Basketball:Dem Maikäfer sei Dank

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Der Leader ist zurück: Gleich in seinem ersten Saisonspiel reißt Vladimir Lucic die Teamkollegen mit und führt den FC Bayern zum ersten Saisonsieg in der Euroleague. (Foto: Mladen Lackovic /Imago)

Vladimir Lucic verhilft dem FC Bayern München bei seiner Rückkehr nach Covid-Erkrankung in Kaunas zum ersten Saisonsieg in der Euroleague.

Von Ralf Tögel

Trainer Andrea Trinchieri musste erst gar nicht daran erinnern, wie wichtig Vladimir Lucic für seine Mannschaft ist. Der Serbe hatte sich kurz vor dem Saisonstart eine Corona-Infektion eingefangen, einer jener Impfdurchbrüche, wie sie derzeit im Profisport gehäuft auftreten, trotz hoch sensibler Hygienemaßnahmen. Mit jeder weiteren Niederlage wurde die Sehnsucht nach seiner Rückkehr größer, viermal hatten die Basketballer des FC Bayern bereits in der Euroleague verloren.

In diesem höchsten europäischen Wettbewerb war der 32-Jährige in der vergangenen Saison unter die besten fünf Spieler gewählt worden. Nun stand er in der riesigen Zalgirio Arena, stützte die Hände auf die Knie und pumpte wie ein Maikäfer. Es war das erste Spiel für Lucic, vor der Partie stellte sich also die Frage, wie schnell er sich nach Wochen des Aussetzens in die Mannschaft würde einfinden können und was seine körperliche Fitness überhaupt zuließ. Zumal die Kollegen Andreas Obst und Nihad Djedovic, beide ebenfalls kürzlich in den Kader zurückgekehrt, noch sichtlich Schwierigkeiten haben, ihre Bestleistung nach der langen Pause abzurufen.

Lucic, der kein Freund der großen Worte ist, gab einmal mehr die Antwort auf dem Parkett. 32 Minuten und 53 Sekunden ließ ihn sein Trainer schuften, kein Teamkollege musste länger durchhalten. Und Trinchieri tat gut daran, seinem Co-Kapitän diese Anstrengung zuzumuten, denn Lucic führte sein Team zum ersten Sieg in der kontinentalen Königsklasse. Damit war die Gefahr gebannt, im Kampf um die angepeilten Playoff-Plätze, zu denen die besten Acht zugelassen werden, weiter in Rückstand zu geraten. Am Ende standen ein hauchdünner und hart erkämpfter 75:73-Triumph beim litauischen Serienmeister und die Gewissheit, wie sehr die Bayern vom Mitwirken des Serben profitieren. Lucic war nicht nur der Spieler mit der längsten Einsatzzeit, er war mit 17 Punkten auch Topscorer der Bayern.

In der ersten Hälfte hemmt der Erfolgsdruck die Bayern, die Mannschaft agiert verunsichert und gerät hoch in Rückstand

Natürlich wurde Lucic zum Spieler des Abends auserkoren. Als er nach der Partie ein paar Worte zu seiner Leistung in das Mikrofon des Euroleague-Reporters sprechen sollte, gab er seinem Naturell entsprechend bescheiden und knapp zu Protokoll: "Ich musste, wie der Rest der Welt, Covid überstehen und habe immer noch Lungenprobleme. Konditionell bin ich deswegen noch nicht in Form, aber ich versuche einfach, dem Team zu helfen." Trinchieri hatte Lucic in die Anfangsformation beordert und der Serbe unterstrich sofort seine herausragende Bedeutung für das Kollektiv: Lucic traf zum 4:2 mit einem Dreier, dem einzig erfolgreichen der Münchner bei zehn Versuchen in der ersten Halbzeit. Es war auch die letzte Führung für lange Zeit. Denn die Kollegen agierten in einer zerfahrenen ersten Hälfte verunsichert, offenbar war ihnen die Bedeutung des Spiels zweier bis dahin siegloser Teams in die Köpfe gekrochen. Die ersatzgeschwächten Litauer fanden so immer mehr Sicherheit, trafen besser, verteidigten besser und zogen phasenweise bis auf 16 Punkte davon. Immerhin kann sich Trainer Trinchieri auf eine tadellose Berufseinstellung seiner Akteure verlassen, bis zur Halbzeit hatten sich die Gäste auf 27:39 herangekämpft, der Rückstand lag also im machbaren Bereich.

Trinchieris Aussage auf dem Weg in die Kabine, dass man nur Kleinigkeiten ändern müsse, um die Wende zu schaffen, verwunderte angesichts der Chancenlosigkeit in den ersten 20 Minuten. Aber er sollte einmal mehr Recht behalten. Fortan verteidigten die Münchner aggressiver und holten sich so Sicherheit für ihre Würfe. Vor allem Deshaun Thomas (15 Punkte) im Eins-gegen-eins und Darrun Hilliard (14) hatten großen Anteil daran, dass die Bayern fünf Minuten vor dem Ende wieder vorne lagen und letztlich gewannen. Wem das größte Lob gebührte, wusste natürlich auch Trinchieri: "Lucics Präsenz ist sehr wichtig, denn er hilft dem Coach, die Mentalität und die Kultur des Teams mit den anderen zu teilen."

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