Leon Goretzka war genervt. Nach seiner Auswechslung sah man den Münchner Mittelfeldspieler auf der Ersatzbank granteln. Das zusätzliche Konfliktpotenzial beim ohnehin schon konfliktbelasteten FC Bayern hielt sich hierbei allerdings in Grenzen. Mit seiner Auswechslung in der 81. Minute hatte Goretzkas Groll nichts zu tun - behauptete Goretzka. Nach dem Spiel erklärte er: "Unser Internist ist immer sehr bemüht, uns daran zu erinnern, dass wir viel trinken, aber in dem Moment war ich einfach nur nicht bereit, mit ihm darüber zu sprechen - also alles gut!"
Nein, diese Anekdote ist nicht bezeichnend für die derzeit sehr sensible Situation beim FC Bayern. Goretzka steht vielmehr in anderer Hinsicht unter besonderer Beobachtung, nämlich als einer von drei Mittelfeldspielern, denen Trainer Thomas Tuchel nur zu gern noch einen Fachmann für Defensiv-Aufgaben "ins Kreuz" gestellt hätte, wie er am Samstagabend sagte. Ins Rampenlicht hat sich beim Münchner 2:1-Sieg in Mönchengladbach hingegen derjenige gespielt, der in der 81. Minute in seiner Rolle als Einwechselspieler für Goretzka unverschuldet Mitauslöser war für dessen Disput mit dem Internisten: Mathys Tel.
Tel trifft im Schnitt alle 25 Minuten - Ansprüche wird er deshalb jedoch kaum anmelden können
Der 18 Jahre alte Franzose, seit der Verpflichtung des Mittelstürmers Harry Kane unweigerlich zum Schicksal der späten Einwechslung verdammt, erzielte sechs Minuten nach seiner späten Einwechslung den 2:1-Siegtreffer, nachdem ihm im ersten Spiel in Bremen zehn Minuten nach seiner späten Einwechslung (84.) auch schon der Treffer zum 4:0-Endstand gelungen war. Tel hat in den bisherigen drei Partien dieser Saison addiert 50 Minuten gespielt und in dieser Zeit zwei Tore geschossen. Das ergibt im Schnitt einen Treffer alle 25 Minuten. Damit steht er statistisch weit vor Harry Kane, der drei Treffer binnen 273 Minuten erzielt hat - im Schnitt also alle 91 Minuten einen. Ansprüche beim Trainer wird Tel daraus allerdings kaum legitimieren können.
Der 33 Jahre alte Routinier Thomas Müller hielt nach dem Spiel eine Lobrede auf den jungen Franzosen, in die er auch noch subtil freundliche Verbesserungsvorschläge einarbeitete. Müller sagte: "Mathys ist torhungrig, er ist jung, er ist manchmal auch ungestüm, aber das ist auch gut so - ja, vielleicht sieht er im Training manchmal einen freistehenden Mitspieler nicht. Aber er ist immer an, er hat immer Strom, er will immer Tore machen, und das ist schon mal viel wert!"
Offensiv macht Tel die Bayern variabel - seit seiner Ankunft hält er eine Bestmarke der Bundesliga
Trainer Thomas Tuchel hat am Samstag über Tel und die anderen Angreifer nicht so viel gesprochen, weil sein Kader vorne gerade nicht sein Problem ist. "In der Offensive sind wir auf allen Positionen doppelt besetzt und haben da viele Möglichkeiten", sagte Tuchel, um mit diesem Verweis auf die "Unwucht im Kader" überzuleiten - und dass man hinten eher "auf Kante genäht" sei. Vorne erledigen alle Münchner ihren Job.
Tel, vor einem Jahr für 20 Millionen Euro von Stade Rennes verpflichtet, hat in bisher 32 Pflichtspieleinsätzen für die Bayern acht Tore geschossen, dabei hat er nicht ein einziges Mal von Anfang bis Ende durchgespielt. Sechs seiner sieben Bundesliga-Tore erzielte er als Joker. Seit er beim FC Bayern ist, hat kein Spieler in der Bundesliga so oft nach Einwechslungen getroffen wie er.