Alba Berlin und das DBB-Team:Es berlinert im deutschen Basketball

Lesezeit: 3 min

Ihn nennen sie "JT": Johannes Thiemann kam gegen Frankreich rein und spielte wie einer, der auch im Verein Verantwortung übernimmt. (Foto: Federico Gambarini/dpa)

Maodo Lo, Johannes Thiemann, Niels Giffey: Deutschlands EM-Auftakt ist geprägt von Spielern, die bei Alba gefördert wurden. Beim deutschen Meister folgen sie einem Plan, der im wahrsten Sinn Schule macht.

Von Jonas Beckenkamp, Köln

Waren das die Harlem Globetrotters oder doch deutsche Basketballer, die gegen Frankreich ihre Tricks präsentierten? Maodo Lo ist nach gesicherten Informationen kein Mitglied der legendären US-Showtruppe, aber dieses Dribbling hinter dem Rücken samt Zuckerpass zu Dennis Schröder! Da sprang die ganze Halle in die Höhe und es war nicht die einzige Szene mit überraschenden Protagonisten beim Auftakt in diese Heim-EM. Lo, Niels Giffey, Johannes Thiemann, diese drei gaben dem DBB-Team "überragende Minuten", wie Bundestrainer Gordon Herbert sagte. Hinzu kam Franz Wagner, der sich nach nervösem Beginn steigerte.

Wer auf die vier Genannten blickt, kommt an einer Gemeinsamkeit nicht vorbei: Sie alle haben den Standort Berlin dick im Lebenslauf stehen. Wagner, Giffey und Lo sind sogar an der Spree geboren, Thiemann spielt seit Jahren dort. Und wäre Moritz Wagner nicht verletzt, würde es noch mehr berlinern beim Deutschen Basketballbund (DBB).

Auftaktsieg bei der Basketball-EM
:Schon ein bisschen kitschig

Nowitzki geht, ein neues Nationalteam legt los, und wie: Deutschlands Basketballer entdecken beim unerwarteten Auftaktsieg gegen Frankreich, wie gut sie sind - vor allem drei Spieler zeigen ihr Können.

Von Jonas Beckenkamp

Deutschlands Basketball ist geprägt von Typen, die bei Alba in den Profisport fanden oder heute dort reüssieren. Der deutsche Meister dient als Ausbildungs- und Fortbildungsstätte für viele Körbewerfer made in Germany, dass sich ein gesamter Nationalkader mit Kennzeichen "B" komponieren ließe. Mit Leuten wie Louis Olinde, Oscar da Silva, Malte Delow, Tim Schneider oder Jonas Mattisseck, die diesmal gar nicht den Cut schafften, aber auch mit aktuellen EM-Teilnehmern wie Thiemann, 28, Topscorer gegen die Franzosen mit 14 Zählern. Er stammt ursprünglich aus Trier, spielt aber nach Stationen in Bamberg und Ludwigsburg als Albatros enorm auf.

Isaac Bonga, der aus der NBA zurückkehrt, könnte das deutsche Vakuum in München füllen

Und auch wenn ihn nicht das NBA-Flair der Wagner-Brüder umgibt, gilt er als das, was man "gestandener Nationalspieler" nennt. Wobei, wer weiß, wohin sein Weg noch führt, sollte er sein Niveau nach diesem Auftakt halten können. Wer vor der EM mit ihm über seine Rolle und den Berliner Weg sprach, bekam Sätze wie diesen zu hören: "Alba macht einfach einen guten Job, deutschen Spielern das Vertrauen zu schenken und sie auch spielen zu lassen." Deutsche mit viel Zeit auf dem Parkett gibt es in der BBL immer noch zu wenige, trotz der 6+6-Regel, nach der zumindest die Hälfte der Nominierten einer Partie einen deutschen Pass brauchen. Beim ständigen Meisterkandidaten FC Bayern zum Beispiel haben sie in Andreas Obst und Nick Weiler-Babb nur zwei EM-Fahrer.

Noch ein Berliner: Niels Giffey zeigte gegen Frankreich, warum er lange Jahre Kapitän bei Alba war. (Foto: Marius Becker/dpa)

Isaac Bonga, der aus der NBA zurückkehrt, könnte das deutsche Vakuum in München nun etwas füllen. In Berlin dagegen kommen Deutsche mehr zur Entfaltung - und zwar in Rollen mit Verantwortung: als langjähriger Kapitän (Giffey), Kreativbeauftragter (Lo) oder wertvollster Mann der BBL-Finals (Thiemann). Genau das sei das Besondere an der Alba-Ausbildung, sagt der: "Hier spielt nicht unbedingt der Legionär 30 Minuten, sondern vielleicht reichen auch 20 und die restliche Zeit erhält ein junger Deutscher die Chance, die nötige Erfahrung im Spiel zu sammeln." In die Nähe solcher Einsatzzeiten schaffen es bei Alba in der Liga sechs Deutsche, bei den Bayern nur zwei.

Sportdirektor Himar Ojeda, Manager Marco Baldi und Trainer Israel Gonzalez führen eine Entwicklung fort, die einen langen Anlauf nahm. Seit vielen Jahren betreiben sie ein Jugend-Förderprogramm namens "Alba macht Schule". Es basiert darauf, dass der Klub seine Jugendtrainer an Schulen schickt, dort Basketball-AGs anbietet und eine eigene Jugendliga für Schulteams gegründet hat. "So werden Jungs und Mädels zum Basketball geholt", erzählt Thiemann, "das begeistert sehr früh Leute für den Sport und dann kriegen die jungen Spieler oben auch wirklich die Chance."

Er selbst habe zum Start seiner Profikarriere in Bamberg kaum gespielt, auch dann nicht, "wenn wir mit 20 Punkten vorne lagen, das ist in Berlin anders". Am Ende war das Berliner Programm für ihn sogar ausschlaggebend, 2018 zu Alba zu wechseln - und nicht anderswohin. "Als ich kam, war ich schon 24, dann wollte ich diese Möglichkeit ergreifen, das hat schon eine Rolle gespielt", sagt Thiemann. Er sei "superhappy, dass ein Verein in Deutschland zeigt, dass es auch so geht".

Die Berliner Blockbildung könnte sich im Turnierverlauf als Trumpf erweisen

Bestes Beispiel der speziellen Förderung sei Franz Wagner, der bei Alba das komplette Jugendprogramm durchlief, mit 16 seine ersten Profiminuten bekam und dann wie sein Bruder nach Michigan ans College wechselte. Heute ist er neben Dennis Schröder der aufregendste Nationalspieler und steht sehr wahrscheinlich vor einer langen NBA-Karriere. Laut Thiemann tuschelt man unter deutschen Basketballern durchaus über solche Werdegänge. Das Berliner Modell gilt als stilbildend, es bietet Karrierechancen, auch Richtung DBB-Auswahl. Dort ist längst aufgefallen, "dass plötzlich Spieler kommen, die sofort tragende Rollen einnehmen können". Das ginge nur, wenn sie im Verein eine Selbstverständlichkeit spüren.

"In meinen Augen müssten noch mehr Eigengewächse in anderen Klubs Einfluss auf das Spiel nehmen", wünscht sich Thiemann, "das fehlt uns ein wenig." Nur wer die sogenannte Crunchtime auf dem Feld aus dem Alltag kennt, fürchtet sich auch bei einer EM nicht vor Tricks in den wichtigen Momenten. Die Berliner Blockbildung könnte sich im Turnierverlauf also noch als Trumpf erweisen; bei einem Weiterkommen spielt die deutsche Auswahl den Rest des Turniers übrigens in: Berlin.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Basketball-EM
:Terrier, Wühler und ein guter Geist

Die deutsche Nationalmannschaft startet am Donnerstag mit dem Spiel gegen Frankreich in Köln in das Turnier. Wer sind die Spieler, mit denen Trainer Gordon Herbert eine Medaille holen soll? Ein Kaderrundgang.

Von Jonas Beckenkamp und Ralf Tögel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: