Basketball:Drei Minuten, 51 Sekunden

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Helden des Abends: Vladimir Lucic (rechts) und Wade Baldwin sorgen in der Schlussphase für den Sieg der Münchner. (Foto: Nikola Krstic/Imago/Eibner)

Die Profis des FC Bayern drehen bei Roter Stern Belgrad erneut eine Partie in der Schlussphase - und kommen der Playoff-Teilnahme in der Euroleague einen bedeutenden Schritt näher.

Von Ralf Tögel, Belgrad/München

"Haben sie ein Piep?" Das war die Antwort von Andrea Trinchieri auf die Frage, was ihm bei dem unglaublichen Wurf von Jordan Loyd durch den Kopf gegangen sei, der sein Team nochmals in Bedrängnis gebracht hatte. Der Trainer der FC-Bayern-Basketballer verzichtete auf einen Kraftausdruck, der für gewöhnlich mit so einem "Piep" übertönt wird; die Frage der Euroleague-Reporterin war auch so ausreichend beantwortet. Dann ging der Italiener lächelnd in die Kabine. Grund zur Freude hatte er nach dem 78:76-Erfolg bei Roter Stern Belgrad allemal.

Es war der 17. Sieg im 27. Spiel dieses fordernden Wettbewerbs der besten Teams des Kontinents, damit verbesserten sich die Münchner auf den vierten Platz. Bei sieben noch ausstehenden Partien rückt das Erreichen der Playoffs, zu denen die besten acht Teams teilnahmeberechtigt sind, immer näher. Nie zuvor ist das einem deutschen Team gelungen, nie zuvor war ein deutsches Team so gut platziert wie die Bayern derzeit, gleichwohl ist die Teilnahme an der Endrunde längst nicht sicher. Denn nie zuvor war die Euroleague auch so ausgeglichen wie in dieser seltsamen Corona-Saison; der litauische Klub Zalgiris Kaunas ist als Neunter nur zwei Siege schlechter als die Bayern.

Entsprechend eng gestaltete sich die Partie beim Vorletzten, die Münchner mussten bis zur Schlusssirene bangen, ehe der Sieg perfekt war. Als Belgrads Topscorer Loyd (26 Punkte), der 2019 noch mit den Toronto Raptors den NBA-Titel gewonnen hatte, besagten Dreipunkte-Wurf in höchster Zeitnot und hart bedrängt aus großer Entfernung nehmen musste und tatsächlich zum 70:71-Anschluss durch die Reuse schickte, wurden die Hände der Bayern-Spieler nochmals zittrig. Die waren konzentriert gestartet, passten sich dem durchschnittlichen Niveau aber bald an, der angesichts der Überlegenheit viel zu dürftige 15:10-Vorsprung des ersten Viertels war schnell weg. Fortan nervten die Abwehr der Gastgeber die Münchner Werfer mit schnellen Händen und intensiver Laufarbeit so effektiv, dass sie in der punktarmen Partie mit einem 57:50-Vorsprung ins finale Viertel starteten.

Trainer Trinchieri hat es in kurzer Zeit geschafft, seinen Spielern eine Siegermentalität einzuimpfen

Und dort offenbarten die Münchner erneut ihre Qualität. Trinchieri hat es in kurzer Zeit geschafft, seinen Spielern eine Siegermentalität einzuimpfen, die sie in scheinbar aussichtslosen Situationen reüssieren lässt. Das Spiel der Münchner ist zwar oft fehlerhaft, so auch in Belgrad, weshalb die Mannschaft immer wieder ins Hintertreffen gerät. Aber die Spieler verstehen es, sich mit großer Moral aus solchen Situationen zu befreien. Dabei ist das Personal den Namen nach weniger prominent besetzt als in der vergangenen Saison - die pandemiebedingt vorzeitig und für die Münchner abgeschlagen auf dem vorletzten Platz endete. Immer wieder wurde der hochkarätige Kader um NBA-Center Greg Monroe vor allem in der Ferne regelrecht zerlegt, zweistellige Pleiten waren an der Tagesordnung.

Nun ist die Last auf mehrere Schultern verteilt, die Mannschaft ist deutlich stabiler. Akteure wie Center Jalen Reynolds (13 Punkte) oder Wade Baldwin (27) agieren nicht nur auf hohem Niveau, sie versprühen Kampfeslust und Siegeswillen. "Diese Mannschaft will einfach nicht verlieren", sagt Trinchieri, der mit intensivem Training und Coaching das Maximum aus den Spielern herauskitzelt.

"Wir haben wieder bis zur letzten Minute gekämpft, wie schon oft in dieser Saison haben wir nicht aufgegeben", erklärt Co-Kapitän Vladimir Lucic den Höhenflug. Er stand in Belgrad beispielhaft für das neue Gesicht des FC Bayern. Bis drei Minuten und 51 Sekunden vor dem Ende hatte er keinen einzigen Punkt erzielt, für den Serben, der beim Lokalrivalen Partisan groß geworden ist, per se ein unhaltbarer Zustand. Plötzlich war er da und erzielte unbeirrt von der mäßigen Leistung zuvor zehn wichtige Punkte in der intensiven Schlussphase.

18, 19 Erfolge werde man für die Playoffs benötigen, hatte Trinchieri kürzlich vorgerechnet, der nächste Sieg soll schon am Donnerstag in heimischer Halle (20.30 Uhr) gegen Panathinaikos Athen gelingen. Es ist der zweite Auftritt von insgesamt 13 Spielen im März. Was Trinchieri davon hält? Piep.

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