Basketball:Männer mit Gänsehaut

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Große Sache mit Gänsehaut: Mit 10352 euphorischen Anhängern war die Menorah Mivtachim Arena zu Tel Aviv am Donnerstagabend ausverkauft. (Foto: Seffi Magriso/Getty)

Die ersatzgeschwächten Basketballer des FC Bayern München verlieren den Euroleague-Auftakt in Tel Aviv vor mehr als 10 000 Zuschauern unglücklich 68:69. Trainer Trinchieri zieht dennoch viel Zuversicht aus der Niederlage.

Von Ralf Tögel

Andrea Trinchieri verstand kein Wort. Das ist für einen Mann, der drei Sprachen fließend spricht, eher ungewöhnlich. Doch es lag nicht am Wortschatz, dass der Trainer der Basketballer des FC Bayern München bei der Euroleague-Reporterin dreimal nachfragen musste, was sie denn wissen wolle. Es war schlichtweg zu laut in der mit 10352 euphorischen Fans ausverkauften Menorah Mivtachim Arena zu Tel Aviv. Also sagte Trinchieri höflich, dass er die Frage zwar nicht verstehen kann, aber einfach einmal eine Antwort antizipiere: "Wir waren 17 Punkte hinten, haben aber einen Weg gefunden, ins Spiel zurückzukommen, weil wir eine bessere Defense gespielt haben."

Als der FCB-Trainer diesen Satz ins Ungewisse sprach - er wusste ja nicht, ob seine Antwort auch die Frage traf - war er gerade auf dem Weg aus der Kabine an den Spielfeldrand, die Viertel drei und vier der Euroleague-Partie gegen den israelischen Serienmeister standen unmittelbar bevor. Dann fügte der Italiener noch an: "Es ist sehr wichtig, wie wir in die zweite Halbzeit starten."

"Ich fühle mich nicht besiegt", sagt Bayern-Trainer Andrea Trinchieri

Das sollte prächtig gelingen, letztlich aber zog seine Mannschaft bei Maccabi Tel Aviv hauchdünn und unverdient mit 68:69 den Kürzeren. Damit haben die Bayern nach dem Bundesliga-Auftakt gegen Ulm (83:86) auch den Start in den zweiten Wettbewerb der Saison verloren, gleichwohl erneut einen guten Eindruck hinterlassen. Obwohl Trinchieri nichts mehr hasst, als Spiele zu verlieren, klang der FCB-Coach fast versöhnlich: "Es hätten einige Sachen besser laufen können, aber wir lernen jetzt in diesen Spielen, wobei uns sechs Spieler fehlen. Wir haben mit viel Charakter gegen Maccabi gespielt, gegen ihre Fans. Wir sind zusammengeblieben und haben den Rückstand immer weiter verkürzt. Ich denke, wir hätten gewinnen können und ich fühle mich nicht besiegt."

Zumal die Ursachen für den Misserfolg auf der Hand liegen: In Vladimir Lucic, Nihad Djedovic, Leon Radosevic und Paul Zipser fehlte international erprobtes Personal, in Distanzschütze Andreas Obst und Center Gavin Schilling wichtige Spezialisten. Und dann war da noch der Spielmacher des Gegners. Es zeichnete sich schon in den ersten Minuten ab, dass es wieder einer dieser typischen Wilbekin-Abende werden würde, an denen der US-amerikanische Point Guard mit türkischem Pass zu einer Form aufläuft, in der er nicht mehr zu stoppen ist.

Gerade den Münchnern ist der 28-Jährige in unguter Erinnerung, seit er vor drei Jahren im Audi Dome - damals noch für Darussafaka Istanbul - mit 41 Punkten das Eurocup-Aus der Bayern nahezu im Alleingang besiegelte. Immer wieder wurde Scottie Wilbekin seither in Euroleague-Duellen mit abenteuerlicher Punktausbeute auffällig, am Donnerstagabend hatte er schon zur Halbzeit deren 13 gesammelt - und dabei nur ein einziges Mal sein Ziel verfehlt. In der vergangenen Saison hatten die Münchner beide Vergleiche gegen Tel Aviv gewonnen, auch weil sie Wilbekin recht gut im Griff hatten. Was zuvorderst an Nick Weiler-Babb lag, dessen giftiges Abwehrspiel ihn für solche Aufgaben prädestiniert.

Nach der Pause kämpfen sich die Bayern ins Spiel und gehen mit einer 58:54-Führung ins letzte Viertel

Vor allem nach der Pause gelang ihm das, in dieser Phase drehten die Gäste das Spiel und zogen nach einem zwischenzeitlichen 17-Punkte-Rückstand sechs Minuten vor der Schlusssirene sogar auf 63:54 (34.) in Front. Doch wieder übernahm Wilbekin, der überragende Akteur erzielte zwölf der 14 Maccabi-Punkte in der Schlussphase und bescherte seinem Arbeitgeber mit insgesamt 28 Punkten den gelungenen Einstand ins internationale Geschäft. Wofür er eine einfache Erklärung hatte: "Ich wollte das erste Spiel vor dieser Kulisse nicht verlieren." Für den FCB gestaltet sich die Einordnung nicht so simpel, zwar wurde zweimal verloren, doch angesichts der personellen Probleme war das nicht sonderlich überraschend: Gegen Ulm gab der mit Talenten aufgefüllte Kader gerade mal zehn spielfähige Akteure her, in Tel Aviv kehrten zwar in Corey Walden und Othello Hunter zwei Stammkräfte zurück, doch noch fehlen dem Coach die Optionen.

Tel Aviv hatte seinen hochkarätigen Kader dagegen fast komplett, der sich neben Wilbekin fast ausschließlich aus europäischen Spitzenkräften speist: James Nunnally etwa, der von den New Orleans Pelicans aus der NBA kam, oder die ehemaligen Münchner Derrick Williams und Jalen Reynolds - um nur die prominentesten zu nennen. Dafür geriet der Auftritt der Bayern sehr passabel, die Abwehr verrichtete einen tadellosen Job, in der Offensive wussten vor allem die Zugänge zu überzeugen: Deshaun Thomas war mit 15 Zählern Topscorer, Walden (14), Hunter (11) und Augustine Rubit (10) trafen zweistellig. Und fast wäre den Münchnern der Coup noch gelungen, denn sie hatten den letzten Angriff, aber die Würfe von Thomas und Darrun Hilliard gingen knapp daneben.

Trinchieri huschte bei seiner Gratulation an den Maccabi-Kollegen Ioannis Sfairopoulos sogar ein Lächeln über die Lippen, denn trotz der Niederlage erlebte er einen dieser stimmungsvollen Euroleague-Abende, die den Sport ausmachen: "Dieses unglaubliche Spiel nach fast zwei Jahren ohne Zuschauer war eine große Sache, ich hatte Gänsehaut. Ich nehme heute viel Zuversicht mit, wir haben hier wie Männer gespielt."

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