Champions-League-Quali: FC Zürich:Wo der FC Bayern Gegner und Liebe zugleich ist

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Nach vielen Jahren in der Zweitklassigkeit hat sich der FC Zürich in der Schweiz als Spitzenteam etabliert. Für Präsident Ancillo Canepa geht am Mittwochabend ein Wunsch in Erfüllung: Sein Klub darf tatsächlich gegen den FC Bayern spielen.

David Wiederkehr, Zürich

Modisch war es ein ziemliches Foul, zumindest retrospektiv betrachtet. Der selbstsichere Mann, 31-jährig, war zu Gast in der beliebtesten Quizsendung des Schweizer Fernsehens jener Tage Mitte der achtziger Jahre, und was er trug war wie die Faust aufs Auge: einen hell-blauen Strickpullover direkt von der Skipiste.

Der Fußball-Verrückte aus der Schweiz: Zürichs Präsident Ancillo Canepa. (Foto: dpa)

Dazu hatte er ein Spezialgebiet gewählt, das damals in der Schweiz nicht wirklich mehrheitsfähig war: Er ließ sich über Fußball ausfragen. Genauer: die deutsche Bundesliga des Jahres 1984. Und verirrte sich bei der letzten Frage, unterlag darum einer Lehrerin, die von sich behauptet hatte, gerade von Fußball ja überhaupt nichts zu wissen.

Der einst junge Mann heißt Ancillo Canepa, ist heute 58 und Präsident des FC Zürich, als Einziger im Schweizer Fußball führt er den Klub hauptamtlich, bezahlen lässt er sich dafür nicht, das ist auch nicht nötig. Canepa war erfolgreicher Wirtschaftsprüfer, bevor er sich für den FCZ vorzeitig aus dem Beruf zurückzog.

Und noch mehr Geld verdient hat seine Frau Heliane, eine schillernde Figur mit langen, wehenden roten Haaren. Sie war Chefin von Nobel Biocare, Hersteller von Zahnimplantaten. Das Vermögen der kinderlosen Canepas wird auf mehrere hundert Millionen Franken geschätzt. Von den beiden gibt es bei jedem Fußballspiel das gleiche Bild: Wie sie nebeneinander auf der Tribüne sitzen und rauchen, er Pfeife, sie Zigaretten.

Geblieben aus der alten Zeit ist Ancillo Canepas Vorliebe für die Bundesliga. Seit er denken könne, habe er sich für sie interessiert. Weshalb an diesem Mittwoch für ihn ein Wunsch in Erinnerung geht: Sein Klub trifft im Hinspiel der Champions-League-Qualifikation auf den großen FC Bayern. Wie sehr ihn solche Spiele aufwühlen, zeigte sich, als der FC Zürich vor zwei Jahren beim AC Mailand aufspielte.

Im Abschlusstraining der Mannschaft im San Siro stellte Canepa sich ins Tor und hechtete im Zwirn den Bällen nach. Er wäre gerne selbst Profi geworden, hat es aber als Stürmer nicht über die dritthöchste Schweizer Liga hinaus gebracht. Dass er mit seinem damaligen Klub einmal gegen ein Nachwuchsteam von Stoke City spielte, müsse doch wie ein halbes Länderspiel mit der Schweiz zählen, findet er.

Der FC Zürich gewann jene Partie im Herbst 2009 gegen Milan in der Champions League sensationell 1:0. Es war sein größter Triumph auf internationaler Bühne seit vielen Jahren, lange davor hatte sich der Klub zweimal für das Halbfinale des einstigen Pokals der Landesmeister qualifiziert: 1964 unterlag er Real Madrid, 1977 dem FC Liverpool. Diese Erfolge haben in der Schweiz einen sporthistorischen Anstrich, für den FC Zürich sind sie die Höhepunkte einer goldenen Ära mit Spielern wie Jakob Kuhn, dem späteren Schweizer Nationaltrainer.

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Maik Rosner, Wolfsburg

Zwischen damals und heute liegen dunkle Dekaden, Jahre in der Zweitklassigkeit, Spiele fast ohne Zuschauer im unwirtlichen Stadion Letzigrund. Der FC aus der selbst deklarierten Weltstadt tingelte durch die Provinz und wurde dort blamiert. Was die Misere noch verschlimmerte, denn diametral dazu stieg der Grasshopper Club Zürich zur Macht im nationalen Fußball empor. Ausgerechnet der verhasste Lokalrivale, der als Nobelklub galt und sein Stadion auf der anderen Seite eines dicken Gleisstrangs stehen hatte. Was nützte es dem FC da noch, dass sie ihn als Verein der Arbeiterklasse "Stadtklub" nennen in Zürich?

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Maik Rosner, Wolfsburg

Im Frühling vor sieben Jahren verlor der FCZ noch ein dramatisches Pokal-Halbfinale gegen den Rivalen 5:6 nach 5:2-Führung. Das war eigentlich typisch. Danach allerdings änderten sich die Verhältnisse: Grasshopper wurde der Klub, der Trainer um Trainer verschliss und in finanzielle Schwierigkeiten geriet. Während beim einstmals unsteten FC Zürich Kontinuität einkehrte. Grund dafür: der Westschweizer Trainer Lucien Favre, der sich nach zaghaftem Beginn durchzusetzen vermochte.

Der heutige Gladbach-Trainer sollte zum Vermächtnis werden des scheidenden Präsidenten Sven Hotz, der den Verein 20 Jahre geführt hatte: 2006 gewann der FCZ dank eines Treffers in der Nachspielzeit im Direktduell gegen den FC Basel seinen ersten Meistertitel seit 25 Jahren, ein Jahr später gelang die Wiederholung - und der Erfolg blieb, obwohl Baumeister Favre zu Hertha BSC Berlin weiterzog. Mit Bernard Challandes, auch er aus der französischsprachigen Schweiz, gewann Zürich 2009 die dritte Meisterschaft in vier Jahren.

Seit 15 Monaten heißt der Trainer nun Urs Fischer. Elf Jahre war Fischer ein Verteidiger der Marke Haudegen beim FCZ gewesen. Mit 548 Einsätzen in der höchsten Liga ist er Rekordspieler im Schweizer Fußball, ein Urgestein und für die Fans Identifikationsfigur. Nachdem er den Trainerschein gemacht hatte, ging er seine ersten Schritte im Nachwuchs der Züricher, machte sich als Ausbildner einen Namen und wurde dann von Canepa befördert, als im Frühling 2010 klar war, dass der FCZ den Europapokal verpassen würde.

Fischer erhielt nicht einfach einen Dreijahresvertrag, sondern gleich den Freifahrschein: Er sei noch nie von einem Personalentscheid so überzeugt gewesen wie bei Fischer, sagt Canepa. Darum durfte der Trainer seine ersten drei Partien auch verlieren. Und dies zu Beginn dieser Saison wiederholen.

Fischer spricht, wie er einst gespielt hatte: direkt auf den Mann. Vor dem Spiel in der Münchner Arena flieht er jedoch ins Vage, er erklärt: "Sage ich, dass wir keine Chance haben, heißt es, ich glaube nicht an das Team. Spreche ich vom Weiterkommen gegen Bayern München, werde ich für größenwahnsinnig erklärt." Der Trainer möchte gewinnen, auch weil kein Spiel vor Anpfiff verloren ist. Nicht einmal das gegen die Bayern, von denen er sagt: "Da geht die Post ab." Also lebt Fischer Gelassenheit vor: "Lassen wir die Kirche im Dorf, ohne schwarz zu malen."

© SZ vom 17.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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