Während er dem argentinichen Heimatsender TycSport voreilig gebeichtet hatte, er habe einem Freund Karten zum Weiterverkauf überlassen, war im Fifa-Hearing plötzlich nur noch von Kartengeschenken die Rede. Und verschenken darf man Tickets ja. Wie stets - und nun im Falle Match und Whelan zu sehen - hatte auch Grondona senior "nichts gewusst" von des Juniors Umtrieben. Man ist aufs Engste verbandelt, hat aber keine Ahnung, was der andere treibt; diese komfortable Spielart von Ignoranz in verantwortlicher Position hat auch Blatter selbst unzählige Affären seiner engsten Vertrauten überleben lassen.
Offen bleibt zwar die Frage, wie auf dem Schwarzmarkt auch ein persönliches WM-Ticket von "Don Julio" landen konnte, wie Grondona nur genannt wird. Wichtiger zu klären wäre indes, warum die von ihm angeführte Fifa-Finanzkommission seit nunmehr vier WM-Turnieren immerzu die Byrom/Whelan-Gruppe ins Geschäft bringt, in Tickethändlerkreisen auch "la familia" genannt - trotz angeblich attraktiver Konkurrenzangebote von Mitbietern, die regelmäßig abgewiesen werden.
Belege für transparente Bieterverfahren liegen nicht vor. Zufall oder nicht, erinnert das Szenario an eine andere eiserne Geschäftsverbindung der Fifa: in den Achtziger- und Neunzigerjahren mit der Sportagentur ISL. Die Zuger Firma ging 2001 insolvent (in ihre Räume zog dann die neu erblühte Infront). Im Konkursverfahren der ISL flog auf, dass sie mindestens 142 Millionen Schweizer Franken Schmiergelder an Sportfunktionäre ausgeschüttet hatte: Das Schmieren war, erklärten ihre Manager vorm Strafgericht, "die Geschäftsgrundlage". Anders hätten sie die Rechte nicht erhalten. Einer der Millionen-Empfänger, Blatters Amtsvorgänger João Havelange, musste deshalb sogar die Fifa-Ehrenpräsidentschaft abgeben.
In Brasilien betreut nun also ein überschaubarer Familienbetrieb - zwei Brüder, zwei Schwestern, ein Schwager- ein Milliardengeschäft mit Tickets, Transport, Unterbringung, Hospitality und anderen WM-Diensten; abgesegnet von Don Julios Finanzkommission. Match weist in eigenen Statements, verfasst vom früheren Fifa-Pressesprecher, jede Mitwirkung bei dunklen Geschäften von sich, man unterstütze die Polizei nach Kräften.
Verhaftung in filmreifem Ambiente
Da darf man gespannt sein. 900 Anrufe und SMS gab es laut polizeilicher Abhör- aktion seit WM-Beginn zwischen Whelan und dem inhaftierten Bandenchef Mohamadou Fofana. Der Algerierer hielt einen Ticketvertrag mit Match, und er soll Millionen am Schwarzmarkt abgeräumt haben. Ein Abnehmer war die Agentur Pamodzi, deren Tickets Match suspendiert hat. Pamodzi-Chef ist Pape Diack, Sohn des Präsidenten des Leichtathletik-Weltverbandes, Lamine Diack, und guter Freund von Afrikas Fußballboss Issa Hayatou.
Whelan bestreitet Kontakte zu Fofanas Gang. Der Brite führte einst die WM-Kampagne für einen anderen großen Freund des Fußballs: Für Libyens Diktator Ghadaffi, der die WM 2010 ins Land holen wollte. Abgespielt hatte sich seine Verhaftung in filmreifem Ambiente. Medien zufolge waren zu dem Zeitpunkt Prinz Albert von Monaco und Altstars wie Oliver Kahn in der Hotellobby. Dort hatte ein Reporter der Zeitung Estado just von Spitzenfunktionär Eugenio Figueiredo gehört, die Polizei habe nichts, und "dass das alles eine große Lüge ist". Figueiredo, 82, ist in Uruguay recht abenteuerlich beleumundet.
Doch in der angeblich von Grund auf reformierten Fifa ist der alte Kamerad von Don Julio,83, vor drei Monaten in den Vorstand aufgerückt. Die Polizei ermittelt weiter; sie hofft auf weitere Funde bei der Telefonauswertung und auf die Kunst eines Französisch-Übersetzers. Sonst bleibt das Geschäftsschema hinter der Fifa, wie es ist. Und Whelan, der seit 2011 in Brasilien lebt, dürfte sich bald nach Moskau verabschieden. Dort braucht Match Büros für die WM 2018.