Leverkusen in der Champions League:"Von dem lasse ich mir nichts gefallen"

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Keifen an der Seitenlinie: Leverkusens Trainer Roger Schmidt und Atléticos Diego Simeone. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Weil der Plan von Trainer Roger Schmidt aufgeht, siegt Bayer Leverkusen gegen Atlético Madrid und darf vom Viertelfinale träumen. Auch im Keif-Duell an der Seitenlinie schlägt sich Schmidt beachtlich.

Von Andreas Morbach, Leverkusen

Vor knapp drei Wochen war Roger Schmidt auf Schnupperkurs im Estadio Vicente Calderón. In der Heimstätte von Atlético Madrid schaute sich Leverkusens Cheftrainer das beachtliche 4:0 der Colchoneros gegen deren Stadtrivalen Real an - doch abgesehen vom unerwarteten Ergebnis erlebte der 47-Jährige dort wenig Überraschendes. Sondern vielmehr das bekannte Gebräu aus Leidenschaft und Kraftprotzerei, mit einem Schuss Provokation gewürzt. "Es ist immer so, wenn Atlético spielt", fasste der Fortbildungsreisende seine Erlebnisse nun zusammen und sagte: "Das war ein Vorgeschmack auf das, was dann im Stadion und auf dem Platz abgehen wird."

Es geht um den 17. März, wenn Bayer Leverkusen zum ersten Mal seit 13 Jahren wieder ins Viertelfinale der Champions League einziehen kann. Die Voraussetzungen für den Coup gegen den spanischen Meister und Vorjahresfinalisten stehen nach dem eindrucksvollen 1:0 im ersten Duell gut.

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:Calhanoglu sperrt das Türchen auf

Überraschend deutlich ist Bayer Leverkusen Atlético Madrid überlegen und gewinnt 1:0 - beste Möglichkeiten bleiben jedoch ungenutzt. Trainer Schmidt gelingt ein taktischer Kniff.

"So ein Spiel haben wir einfach mal gebraucht", beschrieb Mittelfeldspieler Lars Bender das aktuelle Lebensgefühl der schwach in die Rückrunde gestarteten Rheinländer - die zudem bewiesen haben, dass die K.-o.-Runde in der Königsklasse doch nicht gleichbedeutend mit schlotternden Bayer-Knien und Haue von Europas Fußball-Establishment sein muss.

Einen erheblichen Beitrag zu diesem Fortschritt leistete der ehrgeizige Übungsleiter Schmidt, der den unter dem Bayer-Kreuz grassierenden Spruch vom Achtelfinale als einer internationalen Kür nicht ausstehen konnte. "Das ist der beste Wettbewerb, den es gibt. Und ich kann es nicht verstehen, wenn man da nicht alles gibt, um so lange wie möglich dabei zu sein", erklärte er nach dem Sieg seiner Mannschaft über Atlético - und diesen Gedanken hatte er Leverkusens von Achtelfinalpleiten in Barcelona (1:7) oder gegen Paris St. Germain (0:4) traumatisierten Kickern vorab auch eingetrichtert. Mit Erfolg.

"Leverkusen hat mehr als die Hälfte der zweiten Bälle gewonnen", staunte selbst Madrids Trainer Diego Simeone über die Beharrlichkeit des Gegners beim wichtigen Stilmittel Balleroberung. Eine Fähigkeit, die sein Pendant auf deutscher Seite an diesem Abend besonders stolz machte. "Die zweiten Bälle können wir richtig gut, da sind wir super drin", prahlte Schmidt und überlegte bereits: "Das könnte auch der Schlüssel im Rückspiel sein."

Mutmaßlich wird Schmidt dann auch wieder mit Diego Simeone aneinander rauschen. So wie am Mittwoch in der BayArena, als sich die beiden Trainer vor den Augen des Vierten Offiziellen wie zwei alte Waschweiber ankeiften. Wegen Simeones kräftig gebauten Assistenten German Burgos, der immer wieder vorpreschte und gestikulierte.

"Angst habe ich vor dem nicht. Man kennt das ja ein bisschen von Atlético: Der wird vorgeschickt wie ein Türsteher. Aber von dem lasse ich mir nichts gefallen, schon gar keine Beleidigungen und Provokationen", erklärte Leverkusens Coach seine zwischenzeitliche Raserei am Spielfeldrand. "Und wenn permanent gelbe Karten für unsere Spieler gefordert werden, sage ich auch mal was dazu."

Die eigentliche Leistung gegen Madrid aber war es, bei allem Feuereifer in den entscheidenden Augenblicken kühlen Kopf bewahrt zu haben. So drängten sie nach dem von Karim Bellarabi gewitzt vorbereiteten und von Hakan Calhanoglu krachend vollendeten Führungstreffer auch dann nicht auf Teufel komm' raus auf das 2:0, als Atlético nach der Gelb-Roten Karte gegen Mittelfeldmann Tiago nur noch zu Zehnt auf dem Platz stand.

"Wir waren ein Mann weniger, sind aber am Leben geblieben", nahm Diego Simeone als positive Erkenntnis mit auf die Rückreise nach Spanien. Während sein Gegenüber Schmidt konterte: "Wichtig war es, kein Tor zu kassieren. Da haben wir Reife gezeigt und bei aller Euphorie nicht den Fehler gemacht, zu wild zu agieren."

Die Blaupause für das entscheidende Duell in drei Wochen liegt also bereit. Das fand auch Calhanoglus Sohlen-Passgeber Bellarabi, der betonte: "Wenn wir in Madrid genauso spielen wie heute, kommen wir definitiv weiter."

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