New York Mets in der MLB:Vor einem Monat waren sie noch die Lachnummer

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Auf dem Weg! Wie bei kaum einer anderen Sportart profitiert man beim Baseball vom positiven Momentum - und die New York Mets haben derzeit diesen Lauf: Werfer Noah "Thor" Syndergaard schüchtert regelmäßig die Gegner ein. (Foto: Charles LeClaire/USA TODAY Sports)

Nun haben sich die New York Mets zum Playoff-Kandidaten in der amerikanischen Baseball-Liga gewandelt - weil sie sich den Gepflogenheiten des Marktes widersetzten.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Natürlich, so viel Pathos und Klischee muss dann doch sein, natürlich veröffentlichte Noah Syndergaard diese Szene aus der Martin-Scorsese-Farce The Wolf of Wall Street, in dem der Protagonist seinen jubelnden Angestellten mitteilt, dass er nirgendwohin gehen werde. "Ich werde euch nicht verlassen, die Show wird weitergehen", brüllt er: "Das ist mein Zuhause, sie brauchen schon eine verdammte Abrissbirne, um mich von hier weg zu bringen!" Syndergaard spielt also noch immer bei den New York Mets, und der Pitcher findet das offenbar gut so.

Am 31. Juli endete die Wechselfrist in der amerikanischen Baseballliga MLB, und gewöhnlich teilen sich die Vereine an diesem Datum in so genannte "Buyer" und "Seller" auf. Die Käufer sind auf der Suche nach jenen Spielern, die ihnen kurzfristig helfen, womöglich noch in dieser Saison den Titel zu gewinnen. Die Verkäufer hingegen haben aufgegeben, sie wollen zu diesem Zeitpunkt teure Akteure mit kurzer Vertragslaufzeit loswerden, ein bisschen Geld sparen und Nachwuchsspieler für künftige Spielzeiten ergattern. Vor einem Monat waren die Mets mit der zweitschlechtesten Bilanz der National League eindeutig in der Verkäufer-Rolle, und es kursierten Gerüchte, dass sie die Werfer Syndergaard, Jacob deGrom und Zack Wheeler feilbieten könnten.

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Anfang August sind die drei noch immer bei den Mets, die vor dem Ablauf der Transferperiode sogar noch Marcus Stroman verpflichtet haben. Die New Yorker haben seitdem die statistisch erfolgreichste Werfergruppe der Liga, der durchaus zugetraut wird, in einer Playoff-Serie gegen die Houston Astros, die Los Angeles Dodgers oder die Cleveland Indians zu bestehen.

"Es ist ansteckend", sagt Werfer Syndergaard

Apropos Playoffs: Die Mets haben mittlerweile mehr Spiele gewonnen als verloren (59:56), sie liegen nur noch zweieinhalb Punkte hinter einem Platz, der zur Teilnahme an der Ausschlussrunde berechtigen würde. "Wir sind jetzt gut genug, dass wir jede Mannschaft schlagen können", sagt Trainer Mickey Callaway, einst selbst Werfer, "wir werden jetzt erst so richtig angreifen." Wie konnte das nur passieren?

Nun, zunächst einmal sind die Mets nicht so schlecht gewesen, wie es die Bilanz hat vermuten lassen. Siegesserien und kleine Krisen sind nicht ungewöhnlich in dieser Sportart, in der nun wirklich alles statistisch erfasst wird, und diese Statistiken können gerade beim psychologischen Duell zwischen Werfer und Schlagmann zu selbst erfüllenden Prophezeiungen werden. Ein Pitcher mit schlechten Werten wirft womöglich mit Zitterarm, sein Gegenspieler dagegen agiert im Wissen um die Statistiken des kriselnden Werfer selbstbewusst und aggressiv.

"Es ist ansteckend", sagt Syndergaard: "Es wirkt sich auf die ganze Mannschaft aus, es ist wie ein Geschwür." Die Mets agierten in der ersten Hälfte der Saison nervös, leisteten sich zahlreiche leichte Fehler in der Defensive, und natürlich gab es dann noch diese tölpelhafte Verletzung von Starspieler Yoenis Cespedes. Der brach sich beim Urlaub auf seiner Ranch in Florida den Knöchel - erst hieß es, er sei von einem Pferd gefallen, danach soll der Tritt in ein Loch die Ursache gewesen sein. Wie auch immer: Die Mets waren die Lachnummer der Liga.

Das Reglement der MLB spielte ebenfalls eine Rolle, der Spielplan mit 162 Partien in der regulären Saison besagt, dass ein Verein stets drei oder gar vier Spiele nacheinander gegen den gleichen Gegner absolvieren muss. Wer also gegen ein paar Favoriten oder Vereine in Topform antreten muss, der kann schon mal eine schlimme Niederlagenserie hinlegen, ohne selbst besonders schlecht gespielt zu haben. Allerdings: Die Mets haben ihre tolle Bilanz seit dem All-Star-Spiel vor einem Monat (19:6) gegen eher schwächere Gegner wie die Pittsburgh Pirates, die Miami Marlins und die San Diego Padres geschafft.

Also: Wie gut sind diese Mets wirklich?

"Es ist ansteckend", sagt Syndergaard auch auf diese Frage: "Das Selbstbewusstsein kommt zurück, der Spaß am Spielen, die Fans sind plötzlich bei jedem Spiel voll dabei - es ist wie ein Schneeball, der ins Rollen kommt." Der Nicht-Verkauf von Syndergaard und deGrom sowie die Verpflichtung von Stroman seien zudem ein Zeichen des Managements gewesen, diese Saison keineswegs abschenken zu wollen: "Das hat zusätzliche Energie freigesetzt, auch mir selbst hilft es, dass die Gerüchte nun vorbei sind." Wenn die Mitspieler wissen, dass da einer auf dem Wurfhügel steht, der auch mal keinen Lauf des Gegners zulässt wie zum Beispiel Wheeler am Dienstag, dann spielen sie selbst gelassener und geduldiger.

Die Mets wissen, dass sie nun über eine herausragende Ansammlung an Werfern verfügen, sie haben zudem in der Offensive den besten Neuling der Liga: Pete Alonso hat bereits 37 Bälle auf die Tribüne geprügelt, er gewann beim All-Star-Spiel das Homerun-Derby und dürfte den Rookie-Rekord von Cody Bellinger (39 Homeruns vor zwei Jahren für die LA Dodgers) brechen, und plötzlich treffen in diesem ins Rollen gekommenen Schneeball auch Michael Conforto, J.D. Davis und Jeff McNeil. "LFGM", schreibt Alonso nach Siegen bei Twitter, es ist der Schlachtruf "Let's Go, Mets", versehen mit dem allgemein bekannten F-Schimpfwort, das die Dringlichkeit unterstreichen soll.

Wie gut sind diese Mets wirklich? Nun, manchmal hilft der Spielplan. Von Freitag an spielt New York zuerst drei Mal daheim gegen die Washington Nationals und danach drei Mal bei den Atlanta Braves. Beide Vereine liegen derzeit auf Playoff-Plätzen und sind deshalb ideale Prüfungen für die tatsächliche Stärke der Mets - oder Abrissbirnen für die Ambitionen in dieser Saison.

© SZ vom 09.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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