Basketball:Klassentreffen in Tel Aviv

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Die Aufgaben werden für Augustine Rubit (re.) und den FC Bayern München nicht kleiner. Das Bundesliga-Debüt gegen Ulm (hier Nicolas Bretzel) ging verloren, in Tel Aviv wartet ein ungleich stärkerer Gegner. (Foto: Mladen Lackovic /Imago)

Die Basketballer des FC Bayern beginnen die Euroleague-Saison ersatzgeschwächt in der Rolle des Außenseiters. Der israelische Spitzenklubs hat nach einer enttäuschenden Saison Akteure aus aller Welt angezogen - auch aus München.

Von Ralf Tögel, München

Der Rückblick ist zweifelsfrei schöner als der Ausblick. Was war das zuletzt für eine Euroleague-Saison des FC Bayern München: Erst das Erreichen der Playoffs nach einem dramatischen Sieg gegen Zalgiris Kaunas, dann die nervenaufreibende Serie gegen Mailand, die erst im fünften Spiel verloren ging - buchstäblich mit dem letzten Wurf. Es blieb dennoch ein Erfolg für den FC Bayern, der auch dem deutschen Basketball Renommee einbrachte, denn nie zuvor hatte ein Bundesligist in dem neuen, kraftraubenden Format der europäischen Königsklasse die Playoffs erreicht.

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Zwei der prägenden Akteure, Wade Baldwin und Jalen Reynolds, haben den Klub verlassen, was FCB-Präsident Herbert Hainer kürzlich so interpretierte: "Es ist auch eine Qualität eines Klubs, Spieler zu entwickeln, die für Top-Klubs interessant sind." Die Bayern seien aber auch selbst auf bestem Wege in diese Gewichtsklasse, erinnerte Hainer, und ein paar Sommertransfers dienten da durchaus als Beleg: Darrun Hilliard kam von ZSKA Moskau, Othello Hunter aus Tel Aviv. Zugänge, die ohne den Erfolg der vergangenen Spielzeit kaum möglich gewesen wären. Denn Spieler dieser Güte wechseln zu Klubs mit Aussicht auf Titel, sie wollen im Schaufenster des europäischen Basketballs stehen. Die Frage, ob sich der Verlust von Baldwin und Reynolds kompensieren lässt, wurde am vergangenen Sonntag dann auch schon beantwortet.

Darrun Hilliard, 28, war der herausragende Akteur beim Start in die Bundesligasaison gegen Ulm, der nach Verlängerung 83:86 verloren ging. Auch Augustine Rubit und Deshaun Thomas, ebenfalls neu verpflichtete Spieler, die sich gerne auf höchster kontinentaler Ebene präsentieren, wussten zu überzeugen. Othello Hunter, 35, der sich in der Vorbereitung mit Blessuren plagte, saß hingegen mit dem Gros der Kollegen hinter der Bank. Womit man beim weniger zuversichtlichen Ausblick wäre: Wenn für den FC Bayern an diesem Donnerstag in Tel Aviv die Euroleague beginnt (20.05 Uhr/Magentasport), wird er erneut nicht in Vollbesitz seiner Kräfte antreten können. Wie zum BBL-Auftakt muss Trainer Andrea Trinchieri improvisieren, denn Verletzungen und Corona-Infektionen kurz vor Saisonbeginn zwingen nach wie vor den halben Kader in den Stillstand.

Selbst im Vollbesitz ihrer Kräfte würden die Münchner als Außenseiter nach Israel reisen

In Kapitän Nihad Djedovic, Co-Kapitän Vladimir Lucic, der vergangene Saison in die Euroleague-Auswahl gewählt wurde, Leon Radosevic und Paul Zipser fehlen international versierte Kräfte, in Andreas Obst und Gavin Schilling vielversprechende Zugänge. Sollte Corey Waldens Verletzung einen Einsatz zulassen, muss der Bayern-Trainer immer noch auf eine Handvoll Akteure verzichten, die eine feine Euroleague-Formation abgeben würden. Doch selbst in Vollbesitz der Kräfte würden die Münchner den Flieger nach Israel als Außenseiter besteigen, denn der Gegner hat etwas gutzumachen.

Im Gegensatz zu den Bayern enttäuschte der fünfmalige Euroleague-Champion in der zurückliegenden Saison. Entgegen der Gepflogenheit, mindestens die K.-o.-Runde zu erreichen, verpasste Maccabi dieses Ziel auf Platz 13 der Hauptrunde überdeutlich. Ein Zustand, der nach Ansicht der Verantwortlichen untragbar ist, die dann auch reichlich Mittel zusammenzogen, um den Kader zu verstärken. Zunächst überzeugten sie ihren Spielmacher trotz der Misserfolge davon, eine weitere Saison im Nahen Osten zu verbringen: Scottie Wilbekin, 28, wird den israelischen Serienmeisters in seiner vierten Saison anführen. Der US-Amerikaner zählt zum engen Kreis der besten Point Guards in Europa, pflegt im Schnitt zweistellig zu punkten und lässt sich davon nur selten abbringen.

Um das Saisonziel nicht erneut zu gefährden, hat Maccabi einige weitere Ausnahmekönner verpflichtet und, allen voran, James Nunnally aus der NBA von den New Orleans Pelicans abgeworben. Der 31-Jährige hat neben seiner NBA-Vergangenheit für Atlanta, Philadelphia, Minnesota, Houston und New Orleans auch viel Erfahrung auf europäischen Parkett zu bieten. Unter anderem gewann er mit Fenerbahce Istanbul 2017 den Euroleague-Titel, spielte für Armani Mailand und hat sich in der europäischen Königsklasse mit einer Dreierquote von fast 50 Prozent verewigt. In Derrick Williams und Jalen Reynolds lockten die Israelis zudem zwei ehemalige Bayern-Akteure. Williams, ein athletischer Flügelspieler, hat ebenfalls reichlich NBA-Erfahrung und kommt aus Valencia, Reynolds kehrte nach seiner famosen Saison für die Münchner nach Tel Aviv zurück - der FC Bayern konnte den Center trotz großer Anstrengungen nicht halten.

Welche Qualität und Möglichkeiten Maccabi hat, verdeutlicht die jüngste Personalie: Weil sich der kroatische Center Ante Zizic, von 2017 bis 2020 bei den Cleveland Cavaliers in der NBA angestellt, kurz vor Saisonbeginn verletzt hat, wurde kurzerhand Mathias Lessort verpflichtet. Der französische Nationalcenter kommt vom Eurocup-Champion Monaco und spielte ebenfalls eine Saison beim FC Bayern. Das verleiht dem Vergleich am Donnerstag fast schon den Touch eines Klassentreffens.

Die Wiedersehensfreude dürfte sich spätestens auf dem Court verflüchtigen, denn eine missratene Saison wie im Vorjahr kann sich diese erlesene Maccabi-Auswahl nicht noch einmal leisten. Zumal die Menora Mivtachim Arena, die mehr als 10 000 Zuschauern Platz bietet, ausverkauft ist. Für die Gäste aus Bavaria waren die Aussichten schon mal deutlich besser.

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