Bayern besiegt Real im Champions-League-Halbfinale:Last minute nach Madrid

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In letzter Minute gelingt Mario Gomez der Siegtreffer für Bayern München, das sich mit dem 2:1 eine ordentliche Ausgangsposition für das Halbfinal-Rückspiel in der Champions League verschafft. Die Münchner dominieren Real Madrid über weite Strecken der Partie - doch beim Gegentor stellt die Abwehr auf groteske Art die Arbeit ein.

Es gibt noch keinen Videobeweis im Fußball, es gibt keine Monitore auf der Trainerbank, vielleicht ist das ganz gut so. Nicht auszudenken, welchen Schaden José Mourinho in der Arena angerichtet hätte, wenn er dieses 1:0 des FC Bayern in der dritten Zeitlupe hätte studieren können.

Kampf um jeden Zentimeter: Franck Ribéry und Real Madrids Fabio Coentrao.. (Foto: dapd)

Er hätte gesehen, dass Luiz Gustavo bei Ribérys Torschuss im Abseits stand, und spontan wäre Mourinho gewiss der Meinung gewesen, dass der Münchner geschäftsschädigend in der Sichtachse des Torwarts Casillas stand. Schiedsrichter Webb war aber nicht dieser Meinung. Dieses Tor wäre perfekt geeignet gewesen für jede Art von Verschwörungstheorie - es veränderte dieses Halbfinal-Hinspiel in der Champions League, und zwar zu Ungunsten von Mourinhos Madrid.

Als dieses 1:0 fiel, war noch nicht absehbar gewesen, dass die bis dahin verschüchterten Münchner plötzlich die Initiative übernehmen würden. Und als die Münchner die Initiative übernahmen, konnte noch keiner ahnen, dass sie später in einer entscheidenden Szene die Übersicht verlieren würden - bei Özils Tor zum 1:1. Aber kurz vor Schluss sorgte Gomez mit dem 2:1 doch noch für ein Ergebnis, mit dem sich nächste Woche halbwegs aussichtsreich nach Madrid reisen lässt. "Einen sehr verdienten Sieg" sah Bayern-Trainer Jupp Heynckes, während Mourinho "ein Remis für das richtige Ergebnis"gehalten hätte.

"Jetzt muss Real im Rückspiel angreifen, das könnte uns in die Karten spielen", meinte Philipp Lahm später, während Thomas Müller "ein gefährliches Ergebnis" erkannte. Mourinho urteilte natürlich aus der Sicht des stolzen Real-Trainers. "Wir haben ein schweres Rückspiel vor uns, in dem wir unser Publikum brauchen, aber wir müssen kein historisches Spiel machen. Es reicht auch ein gutes Spiel."

In 32 Tagen findet das Finale dieses edlen Wettbewerbs in München statt, das ist inzwischen so oft erzählt worden, dass es die Münchner fast nicht mehr hören können. Dafür mussten sie es sehen: "Road to Munich" stand auf dem Torbogen, den die 22 Spieler auf dem Weg ins Stadion durchschritten.

So starteten die Bayern in einer Stimmungslage in diese Partie, um die man sie nicht beneidete: Sie wussten genau, dass sie in den beiden Spielen gegen Madrid eine Saison retten müssen, in der eine in Schwarz und Gelb gekleidete Elf schon wieder den Titel in Deutschland holt. Heynckes hatte seine beste Elf nominiert, was keine gute Nachricht war für Thomas Müller, der im Moment nicht zu dieser Elf gehört.

Einzelkritik FC Bayern
:Wenn sogar Mourinho staunt

Manuel Neuer meistert einen Torpedo, Philipp Lahm grätscht die schöne Frisur von Cristiano Ronaldo zu Boden, Franck Ribéry organisiert einen Stehkonvent und Mario Gomez vergibt drei Chancen - nur um die vierte zu nutzen. Der FC Bayern beim Sieg gegen Real Madrid in der Einzelkritik.

Andreas Burkert

Die Bayern merkten schnell, dass sie ihre A-Elf dringend nötig hatten, denn ihr Gegner war nicht Mainz 05. In der Anfangsphase wirkte Real Madrid fast so bedrohlich wie die neue, nun ja, Frisur von Mourinho. Athletisch und passsicher präsentierten sich die Spanier, Sami Khedira gewann mehrere Zweikämpfe gegen Bastian Schweinsteiger, und die Fab Four in der Offensive - di Maria, Özil, Ronaldo, Benzema - rochierten geschickt. Nach zwölf Minuten kam Robben an den Ball, das war der Moment, als den Zuschauern auffiel, dass er auch mitspielt.

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Andreas Burkert

Es waren Ansätze jenes körperlichen Posing-Fußballs, der Mourinho-Teams traditionell auszeichnet, aber selbst der schräge Magier ist manchmal machtlos gegen die banalen Gesetze dieses Sports. Ein Gesetz lautet: Tore können das Spiel verändern. Genau das geschah in dieser 17. Minute, als Ribéry nach einer Ecke von Toni Kroos aus dem Getümmel einschoss. Zuvor hatten die Bayern eine gute Chance gehabt, mehr nicht, aber nach diesem Tor war das Spiel nicht mehr dasselbe. Nun waren es Mourinhos Männer, die beeindruckt wirkten, nun fanden die Bayern den Schlüssel zum Spiel. Ribéry drehte auf, Kroos versprühte sein Aroma, auch Schweinsteiger kämpfte tapfer gegen seinen mangelnde Spielpraxis.

Vorübergehend war das jetzt eine Partie, wie man sie im Halbfinale dieses Wettbewerbs eher nicht erwartet. Sie war attraktiv, aber das war sie vor allem, weil beide Teams die Kontrolle verloren. Es ging jetzt rauf und runter, Chance für Benzema hier (40.), Chance für Gomez dort (41.). Beide Teams neutralisierten sich jetzt mit offenem Visier, auf einem sehr interessanten Niveau. Leider kam dann die Halbzeitpause inzwischen, in der die Maestros auf der Trainerbank ihren Teams wieder die Grundlagen einer kompakteren Fußballtaktik erläuterten.

"Das ging alles so schnell"

Für die Bayern war es besonders bitter, dass Real ausgerechnet in jener Phase das 1:1 gelang, in der die Bayern die Kontrolle - vermeintlich - zurückgewonnen hatten. Das 1:1 war aber das größtmögliche Gegenteil von Kontrolle: Nach einem Ballverlust von Schweinsteiger am gegnerischen Strafraum konterte Real, aber die Münchner waren in Überzahl, nur stellte die Abwehr dann auf so eigenartige Art die Arbeit ein, als hätte der unheimliche Mourinho ihnen kurzfristig ein Schlafmittel verabreichen lassen.

Ronaldos Schlenzerchen war noch kein Problem für Neuer, aber die Bayern klärten den Abpraller nicht, Benzema schoss, der Ball strich schräg am Münchner Tor vorbei, Ronaldo passte auf Özil, Özil lenkte den Ball ins Tor (53.). Bayerns Abwehrspieler? Standen neben den Spaniern und neben sich. "Kein Vorwurf", sagte Heynckes mit der Milde des späten Siegers, "das ging alles so schnell."

War der Ausgleich verdient? Verdient gibt es nicht, sagt Mourinho, es zählen nur die Zahlen. Nach kurzer Irritationsphase holten sich die Bayern das Spiel zurück, sie dominierten jetzt wieder, aber vor dem Tor fehlte ihnen die letzte Klarheit. Real zeigte nun kein großes Interesse mehr an eigenem Glanz, auch Cristiano Ronaldo blieb sehr diskret. Torchancen? Warum auch?

Ein 1:1 wäre dank des Auswärtstores eine Art Traumergebnis für Real gewesen, aber dann machte sich Lahm ein letztes Mal über rechts auf, er spielte Coentrao aus und passte scharf nach innen, wo Gomez vollendete. Verdient? Absolut. Mourinho sah nicht so aus, als fände er das auch, aber auch er blieb später erstaunlich gelassen. "Ich habe meine Zweifel, ob es beim 1:0 nicht abseits war", sagte er, "aber das war einer dieser Fehler, die ich für normal halte." Der Mann vertraut aufs Rückspiel.

© SZ vom 18.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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