Basketball:Ungesunde Temperatur

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Hoch das Bein: Nihad Djedovic und Augustine Rubit (v. li.) sichern sich hier gegen Andrey Zubkov (Mitte) den Rebound, letztlich unterlag der FC Bayern dennoch erneut. (Foto: Alexander Galperin /SNA/Imago)

Vier Euroleague-Spiele, vier Niederlagen: Die Bayern-Basketballer verlieren auch in St. Petersburg - und müssen viel länger als geplant auf ihre neue Halle warten.

Von Ralf Tögel

Schließlich platzte Andrea Trinchieri doch noch der Kragen. Der impulsive Trainer der Basketballer des FC Bayern München hatte in der ersten Halbzeit phasenweise emotionslos das Geschehen verfolgt, als könne er nicht glauben, was er da sehen muss. Seine Mannschaft agierte völlig verunsichert, eigenartig lethargisch, die Defensive war immer mindestens einen Schritt zu langsam. Die Spieler von Zenit St. Petersburg durften so teils völlig ungehindert zum Korb ziehen oder freie Würfe nehmen, von denen die meisten auch ins Ziel fanden. Also sah Trinchieri genau das, was er nicht sehen wollte: Sein Team knüpfte an jene schwache Leistung an, die ihr zwei Tage vorher eine 70:73-Niederlage in Kasan eingebrockt hatte. Nichts zu sehen von der geforderten Reaktion, kein Dagegenhalten, im ersten Viertel gingen die Bayern mit 16:31 Punkten unter. Dass die Temperatur des Münchner Trainers dann doch noch in den ungesunden Bereich stieg, lag an der deutlichen Leistungssteigerung. In der zweiten Halbzeit hatten sich die Münchner in die Nähe eines Erfolges zurückgekämpft, ein paar strittige Schiedsrichterentscheidungen, die indes nicht ursächlich für die 71:79-Niederlage waren, ließen den Italiener in den Schlusssekunden die Contenance verlieren - was mit einem technischen Foul geahndet wurde.

Das zweite Auswärtsspiel im fernen Russland verlief konträr zur Partie nur 48 Stunden vorher in Kasan, als die Münchner die erste Hälfte dominierten und das Spiel unnötig aus der Hand gaben. In der ehemaligen Hauptstadt des Zarenreichs nun zeigten die Bayern ein unterirdisches erstes Viertel, bissen sich bis zur Halbzeit ins Spiel zurück und waren nach der Pause dominant. Nur das Ergebnis war dasselbe: Wiederum mussten die Gäste eine vermeidbare Niederlage einstecken und stehen nun mit deren vier aus vier Spielen schon früh in der Saison unter Druck. Zwar hält die Euroleague-Saison noch 30 Spiele bereit, doch angesichts der neuerlich gestiegenen Qualität in der Beletage des europäischen Basketballs ist ein 0:4-Start schon eine ordentliche Hypothek. Das nächste Spiel bei Zalgiris Kaunas erhält somit bereits eine große Bedeutung, denn der litauische Serienmeister ist ähnlich bescheiden gestartet wie der deutsche Pokalsieger.

Nick Weiler-Babb kämpft in der Abwehr, Darrun Hilliard und Corey Walden treffen aus der Distanz - doch dann schwinden die Kräfte

Donnerstagsgegner St. Petersburg war im Vorjahr wie die Bayern in die Playoffs eingezogen, das Team wurde wie das der Bayern weiter verstärkt. Was daran liegt, dass sich der Klub im Gegensatz zum Rest des Kontinents über die gestiegenen Gaspreise freuen dürfte, denn Hauptsponsor von Zenit ist der russische Energieriese Gazprom. So konnten zahlreiche NBA-erfahrene Akteure gelockt werden, im Kader tummeln sich zudem fast ausschließlich Akteure von europäischem Topformat, was im ersten Viertel vor allem Jordan Mickey belegte. Miami Heat, Khimki Moskau und Real Madrid waren seine letzten Arbeitgeber, nun erzielte der US-Amerikaner in den ersten zehn Minuten allein so viele Punkte wie die gesamte Münchner Mannschaft: Zenit führte 31:16. Aber die Bayern steigerten sich, was vor allem daran lag, dass "wir dann wie ein Team gespielt haben", wie Trinchieri feststellte. Vor allem in der Defensive, jener Disziplin, der der Italiener elementare Bedeutung beimisst, steigerten sich die Gäste, wobei einmal mehr Abwehrspezialist Nick Weiler-Babb voranging. Kein Gegner ist dem Münchner zu groß, kein Kontrahent zu muskulös, als dass er ihn nicht bremsen könnte. Wie ein Terrier verbeißt sich der 25-jährige Texaner in seine Aufgabe und reißt so die Kollegen mit. Zur Pause war der Anschluss (35:43) geschafft, nach dem Wechsel gaben die Bayern den Ton an. Was wiederum an den Zugängen Corey Walden (20 Punkte) und Darrun Hilliard , mit 24 Punkten Topscorer, lag. Beides sind Akteure, die auf höchstem Niveau beständig punkten, vor dem letzten Viertel brachten sie ihr Team dank ihrer Distanzwürfe mit 60:54 in Front.

Es reichte erneut nicht, denn wieder spielte Trinchieri mit einer kleinen Rotation, seinen Protagonisten schwanden in der Schlussphase die Kräfte. Akteuren wie Jason George, Marvin Ogunsipe oder Gavin Schilling fehlt die Erfahrung auf diesem Niveau, Djedovic ist noch nicht in Vollbesitz seiner Kräfte, die fehlenden Leon Radosevic, Andreas Obst und vor allem Vladimir Lucic werden schmerzlich vermisst. Der Serbe wurde in der vergangenen Saison unter die besten fünf Euroleague-Starter gewählt, Lucic ist der Spieler, der für die Bayern den Unterschied macht. Trinchieri weiß das natürlich, ändern kann er es nicht. Außerdem hat er trotz aller Absenzen genug Qualität im Kader, um mehr zu reißen. Denn neben dem russischen Duo war auch der erste Gegner Tel Aviv durchaus schlagbar, lediglich Barcelona präsentierte sich klar besser. Das ist es, worüber sich Trinchieri am meisten ärgern dürfte.

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