Basketball-WM:Wenn der Japaner in Deckung geht

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Finnische Fans in Okinawa: Da kann es schon mal ein bisschen laut werden. (Foto: Issei Kato/Reuters)

Gibt es das Attribut überfreundlich? Bei der WM in Okinawa fließen die Grenzen beim Organisator zwischen aufmerksam und aufdringlich - aber immer noch besser als rücksichtslose Europäer.

Glosse von Ralf Tögel, Okinawa

Lauter liebe Menschen, so hat Niels Giffey die Japanerinnen und Japaner treffend charakterisiert. Nett, zuvorkommend, höflich, manchmal fast überhöflich, befand der Basketball-Nationalspieler dieser Tage. In der Tat kann diese ausufernde Hilfsbereitschaft für den Europäer bisweilen ein klitzeklein wenig befremdlich wirken. Begegnet man einem Hotelmitarbeiter im Treppenhaus, drückt sich der mit gesenktem Haupt derart gegen die Wand, dass einem der Gedanke durch den Kopf schießt, beim Abendessen lieber ein paar Sashimi weniger zu verdrücken.

Apropos Essen: Da kann es beim Catering am Buffet passieren, dass dem Reporter die freundliche Japanerin nicht mehr von der Seite weicht, um dem ungeschickten Europäer, der sich mit Stäbchen am Reis versucht, sofort ein Gäbelchen zu reichen, dann ein Löffelchen - was allein aus Sportsgeist natürlich abgelehnt wird. Kein Stückchen Abfall (die verschiedenen Speisen sind einzeln in Plastik verpackt), kein leerer Becher, kein benutztes Stäbchen, das nicht sofort entsorgt wird, bisweilen beschleicht einen beim Essen der Verdacht, dass die unablässig lächelnde Dame im Hintergrund sogleich beginnen wird den tapsigen Gast zu füttern. Da fließt die Grenze zwischen aufmerksam und aufdringlich.

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Obwohl die deutsche Nationalmannschaft gerade in Japan ein außergewöhnliches Turnier zeigt, sucht man die Spiele in manchen Medien vergebens. Dabei hätte das Team mehr Aufmerksamkeit verdient.

Kommentar von Ralf Tögel

Tut sie natürlich nicht, vielleicht sollte man sich ein Beispiel an den slowenischen Kollegen nehmen: Wenn diese wie eine Horde Büffel über das Buffet herfallen, gehen die Japanerinnen lieber in Deckung. Aber das Personal aus Nippon kann auch anders, besonders wenn es um das Einhalten von Regeln geht. Wenn sich auf dem Weg zum Shuttle ein Uniformierter in den Weg stellt, ist dessen Anweisungen besser Folge zu leisten. Selbst der riesige Finne, dessen Furcht, den Bus zu verpassen, so groß ist, dass er den halb so großen Wachmann auf die Seite schieben will, wird energisch abgedrängt. Kein Vorbeikommen, kein Nachgeben des Ordners, man erahnt, dass selbiger im Notfall auf asiatische Kampfkünste zurückgreifen kann.

Was im Übrigen kein Klischee ist - wer früh genug Richtung Strandpromenade unterwegs ist, kann in den öffentlichen Parkanlagen Japaner beobachten, die Karate üben, oder gar mit einem Schwert trainieren. Nationalspieler Andi Obst ist Zeuge.

Unschlagbares Angebot an der Promenade des Sunset Beach. (Foto: Ralf Tögel/SZ)

Der Finne jedenfalls hat den Bus erreicht, der natürlich gewartet hat, organisiert ist das Turnier in Okinawa nämlich tadellos. Disziplin und Höflichkeit sind in Japan hohe Güter, das merkt man beim Überqueren der Straße, wenn man wegen des Linksverkehrs wieder einmal ein Auto übersieht, der Fahrer nicht hupt, sondern anhält und freundlich nickt. Kein Drängen in der Schlange an der Supermarktkasse, beim Public Viewing am Sunset Beach toben sich die basketballbegeisterten Japaner angemessen aus, achten aber peinlich genau darauf, dem Nebenmann nicht zu nahe zu kommen.

Im Wissen, wie korrekt sich die Japaner benehmen, ist in einer Bar an der Strandpromenade folgendes Angebot zu entdecken: "All you can drink", steht da geschrieben. Eine Stunde Trinken für 1200, zwei für 2000 Yen, das sind etwa 13 Euro. Man stelle sich in Deutschland vor, etwa auf dem demnächst beginnenden Oktoberfest: Da wäre das Heer komatöser Besucher nicht zu bewältigen. An Okinawas Promenade weiß sich sogar die Gruppe finnischer Fans, denen die Offerte nicht entgangen ist, zu benehmen. Augenscheinlich wird die Zeit intensiv genutzt und nicht nur der Geräuschpegel steigt, aber alles bleibt im hellblauen Bereich. Und das Personal? Steht daneben, nimmt Bestellungen an - und lächelt.

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