Basketball-Playoffs:"Die Spieler werden es hassen"

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Rechtzeitig in Bestform: Robin Amaize (rechts), hier im Duell mit dem Ludwigsburger Jaleen Smith, war gegen Ludwigsburg mit 16 Punkten Topscorer. (Foto: Alexandra Beier/Getty Images)

Im Finale um die deutsche Meisterschaft treffen Titelverteidiger Berlin und Pokalsieger FC Bayern München in neuem Format aufeinander. Beide Teams sind schon jetzt mit ihren Kräften am Ende.

Von Ralf Tögel

Andrea Trinchieri hatte allen Grund zur Freude, gerade war seine Mannschaft durch einen hart erkämpften 82:73-Sieg gegen die MHP Riesen Ludwigsburg in die Finalserie um die deutsche Meisterschaft eingezogen. Doch der Trainer der Basketballer des FC Bayern sagte: "Ich bin traurig und aufgebracht." Er sprach über die Verletzung von Leon Radosevic, die einen dunklen Schatten über den Triumph geworfen hatte, der Center war im letzten Viertel umgeknickt und mit schmerzverzerrtem Gesicht in die Kabine gehumpelt. Es ist schwer vorstellbar, dass er noch einmal auflaufen wird, damit fehlt den Bayern ein weiterer zentraler Akteur in der finalen Best-of-five-Serie um den Titel. Zudem war auch Zan Mark Sisko umgeknickt, den Spielmacher hat es aber weniger schlimm erwischt. Paul Zipser, in den vergangenen Partien einer der Besten im Team, war wegen einer Knieverletzung erst gar nicht aufs Feld gekommen.

Nicht viel besser ergeht es Finalgegner Alba Berlin, der Titelverteidiger zog am Samstagabend mit dem 77:75-Erfolg im vierten Spiel bei Ratiopharm Ulm wie die Bayern mit 3:1 Siegen in die Finalserie ein, der Titelverteidiger musste dabei aber auf Luke Sikma, Johannes Thiemann, Jonas Mattisseck und Louis Olinde verletzungsbedingt verzichten. Damit ist das erwartete Traumfinale zwischen den beiden deutschen Euroleague-Teilnehmern perfekt - diese standen sich bereits im Pokalfinale vor sechs Wochen gegenüber, damals gewannen die Bayern 85:79 in eigener Halle.

Die Spieler sind nach einer langen Saison ausgepowert, das macht sie verletzungsanfälliger

Doch sowohl der Meister als auch der Pokalsieger zeigten in den jüngsten Partien deutliche Verschleißerscheinungen, die Spiele waren mehr Abnutzungskampf als Gusto-Stückchen, die oft gezeigte spielerische Leichtigkeit der Bayern war eher die Seltenheit. Die Spieler sind nach dieser so eng getakteten Saison ausgepowert, 86 Spiele in Euroleague, Pokal und nun den Playoffs haben die Reserven angeknabbert, zudem gibt es kaum Möglichkeit zur Regeneration. Titelverteidiger Alba hat 80 Spiele auf dem Buckel und war zuletzt ebenfalls von seinem ansehnlichen Tempospiel weit entfernt. "Das war eine Mobilisierung der letzten Kräfte", fand Geschäftsführer Marco Baldi, in der Finalserie werde fortan "entscheidend sein, welche Mannschaft ein bisschen mehr Energie aus sich herausquetschen kann". Es ist längst der Wille, der die Akteure im Zwei-Tages-Rhythmus zu immer neuen Höchstleistungen antreibt, Training ist in dieser Phase kaum möglich, die Kader sind wegen der steigenden Verletzungszahlen ausgedünnt.

Den Bayern wurde auch im letzten Vergleich mit Ludwigsburg alles abverlangt, zweimal kämpfte sich der Hauptrunden-Erste nach zweistelligem Rückstand zurück, vor dem finalen Viertel stand es 57:57. Aber die Münchner zehrten einmal mehr von ihrer mentalen Stärke, die ihnen bisher in vielen engen Spielen geholfen hat - sowie von ihrer individuellen Qualität im Kader. Gerade rechtzeitig scheint Robin Amaize in Bestform zu kommen, der gegen Ludwigsburg mit 16 Punkten Topscorer war und sein bestes Saisonspiel zeigte. Auch der kürzlich zurückgekehrte Kapitän Nihad Djedovic spielte erstmals nahe seiner Normalform. Die Fehlerquote indes war erneut bedenklich hoch, ein deutliches Indiz schwindender Kräfte: "Wir haben kein Halbfinalspiel mit weniger als 15 Ballverlusten geschafft", monierte Trinchieri.

In Berlin werden am Mittwoch 1450 Zuschauer in der Halle sein, ob in München Fans zugelassen werden, ist noch unklar

Nun bleibe für das Finale abzuwarten, wer tatsächlich zur Verfügung stehe: "Wir haben doch einige Probleme mit Verletzungen und Berlin ja auch." Zumal die Taktung noch enger wird: Die ersten beiden Partien (Mittwoch/Donnerstag, 9./10. Juni) sowie Spiel drei und vier (Samstag/Sonntag, 12./13. Juni) finden an zwei aufeinanderfolgenden Tagen statt. Ist ein fünftes Spiel nötig, dann würde der Titel am darauf folgenden Dienstag (15. Juni) vergeben. Trinchieri will angesichts der Belastungen die Finalserie "an der Grenze coachen" und auf keinen Fall die Gesundheit der Spieler riskieren: "Durch so ein Format mit zwei Spielen an zwei Tagen musst du erst mal durchkommen, das ist für alle etwas Neues. Ich denke, die Spieler werden das Format hassen und den Preis dafür zahlen."

Berlins Nationalspieler Niels Giffey erwartet einem Kampf, den der Stärkere überleben werde: "Es ist ein bisschen survival of the fittest." Teamkollege Simone Fontecchio, der in der Halbfinalserie die meisten Punkte für Alba sammelte, setzt dagegen auf den Heimvorteil: "Wir wollen die beiden ersten Spiele gewinnen." München war Hauptrundenvierter, Titelverteidiger Berlin ist als Zweiter in den ersten beiden sowie dem eventuell nötigen fünften Spiel Gastgeber - mit Fans im Rücken. Am Mittwoch werden im Rahmen eines Pilotprojekts 1450 Zuschauer in der Arena sein, danach dürfen sogar 2000 Fans zuschauen. So weit ist der Freistaat noch nicht: Klar ist zwar, dass Zuschauer zugelassen werden, das richte sich nach "der Anzahl der vorhandenen Plätze", wobei der "Mindestabstand von 1,5 Metern zu anderen Plätzen" ausschlaggebend sei. Weder von Obergrenze noch von prozentualer Auslastung ist in der neuen Verordnung die Rede, es dürfte demnächst nachgeschärft werden.

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