Basketball:Auf der Suche nach dem verlorenen Rhythmus

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Umsonst gerackert: Vladimir Lucic (re.) kommt hier gegen Athens Howard Sant-Roos zu spät, im Schlussabschnitt humpelte der Bayern-Co-Kapitän auch noch verletzt vom Feld. (Foto: Nektaria Balomatini/Eurokinissi/Imago)

Der FC Bayern muss sich trotz kämpferischer Leistung beim Euroleague-Schlusslicht Athen mit 67:80 Punkten beugen. Dabei fehlt es nach zwei Wochen ohne geregeltes Training an Feinabstimmung und Kraft.

Von Ralf Tögel

Es war die falsche Frage der Euroleague-Reporterin, die sie an Andrea Trinchieri richtete: Was er denn zu der überraschenden Niederlage bei Panathinaikos Athen sage? Spätestens, als der Gesichtsausdruck des als impulsiv bekannten Trainers der Basketballer des FC Bayern in Sekundenschnelle von verständnislos in angriffslustig changierte, war klar, was folgen würde. Wie sie darauf komme, dass das 67:80 überraschend sei? Anhand der Tabelle, entgegnete die Reporterin, schließlich war der Sechste beim Schlusslicht zu Gast. Trinchieri verdrehte die Augen, doch sie legte nach: Was seine Mannschaft falsch gemacht habe an diesem Abend? "Wir hätten Corona besser bekämpfen sollen", zischte Trinchieri und entschwand grußlos.

Es ist ja bisweilen nicht schwer, den FCB-Trainer nach einer Niederlage auf dem falschen Fuß zu erwischen, aber dieses Mal durfte er seinen wenig charmanten Auftritt mit einer gewissen Ahnungslosigkeit seines Gegenübers rechtfertigen. Oder die Reporterin wollte ihn provozieren, was ihr dann vorzüglich gelungen war.

Denn nach den vergangenen "20 Tagen mit Covid", wie der FCB-Coach später etwas weniger emotional erklärte, habe man keinen Galaauftritt von den Münchnern erwarten dürfen, die innerhalb kurzer Zeit von zwei Infektionswellen und zahlreichen Verletzungen in Mannschaft und Trainerteam gebeutelt wurden. Training war in dieser Zeit gar nicht oder nur rudimentär möglich. Nominell las sich der Kader immer noch gut, auch wenn in Nick Weiler-Babb und Corey Walden weiterhin zwei Schlüsselspieler fehlen. Aber Nihad Djedovic kam gar nicht zum Einsatz, Andreas Obst nur ein paar Minuten, wie auch Paul Zipser, der nach monatelanger Rehabilitation erstmals wieder in der Euroleague für ein paar Minuten auf dem Parkett stand. Die Gastgeber waren ebenfalls gut besetzt, spielen aber unerklärlicherweise eine erbärmliche Saison und zierten in der europäischen Königsklasse das Ende der Tabelle. Immerhin rehabilitierte sich Athen gegen den angeknockten Gegner ein bisschen und reichte die rote Laterne zumindest vorübergehend an Kaunas weiter.

Trainer Andrea Trinchieri sah das erwartet schlechte Spiel seiner Mannschaft, trotz aller Schwächungen hätte er aber von manchem Spieler in der Schlussphase "etwas mehr Einsatz" sehen wollen. (Foto: Nektaria Balomatini/ Eurokinissi/Imago)

Vor allem im ersten Viertel war zu beobachten, wie empfindlich die Feinabstimmung der Münchner gestört war. Beispiel Zan Mark Sisko: Die Spezialität des Spielmachers sind Alley-oop-Anspiele, die vornehmlich Othello Hunter oder Vladimir Lucic in der Luft fangen und den Ball dann per Dunk in den Korb stopfen. Das sieht spektakulär aus und ist schwer zu verteidigen, bedarf aber hoher Präzision. Kommt der Ball eine Zehntelsekunde zu spät, ein paar Zentimeter zu hoch, misslingt das Kunststück - nach zwei vergeblichen Versuchen gab Sisko auf. Auch die Wurfquote aus der Dreier-Distanz entsprach keineswegs dem Münchner Standard: Neun von 31 Versuchen fanden ins Ziel. Hingegen zeigte sich der Gegner ausgerechnet bei diesen wichtigen Würfen, bisher die große Schwäche des viermaligen Titelgewinners, stark verbessert und streute immer dann wichtige Treffer ein, wenn die Bayern näher kamen.

Dass die Partie dennoch eng wurde, war zum einen der individuellen Klasse der Bayern-Profis geschuldet, zum anderen ließ Panathinaikos trotz verbesserter Leistung ebenfalls viele Gelegenheiten liegen. Die Führung nach dem ersten Viertel, in dem die Bayern auf der Suche nach einem Rhythmus waren, betrug daher nur zehn Punkte (26:16), danach fanden die Gäste wenigstens ein bisschen zu ihrem Spiel. Die Abwehr stand besser, der Ball lief flüssiger, die Münchner gewannen die beiden folgenden Durchgänge mit 19:16 und 17:13 Punkten.

In der Offensive zeigte der lange verletzt fehlende Darrun Hilliard, dass er sich seiner Bestform wieder ein Stückchen angenähert hat, er war mit 15 Punkten FCB-Topscorer. In Augustine Rubit (13) und Deshaun Thomas (12) trafen zwei weitere Akteure zweistellig. Die Münchner rückten Athen fünf Minuten vor dem Ende ganz nahe auf den Pelz (64:65), doch dieser Kraftakt war dann zu viel. In den letzten Minuten hatten die Bayern nichts mehr zuzusetzen, gerade Thomas oder Rubit, beide aufgrund großer Physis und viel Erfahrung Akteure für diese Crunchtime, waren sichtlich am Ende ihrer körperlichen Ressourcen. Othello Hunter und Vladimir Lucic, ebenfalls zwei Haudegen für enge Phasen und wichtige Punkte, waren zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr auf dem Parkett. Center Hunter musste im dritten Viertel passen, ihn zwickte der Rücken, Lucic humpelte nach einem Schlag auf den Oberschenkel viereinhalb Minuten vor der Schlusssirene vom Feld.

In der Schlussphase müssen auch noch Othello Hunter und Vladimir Lucic verletzt vom Spielfeld

Womit genau das passierte, wovor der Trainer die größten Bedenken hatte: dass sich seine ungenügend trainierten Akteure ob der plötzlichen immensen Belastung Verletzungen zuziehen. So wird die Mannschaft, die eigentlich gut besetzt wäre, nicht so schnell in Bestbesetzung erscheinen. Keine schöne Aussicht, zumal am kommenden Sonntag (15 Uhr) in der Bundesliga Crailsheim gastiert, ehe es am Dienstag nach Mailand geht. Danach kommt es knüppeldick für die Münchner, wegen dreier Nachholspiele stehen in den ersten zehn April-Tagen sechs Spiele in nationalem und internationalem Geschäft an.

Immerhin bleiben die Bayern Sechster in der Euroleague, das war die einzig gute Nachricht des Abends: Weil die verbannten russischen Mannschaften aus der Wertung genommen wurden, steht der FCB auf einem Playoff-Platz.

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