Deutschland erreicht Finale der Basketball-WM:Tatsächlich: Deutschland schlägt die USA und greift nach Gold

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Franz Wagner und Isaac Bonga dürften auch in Paris wieder zu sehen sein - die deutschen Basketballer sind als Weltmeister natürlich für Olympia qualifiziert. (Foto: ELOISA LOPEZ/REUTERS)

In einem Offensiv-Spektakel entzaubert ein entfesselt aufspielendes deutsches Team den großen Turnierfavoriten USA mit 113:111 - und trifft im Finale nun auf Serbien.

Von Ralf Tögel

Andreas Obst wusste nicht so recht, was er sagen sollte: "Ich bin noch etwas sprachlos, aber das war wohl das wichtigste Spiel meiner Karriere. Wir wollten schnell und selbstbewusst spielen, ich glaube, das ist uns ganz gut gelungen." Der Shooting Guard der deutschen Basketball-Nationalmannschaft schien sich mit dieser Untertreibung an seinem Chef zu orientieren. Trainer Gordon Herbert ist bekannt dafür, seine Statements auch im Moment des größten Triumphs auf eisige Temperaturen herunterzukühlen. Doch was war das? Trotz des eisernen Versuchs, seiner Mimik kein bisschen Freiheit zu gönnen, huschte zweimal ein breites Lachen über das Gesicht des Kanadiers, der sich schnell wieder eingefangen hatte: "Wir werden das jetzt ein paar Stunden genießen, dann denken wir an Serbien."

Diese Leistung des knorrigen 64-Jährigen, seine Emotionen derart im Zaum zu halten, war beinahe so bemerkenswert wie die famose Vorstellung seiner Akteure. Die im Übrigen nach der Schlusssirene angemessen ausgelassen als großes rotes Knäuel ineinander verknoteter Spieler auf dem Parkett herumrollten. Wohl verdient: In einem so hochklassigen wie nervenaufreibenden Halbfinale bei der Weltmeisterschaftsendrunde in Manila warf die Auswahl des Deutschen Basketball Bunds (DBB) den großen Turnierfavoriten USA mit 113:111 aus dem Titelrennen und greift im Finale am Sonntag (14.40 Uhr) nach der Goldmedaille.

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Indem Bundestrainer Gordon Herbert die Rollen im Nationalteam klar definiert hat, hat er eine Hierarchie geschaffen, die Spieler und Coach zusammenschweißt - das macht ihn glaubhaft.

Kommentar von Ralf Tögel

Dieses größte Spiel in der Historie des deutschen Basketballs wird im Übrigen nicht nur wie bisher vom Spartensender Magentasport kostenlos übertragen, sondern auch vom ZDF. Vor dem Halbfinale hatte sich DBB-Präsident Ingo Weiss einmal mehr zu Wort gemeldet, um gegen die frei empfangbaren Fernsehsender zu wettern. Und siehe da: Direkt nach dem überragenden Sieg gegen die USA gab das ZDF bekannt, ebenfalls zu übertragen - und damit den deutschen Basketballern bei dieser WM die Aufmerksamkeit zu geben, die sie verdienen.

Das Halbfinale jedenfalls war beste Werbung für diese rasante Ballsportart, in der sich zwei brillant agierende Kontrahenten auf höchstem Niveau duellierten und sich mit taktischem Geplänkel nicht lange aufhielten. Es ging in atemraubendem Tempo hin und her, Dunkings, Ballstafetten oder spektakuläre Blocks wechselten sich über die gesamten 40 Minuten ab und kumulierten in einer nervenaufreibenden Schlussphase, in der Deutschland verdient die Oberhand behielt und den größten Erfolg in seiner WM-Geschichte feierte.

Dennis Schröder hält sich zurück, orchestriert vornehmlich - und erzielt dennoch 17 Punkte

Das deutsche Team war sich bewusst, dass es gegen diesen Gegner keine gute Idee ist, den Start zu verschlafen - was in den vergangenen Partien der Fall war. Aber wie Herberts Spieler loslegten, war dann doch nicht zu erwarten. In einem irrsinnigen Tempo bot das deutsche Team eine nahezu fehlerfreie Vorstellung mit unwiderstehlichen Einzelaktionen und sicheren Abschlüssen. Weil das Team der USA erwartungsgemäß kein bisschen schlechter war, entwickelte sich dieses Offensivspektakel auf höchstem Niveau. Franz Wagner war kaum zu bremsen, Daniel Theis ackerte unter den Körben, und Kapitän Dennis Schröder orchestrierte das Spiel, verzichtete auf eigensinnige Abschlüsse und sammelte dennoch 17 Punkte.

Nur in der Defensive leistete sich das deutsche Team ein paar Unaufmerksamkeiten, allerdings hat kein Gegner mehr individuelle Qualität zu bieten als die Amerikaner. Egal wie überzeugend die Deutschen punkteten, die USA wussten zu kontern und lagen zur Pause hauchdünn mit 60:59 vorne. Was natürlich mit der Klasse des Gegners leicht zu erklären ist: Vor allem der unwiderstehliche Anthony Edwards von den Minnesota Timberwolves, der 23 Punkte sammelte und immer wieder mit krachenden Dunkings auffällig war, sowie Austin Reaves (21) von den Los Angeles Lakers stellten die deutsche Abwehr immer wieder vor Probleme.

Natürlich lag die Bürde des Favoriten auch auf Seiten des US-Teams, egal wie stark dessen Trainer Steve Kerr die weiterhin einzig ungeschlagene Mannschaft im Turnier geredet hatte. Jede Niederlage einer amerikanischen Auswahl gegen einen Gegner vom alten Kontinent wird in der Heimat als Majestätsbeleidigung empfunden, nicht grundlos gilt die nordamerikanische Profiliga NBA als die legitime Maßeinheit im Weltbasketball. Gleichwohl hat sich der Abstand zu Europa signifikant verringert, wie der souveräne 95:86-Sieg der Serben im ersten Halbfinale gegen die favorisierten Kanadier, die sich selbstredend zum Großteil aus NBA-Akteuren rekrutieren, eindrucksvoll belegte.

Gleich wird gerollt: Die deutsche Mannschaft hat das WM-Finale mit einem Sieg gegen die USA erreicht, nun steht nur noch Serbien im Weg zum Gold-Triumph. (Foto: Michael Conroy/dpa)

Nun stehen sich Kanada und die USA gegenüber, aber nicht im Finale, sondern im Spiel um Platz drei. Was Serbiens Trainer Svetislav Pesic, der den deutschen Basketballern einst mit dem EM-Sieg 1993 den einzigen Titelgewinn beschert hatte, nach eigenen Worten so erwartet hatte: "Ich habe mir dieses Finale gewünscht, und es ist so gekommen. Es war ein tolles Spiel, aber man hat von Anfang an gesehen, dass die Deutschen gewinnen werden. Ich freue mich, jetzt soll der Bessere gewinnen."

Andreas Obst spielt sich in einen Rausch

Auch in die zweite Halbzeit startete das deutsche Team mit unglaublicher Intensität. Neben Franz Wagner, der 22 Punkte sammelte, und Theis (21 Punkte) spielte sich nun Andreas Obst in einen wahren Rausch, traf nicht nur aus der Distanz, sondern zog unwiderstehlich zum Korb und avancierte mit 24 Punkten zum Topscorer. Weil auch Johannes Thiemann (10), von der Bank kommend, keinerlei Anlaufzeit benötigte und vorne wie hinten Akzente setzte und Moritz Wagner ebenfalls zweistellig punktete (10), setzte sich die deutsche Auswahl sukzessive ab und lag vor dem finalen Viertel sogar zweistellig mit 94:84 in Führung.

Und sie war nicht gewillt, diesen Triumph noch aus der Hand zu geben: Mit gemeinsamen Kräften stemmten sich die Deutschen gegen den erwarteten Ansturm der Amerikaner im letzten Viertel, ein Dreier von Obst, ein Monsterblock von Isaac Bonga, die finalen Punkte von Kapitän Schröder nach einem unwiderstehlichen Dribbling - und der historische Sieg war geschafft. In Worten des famosen Daniel Theis: "Wir haben an uns geglaubt, ohne Angst gespielt und kühlen Kopf bewahrt. Aber wir haben ein Ziel vor Augen, das ist noch nicht erreicht."

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