Ausraster bei Schalke gegen Freiburg:"Was machen Sie mit uns?"

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Christian Streich fährt nach der gelb-roten Karte für Freiburgs Kapitän Petersen den Schiedsrichter Tobias Stieler an wie eine Furie. (Foto: AFP)
  • Trainer Christian Streich wittert nach mehreren Vorfällen eine Verschwörung des Schiedsrichters Tobias Stieler gegen den SC Freiburg.
  • Bei der 0:2-Niederlage gegen Schalke 04 geht Streich Stieler an wie ein Wahnsinniger - und wird auf die Tribüne verbannt.
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Von Ulrich Hartmann, Gelsenkirchen

Wenn der Fußballtrainer Christian Streich mittlerweile auch nur an den Schiedsrichter Tobias Stieler denkt, dann entgleiten ihm die Gesichtszüge wie einem wütenden Astronauten in der Zentrifuge. Man hat das am Samstag in der Schalker Arena gut beobachten können, als der Freiburger Streich dem Hamburger Stieler mit der Mimik eines Wahnsinnigen an den Kragen zu wollen schien - wovon ihn drei Klubkollegen aber körperlich abhielten. Sähe man Streichs Gesicht in Großaufnahme ohne den fußballerischen Kontext, dann würde sein Blick wirken wie aus einem Horrorfilm - Jack Nicholson etwa schaute im Film "Shining" so drein, während er dem Wahnsinn anheim fiel.

Solche Emotionen kommen selten aus dem Nichts. Streich hat als Trainer des SC Freiburg eine kleine Serie von subjektiven Negativ-Erlebnissen mit Stieler gesammelt - was nicht zwingend bedeutet, dass er sich zurecht derart aufregt. Am 24. August 2013 (3:3 in Hoffenheim) wurde Streich eine Minute nach einer gelb-roten Karte für seinen Spieler Francis Coquelin (42.) von Stieler auf die Tribüne geschickt. Am 7. April 2015 schimpfte Streich nach einer Niederlage im Pokal-Viertelfinale (0:1 in Wolfsburg) darüber, dass Stieler den Wolfsburgern einen zweifelhaften Elfmeter zugesprochen hatte, seinen Freiburgern in einer vergleichbaren Szene aber nicht. Am 29. Oktober 2017 (0:3 in Stuttgart) verwies Stieler den Freiburger Spieler Caglar Söyüncü in der 12. Minute fälschlicherweise des Feldes und meldete am Ende sogar selbst Zweifel an seiner Entscheidung an. Und am Samstag schließlich zeigte Stieler dem Freiburger Kapitän Nils Petersen nach zweimaligem Meckern binnen zwei Minuten Gelb-Rot (65.), woraufhin Streich am Spielfeldrand wütete und auf die Tribüne verwiesen wurde.

Ein einziges Mal hat Freiburg von einer zweifelhaften Stieler-Entscheidung profitiert, als der Klub am 25. Oktober 2016 in der zweiten Pokalrunde gegen Sandhausen kurz vor Ende der regulären Spielzeit einen Strafstoß zugesprochen bekam - allerdings verlor Freiburg das Spiel später noch im Elfmeterschießen. Von elf Pflichtspielen unter der Leitung Stielers gewann Freiburg vier, remisierte zwei und verlor fünf. Bei vier der fünf Niederlagen machte Streich hinterher Ärger.

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Diesmal war es besonders schlimm. Petersen hatte sich bei Stieler über einen Elfmeter für Schalke beschwert. Während die Schalker die daraus resultierende 1:0-Führung durch Daniel Caligiuri bejubelten (63.), zeigte Stieler Petersen kurz vor dem Wiederanstoß Gelb. Er zeigte sie ihm, während Petersen abgewandt war, woraus Streich später schloss, dass Petersen diese gelbe Karte gar nicht wahrgenommen hatte. Stieler behauptet jedoch, er habe Petersen mit dem Finger in den Rücken gepikst und gerufen: "Nummer achtzehn, Gelb!" Die Fernsehbilder belegen den Rückenpikser.

Zwei Minuten später erhielt der weiter nörgelnde Petersen Gelb-Rot, er schaute dabei im ersten Augenblick auch tatsächlich verdutzt, fragte dann aber bei Stieler nicht nach, sondern verließ sofort den Platz. Hätte er die Verwarnung zwei Minuten zuvor wirklich nicht mitbekommen, dann hätte er Stieler sicher sofort gefragt, wann er denn die erste gelbe Karte bekommen haben soll. Streich unterstellte, dass Petersen übel mitgespielt wurde und schien auf Stieler losgehen zu wollen, während dieser Streich wegen Meckerns auf die Tribüne verbannte. Die Fernsehbilder lassen leicht erkennen, dass Streich Stieler ins Gesicht brüllte: "Was machen Sie mit uns?"

Wenig subtile Anschuldigungen

Diese rhetorische Frage zeigt, dass Streich dem Schiedsrichter eine absichtliche Benachteiligung unterstellt. Nach dem Platzverweis für Söyüncü beim 0:3 vor fünf Monaten in Stuttgart hatte Streich gesagt: "In der Bundesliga spielt Geld eine große Rolle - und der SC Freiburg spielt offenbar eine kleine Rolle." Diese wenig subtile Anschuldigung führte Streich am Samstag gleich fort, indem er sagte: "Das war heute hier die Fortsetzung dessen, was wir in Stuttgart 80 Minuten lang nach einer vollständig unberechtigten roten Karte erlebt haben." Dass Petersen nach seinem Platzverweis für das nächste Spiel gesperrt sei, sagte Streich, "das ist dann auch noch gelungen" - womit er unterstellte, Stieler habe es auf einen größtmöglichen Schaden beim SC Freiburg abgesehen.

Über mögliche Hintergründe, ob es also wirklich schon einmal einen Affront durch Stieler mit vermeintlich absichtlichem Motiv gegeben habe, schwieg Streich. "Ich sag' nix - ich darf nix sagen", wiederholte er am Samstag mehrfach, womit er in der verbalen Verweigerungshaltung aber wohl nur einer vermeintlichen Verschwörung Vorschub leisten wollte. Vielleicht wäre es langsam wirklich an der Zeit, dass sich Streich und Stieler unter Aufsicht eines unparteiischen Mediators ultimativ miteinander aussprechen.

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