Basketball:Rekordsieg mit Moral

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Moritz Wagner feiert während des zweiten Vorrundenspiels gegen Nigeria. (Foto: Swen Pförtner/dpa)

Am frühen Morgen schlagen die deutschen Basketballer Nigeria und haben nun wieder Chancen auf das Viertelfinale - wenn sie das nächste Spiel nicht zu hoch verlieren.

Von Thomas Hahn, Saitama

In der Interviewzone der Super-Arena von Saitama hatte die Suche nach den Wahrheiten des Spiels noch gar nicht richtig angefangen, da meldete ein Kenner aus dem Organisationsstab ein interessantes Detail. Beim 99:92-Sieg über Nigeria habe die deutsche Basketball-Mannschaft ihren olympischen Punkterekord übertroffen. Und zwar um drei Zähler im Vergleich zur bisherigen Bestmarke aus dem historischen 96:82 über Puerto Rico, mit dem das Team um das Würzburger NBA-Idol Dirk Nowitzki im Juli 2008 die Qualifikation für die Spiele in Peking geschafft hatte. Da konnte man mal sehen, wie besonders dieser hart erkämpfte Sieg gegen die starken Afrikaner war. Pointguard Maodo Lo war auch überrascht, als er davon erfuhr. Er sagte dazu: "Ach was. Okay. Krass."

In Wirklichkeit hat die deutschen Basketballer aber etwas ganz anderes interessiert an diesem Mittwochvormittag in der olympischen Außenstelle im Norden des riesigen Tokioter Metropolgebiets. Der Sieg über Nigeria war so etwas wie ein Erweckungserlebnis für die Mannschaft von Bundestrainer Henrik Rödl. Nach der unnötig deutlichen 82:92-Abfuhr gegen Italien am Sonntag brachte sie sich damit wieder zurück ins Turnier. Sie zeigte ihre Qualitäten als Teamgebilde und den Trotz, den man braucht, wenn man bei Olympia etwas erreichen will.

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Gegen Italien hatte die deutsche Mannschaft eine Art Filmriss. Nach guter Leistung über 36 Minuten ging plötzlich nichts mehr. Gegen Nigeria war es umgekehrt. Man steckte Schwächephasen weg und war im letzten Viertel souverän. Trotz des ungewöhnlich frühen Spielbeginns um zehn Uhr morgens. Und trotz des Drucks, sich schon im zweiten Spiel keine Niederlage leisten zu dürfen. "Sie haben zusammengehalten", lobte Henrik Rödl. Und Maodo Lo sagte: "Ich bin stolz auf diese Mannschaft."

Die deutschen Basketballer scheinen sich gut eingelebt zu haben unter den besonderen Bedingungen dieser pandemischen Sommerspiele. Sie bewohnen im olympischen Dorf an der Tokioter Waterfront zwei Apartments mit je sechs Leuten. "Ist schon sehr lange her, dass man in so einer WG-Situation gewohnt hat", sagte Center Johannes Voigtmann von ZSKA Moskau, der gegen Nigeria die meisten Punkte zum Erfolg beisteuerte (19). Aber er mag das. Es ist wie eine Pause vom normalen Profidasein, und die Spieler können sich offensichtlich gegenseitig aushalten. Sie haben sich je nach Temperament aufgeteilt. "Es gibt eine ruhigere WG und etwas aufgeregtere WG", berichtete Voigtmann.

Der Teamgeist muss die Fehler auf dem Feld kompensieren

Die Aufarbeitung des Italien-Spiels muss in diesen Einheiten gut gelungen sein. Die Mannschaft funktionierte jedenfalls gegen Nigeria, auch als sich selbst anfeuernde Einheit in der leeren Halle. Wer auf dem Feld stand, spürte den Rückhalt derer, die auf der Bank bleiben mussten. "Leute ermutigen Leute", sagt Voigtmann, "das ist unser Sommer."

Auf die Kraft des Teamgeists muss diese Mannschaft allerdings auch bauen gegen die olympische Konkurrenz, denn auf dem Feld neigt sie zu Fehlern, die andere nicht machen. Gegen Italien war das ihr entscheidender Nachteil, und auch gegen Nigeria leisteten sich die Deutschen zu viele Unkonzentriertheiten. Sie hatten zu viele leichte Ballverluste. Sie ließen den guten Dreier-Schützen Jordan Nwora von den Milwaukee Bucks und Miye Oni von den Utah Jazz zu viel Raum. Im zweiten Viertel lagen die Deutschen phasenweise mit elf Punkten im Rückstand. "Mann gegen Mann waren wir ganz schlecht", sagte Maodo Lo. Bundestrainer Rödl gab zu: "Manchmal wünschte man sich, sie könnten die ganze Zeit konzentriert sein."

Bundestrainer Henrik Rödl. (Foto: Swen Pförtner/dpa)

Erst als sie ihr Defensivkonzept auf Manndeckung umstellten, wurde es besser. Und am Ende gewannen sie das Spiel in der Offensive. Danilo Barthel erzielte in der Schlussphase richtungsweisende Punkte, und als Andreas Obst einen Drei-Punkte-Wurf zum 93:81 versenkte, war der deutsche Sieg fast schon perfekt. Nigerias Coach Micheal Brown verzweifelte an seiner eigenen Defense. "Ich war geschockt, wie leicht es war an unseren Ring zu kommen", sagte er. Die Deutschen hingegen freuten sich auch über einen Sieg der Moral. "Die deutsche Mentalität ist oft, Kopf runter, alles schlecht", sagte Maodo Lo. Diesmal hatten alle den Kopf oben behalten. Lo lächelte. "Sehr coole Sache."

Die Australier sind am Freitag der letzte Gruppengegner. Henrik Rödl sieht sie als "eine der talentiertesten Mannschaften" und "Medaillenkandidat". Nigerias Team ist auch voll mit Spielern aus der US-Profiliga NBA, allerdings eher mit Ergänzungskräften ihrer Klubs. Bei Team Australia, dem WM-Vierten von 2019, ist das ein bisschen anders, da spielen so prominente Kräfte wie Patty Mills von den San Antonio Spurs oder Joe Ingles von den Utah Jazz. "Man kann solche Mannschaften nicht überraschen", sagt Rödl, "weil sie so erfahren sind."

Trotzdem sind die Chancen aufs Weiterkommen nicht schlecht. Selbst eine Niederlage könnte reichen, weil in den drei Vierergruppen auch die zwei besten Dritten ins Viertelfinale kommen. Mit der Frage, wie hoch seine Mannschaft gegen Australien verlieren darf, wollte sich Henrik Rödl allerdings nicht beschäftigen. "Das ist mir zu kompliziert." Außerdem ist gewinnen schöner.

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