-Aufnahmen, die Mediziner des Koninklijke Nederlandse Voetbal Bond (KNVB) in Rotterdam erstellten, einen Tag nachdem Robben sich im letzten Test vor der WM Anfang Juni gegen Ungarn verletzt hatte. Er berichtete, schon auf diesen Aufnahmen sei die Verletzung zu erkennen gewesen, die Klubarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt beim Routine-Check nach Robbens Urlaub vor zehn Tagen entdeckte: einen Muskelriss. "Die Verletzung war damals schon genau im selben Status", sagte Rummenigge. Was nur zwei Schlüsse zuließe, die jeweils eine Ungeheuerlichkeit darstellten: Entweder hat es sich beim Wirken der Ärzte, die Robben laut offiziellem KNVB-Bulletin vor der WM "einen leichten Muskelfaserriss im hinteren linken Oberschenkel" attestierten, um betrübliches Laientum gehandelt. Oder die Blessur - ein fünf Zentimeter großes Loch in der Oberschenkelmuskulatur - wurde vorsätzlich verschwiegen.

Alle zwei Tage punktiert

Dass es sich bei Gert-Jan Goudswaard um einen Dilettanten handelt, erscheint unwahrscheinlich, er ist schon länger Teamarzt der Niederländer. Alles sei "korrekt verlaufen", hatte er allerdings vor einer Woche mitgeteilt, nachdem Rummenigge erstmals Regressansprüche formuliert hatte. Rummenigge entlarvte diese Aussage Goudswaards nun als Unwahrheit, indem er von den aus Holland zur Verfügung gestellten Aufnahmen berichtete. "Ein Muskelfaserriss und ein Muskelriss kann und muss bei der Ansicht dieser Aufnahmen unterschieden werden können", äußerte auf SZ-Anfrage Sportmediziner Ludwig Hecht (Regensburg), der 16 Jahre lang die deutsche U21 und U20 betreute. Naheliegend sei also, "dass es um nationale Interessen ging und auch um das persönliche Interesse des Spielers".

Zumal, wie aus Klubkreisen berichtet wird, Robben während der WM "alle zwei Tage punktiert", also blutige Flüssigkeit entfernt worden sei - ein deutlicher Hinweis darauf, dass mehr als ein Faserriss vorlag.

Die Münchner hatten zuletzt betont, Robben habe eine frühere Einbeziehung Müller-Wohlfahrts nicht gestattet bekommen. Stattdessen erlaubte der Verband seinem maladen Hoffnungsträger die Behandlung beim Physiotherapeuten Dick van Toorn, 77, der sich auch als "Wunderheiler" bezeichnen lässt. Toorn hatte Robben "aggressiv" behandelt, wie der Patient im Juni kundtat; vorige Woche behauptete Toorn, er habe damals nur "einen Faserriss festgestellt, mehr nicht!" Toorn sagte zudem, Robben sei seiner Meinung spielfähig - wie schon bei der WM, wo Robben nach eigener Aussage selbst im 120-minütigen Finale gegen Spanien (0:1) keine Schmerzen hatte.

Dass Robben für das Turnier offenbar fitgespritzt oder zumindest unter dem Einsatz von Schmerzmitteln für den Dienst am Vaterland präpariert wurde, wie dies zuletzt in Medienberichten geäußert wurde, monierte Rummenigge am Mittwoch nicht. Ihn ärgert der Vorgang an sich, "wenn ich eine Wohnung vermiete, darf ich mir ja auch ab und zu mal ansehen, ob alles in Ordnung ist - nur im Fußball geht das nicht". Rummenigge hob den finanziellen Schaden für seinen Verein hervor, als er seine Forderung erneuerte: "Unser Ziel ist es, das gebe ich offen zu, dass wir für diese Zeit der Verletzung die Gehaltszahlung kompensiert bekommen." Bei einer Zwangspause von wohl zweieinhalb Monaten erwartet der FC Bayern demnach für Robbens Ausfall einen Betrag, der zwischen 800.000 und einer Million Euro liegen dürfte.

Warten auf den Chef

Sobald der niederländische Verbandschef aus den Ferien zurückkehrt, solle es mit ihm in München ein Treffen geben, sagte Rummenigge. Vom Fußball-Weltverband Fifa, dies war zuletzt auch den Münchnern klargeworden, können sie nicht mehr als die üblichen Abstellungsprämien im mittleren fünfstelligen Bereich erwarten - und ein Bekenntnis zur Neuregelung für die Zukunft, zumal Real Madrid mit dem Brasilianer Kaká einen ähnlich gelagerten Fall (verschleppte Knie-OP, vier Monate Pause) beklagt.

2006 hatte die Fifa erstmals einen Versicherungsfonds von 15 Millionen Schweizer Franken (10,21 Millionen Euro) eingerichtet, um Vereinen Schadensersatz zahlen zu können. Newcastle United bekam deshalb damals 2,196 Millionen Franken zugesprochen, da sich der englische Stürmer Michael Owen einen Kreuzbandriss zugezogen hatte. Für das WM-Turnier 2010 gab es einen solchen Fifa-Fonds offenbar nicht.

Der KNVB mochte sich am Mittwoch nicht zu Rummenigges Indiskretion aus holländischen Krankenakten äußern. Man sei aber "befremdet, dass dies öffentlich mitgeteilt wird".

© SZ vom 12.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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