Baller League:„Kirmes-Liga“?: Baller League wird schnell sehr groß

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Die Teams von Hollywood United und Golden XI treffen in einem Spiel der Baller League in der Motorworld aufeinander. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Die Kleinfeld-Liga Baller League hat sich selbst nie als Konkurrenz für den etablierten Fußball gesehen. Zumindest im Amateur-Lager wird sie aber schon so empfunden.

Von Holger Schmidt, dpa

Köln (dpa) - Als er den Vorwurf der Baller League als „Kirmes-Liga“ hört, muss Hans Sarpei schmunzeln. „Da frage ich mich: Was ist jetzt die Kirmes-Liga?“, sagte der ehemalige Fußball-Profi: „In der Oberliga gibt es 100 oder 200 Zuschauer. Wir haben schon vor Ort mehr. Und am Screen noch mal viel mehr.“ Und Ex-Nationalspieler Max Kruse findet den Vorwurf der Verletzungsgefahr absurd. „Die Leute fahren auch Ski, da können sie sich auch verletzen. Und sie gehen in den Landesspielklassen am Wochenende auch saufen.“

Der Ton ist zwischenzeitlich rauer geworden zwischen den Amateurklassen und der von den Ex-Weltmeistern Mats Hummels und Lukas Podolski mitgegründeten Kleinfeld-Liga. Am Anfang gingen alle von einer friedlichen Koexistenz aus. Die Vereine erlaubten zunächst ihren Spielern die Teilnahme. Doch nach nur sechs Spieltagen ist die Baller League, die sich als „neue Ära des Fußballs“ bewirbt, offenbar zu schnell gewachsen. 

„Diese Liga hat sich am zweiten Spieltag verändert“, sagte Sportdirektor Markus Köppe vom Oberligisten FV Bonn-Endenich: „Dieses Shine-and-Smile wurde abgelegt, und es ging richtig intensiv zur Sache.“ Deshalb stellte er seine sechs beteiligten Spieler vor die Wahl - fünf entschieden sich für die Baller League und verließen den Verein. Für Baller-League-Geschäftsführer Felix Starck eine logische Entscheidung. „Die Pistole auf die Brust zu halten, ist halt nie geil. Meist entscheidet man sich dann gegen die Person, die die Pistole hält.“

Köppe gab sogar dem Magazin „11Freunde“ ein Interview, das in der Überschrift gipfelte: „Diese Kirmes-Liga ist wie eine Sekte“. Das Wort „Kirmes-Liga“ sei aber eine „positive Darstellung“ gewesen, räumte er nun ein: „Mit Kirmes verbinde ich Spektakel und Spaß.“ Aber sechs Stammspieler seines Clubs seien einfach zu viel gewesen.

Doch die Kritik kam nicht nur aus Bonn. Mehmet Dogan, Sportlicher Leiter des Endenicher Liga-Rivalen Siegburger SV, sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Diese Sch.... versaut uns Verantwortlichen die Arbeit.“ Das Drumherum sei Bundesliga, aber „Kindergarten“ und das Ganze im Grunde „ein ganz normaler Hallenkick“. Und für Trainer Fatih Özyurt vom FC Hennef ist es „eine echte Gefahr für den Amateurfußball“.

Das ist für Sarpei, der wie Hummels, Podolski, Kruse oder Christoph Kramer als Teamchef fungiert, der entscheidende Punkt. „Die Vereine haben Angst, dass hier etwas Großes wächst“, sagte er, betonte aber: „Wir wollen niemandem im Amateurfußball etwas stehlen. Es ist ein anderer Fußball. Es geht beides.“ Kruse sieht gar einen direkten Nutzen für Clubs: „Wenn du zweimal die Woche trainierst, kann ein drittes Mal nicht schaden“, sagte er.

„Dass wir die Konkurrenz sind, ist eine einseitige Betrachtung. Man kann uns auch als Chance sehen. Zum Beispiel, um Spieler zu scouten“, betonte auch CEO Starck. Denn die gecasteten Akteure sind neben Ex-Profis meist Spieler der vierten oder fünften Liga oder welche, die den Sprung aus den Nachwuchsleistungszentren der Großclubs nicht geschafft haben. Deshalb ist Starck sicher, dass beide nebeneinander existieren können.

Doch die Baller League ist schon groß und professionell aufgezogen. Mit den Ex-Weltmeistern sowie Influencern wie Knossi, Kontra K oder MontanaBlack an der Bande, erreichte sie direkt große Aufmerksamkeit. „Wenn man die Socials dazu rechnet, schauen uns jede Woche Millionen zu“, sagte Starck. Jeden Montag sitzen zudem zahlreiche Profis auf den Rängen. „Niclas Füllkrug hat letzte Woche gesagt, es sei schwerer, Tickets für die Baller League zu bekommen als für die EM“, erzählte Starck lachend. 

Diese Ablenkung sieht aber auch manch einer in der Bundesliga kritisch. Mönchengladbachs Sportdirektor Robert Virkus machte offenbar vor allem an Kramer die Ansage: „Sie sollen sich auf den Fußball in Mönchengladbach konzentrieren. Es ist ihr freier Tag. Aber sie müssen sehr sensibel sein.“

Da stellt sich die Frage: Ist die Baller League bald auch eine Bedrohung für den Profi-Fußball? Obwohl sie das ausdrücklich nicht sein will. Doch neben weiteren bekannten Marken beteiligte sich das Job-Netzwerk „Xing“ nach eigener Auskunft mit einem „mittleren einstelligen Millionenbetrag“ als Hauptsponsor. „Wir hatten Optionen in der Bundesliga. Und wir haben uns auch die Frauen-Bundesliga angeschaut“, sagte Geschäftsführer Thomas Kindler: „Was die Baller League von den anderen unterscheidet, ist die Freiheit, eigenen Content zu generieren.“ Über 70 Millionen Zugriffe habe man damit schon erzielt. „Das wäre für Bundesliga-Sponsoren unmöglich.“ Deshalb wolle man „definitiv“ lange dabei bleiben.

Andere Zugänge erlauben, das war und ist auch Thema bei der Bundesliga rund um die TV-Rechtevergabe oder den geplatzten Investoren-Deal. Die Baller League machte es nun vor. Und sie will weiter wachsen. Nach dem Final Four am 8. April in Düsseldorf ist nach der Heim-EM im Sommer direkt die nächste Auflage geplant. Wieder in Köln. „Obwohl uns andere Städte fürstliche Angebote gemacht haben“, wie Starck erklärte.

Klar ist, dass das Drumherum nicht reichen wird. „Es hat sich noch nie nachhaltig eine Liga durchgesetzt, ohne dass das sportliche Niveau unheimlich hoch war“, sagte Starck: „Es gibt da draußen sicher Kicker, die durchaus noch 2. oder 3. Liga spielen könnten, aber in ihrem Leben gerade etwas anderes machen.“ Über eine „Kirmes-Liga“ soll spätestens dann niemand mehr reden. Egal, wie es gemeint ist.

© dpa-infocom, dpa:240301-99-179617/2

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