Playoffs in der Major League Baseball:Wenn der Lautsprecher in der Mütze streikt

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Ich kann's nicht mehr hören: Mike Clevinger, Pitcher der San Diego Padres, verlässt entnervt die Partie gegen die Los Angeles Dodgers. (Foto: Ashley Landis/AP)

Seit dieser Saison dürfen Baseballspieler über ein Funksystem an ihren Handgelenken und in ihren Mützen miteinander kommunizieren - doch das funktioniert nicht immer wie gewünscht.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Mike Clevinger war genervt, gestresst, gestört - also alles, was ein Werfer beim Baseball nicht sein sollte. Wer ein wenig über die Psyche von Sportlern weiß, der konnte ahnen, was nun passieren würde. Der Pitcher der San Diego Padres servierte einen Zitterball auf Will Smith, und der knüppelte den Ball die Linie entlang ins Feld, so dass Kollege Trea Turner einen Punkt erlaufen konnte. Die Los Angeles Dodgers führten 3:0, der entnervte Clevinger wurde kurz darauf ausgewechselt. Und weil Ersatzmann Steven Wilson nicht mit einem derart frühen Einsatz gerechnet hatte, erhöhten die Dodgers sofort auf 5:0.

Los Angeles gewann 5:3, nach dem Sieg von San Diego bei der zweiten Partie (ebenfalls 5:3) am Mittwoch steht es in der Viertelfinalserie der Major League Baseball (MLB) nach dem Modus Best-of-five nun 1:1. Aber: Was in aller Welt war nur mit Clevinger los? Die Antwort: Es geht um Tradition im Baseball, Technik und Betrug.

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Mehr als 100 Jahre lang verabredeten Werfer und Fänger im Baseball per Fingerzeig eine Strategie. Der Fänger deutet an, dass er zum Beispiel einen Fastball mit 160 km/h in seinen Handschuh haben möchte. Der Werfer schüttelt so lange den Kopf, bis er sieht, was er für die beste Lösung hält. Dann nickt er, und es geht los. In jedem Baseball-Film wird die innige Beziehung zwischen Pitcher und Catcher über diese Signale thematisiert, und selbstverständlich soll der gegnerische Schlagmann davon nichts wissen. Denn für jemanden, der Art und möglicherweise sogar Richtung des Wurfes kennt, ist das in etwa so, als würde der Torwart beim Elfmeter wissen, wohin der Schütze zielen wird - ein Schlagmann, der nach den Zeichen des Fängers schielt, wird gewöhnlich verprügelt.

Vor fünf Jahren produzierte Meister Houston per Trommelzeichen einen Eklat

2017 gab es einen riesigen Skandal: Die Houston Astros hatten die Meisterschaft in der MLB auch deshalb gewonnen, weil sie im Außenbereich ihrer Arena eine Videokamera installiert hatten, die Zeichen filmte und umgehend auf einen Monitor nahe der Ersatzbank sendete. Dort wurden sie dechiffriert und an den eigenen Schlagmann weitergegeben - über Trommelzeichen auf einen Mülleimer. Ein Schlag: Wurf mit Drall. Zwei: langsame Variante. Ruhe: Fastball. Es war technisch ausgefeilt und doch überaus simpel, nach einer intensiven Untersuchung gab es das Urteil: Ja, die Astros hatten betrogen, durften den Titel aber behalten.

Um diese Form des Betrugs zu verhindern und nebenbei die Spieldauer ein wenig zu verkürzen, erlaubt die Liga seit dieser Saison das so genannte PitchCom, das man sich ein bisschen vorstellen muss wie einst David Hasselhoff in der TV-Serie Knight Rider, der über die Uhr an seinem Handgelenk einen Pontiac TransAm herbeirief. Der Fänger trägt ein Gerät am Handgelenk, über das er Signale übermitteln kann - an seinen Werfer, auch an drei weitere Verteidiger. Statt komplizierte Kombis mit den Fingern ist es nun ein Knopfdruck; in den Mützen der Spieler sind nahe den Ohren Minilautsprecher befestigt, über die sie die Signale hören. Das bedeutet, dass das Spiel schneller wird, resistenter gegen Betrug - und es gibt eine weitere taktische Variante in diesem Sport, der in den USA so beliebt ist, weil man herrlich darüber debattieren kann, was gleich passieren sollte.

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Also: Welchen Wurf sollte der Pitcher in dieser Situation wählen, und könnte der Schlagmann das ahnen? Wenn die Kollegen des Pitchers diese Informationen nun ebenfalls verlässlich über PitchCom erhalten, und wenn sie wissen, dass eben dieser Schlagmann bei zum Beispiel einem Fastball in die rechte obere Ecke mit einer Wahrscheinlichkeit von soundsoviel Prozent nach rechts schlagen wird - dann können sie sich darauf einstellen. Es ist verrückt.

Die Technik arbeitet einwandfrei, aber der Mensch funkt manchmal dazwischen

Das Problem von Padres-Werfer Clevinger bei der Partie gegen die Dodgers nun hatte folgenden Hintergrund: Er konnte die Signale nicht hören, also unterbrach er das Spiel. Ein Techniker eilte aufs Spielfeld und wollte das Gerät in Clevingers Mütze tauschen, doch es stellte sich raus, dass er nur versehentlich die Lautstärke nach unten gedreht hatte. Kein Problem eigentlich, doch sind Werfer beim Baseball Präzisionsarbeiter, die ihren ganz eigenen Rhythmus haben (und bisweilen auch Spleens wie Berühren der Mütze oder Rümpfen der Nase). Clevinger hatte sich also selbst aus dem Rhythmus gebracht. Und in dieser Sportart, in der alle so wunderbar darüber debattieren, was passieren müsste, war allen klar, was nun passieren musste: ein Zitterwurf und damit Punkte für den Gegner.

Clevinger hatte sich selbst aus der Ruhe gebracht mit dem Gerät, das ihm eigentlich helfen sollte. Er dürfte aber die Chance bekommen, sich für den Fehler zu rehabilitieren. Wegen des Siegs seines Teams, der Padres, am Mittwoch steht jetzt schon fest, dass es eine vierte Partie geben wird, Spiel drei findet am Freitag in San Diego statt. Noch so eine alte Regel: Ein Werfer braucht zwischen Einsätzen drei Ruhetage - also wäre Clevinger am Samstag zu Spiel vier wieder bereit, natürlich mit Mini-Lautsprecher in der Mütze.

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