Aus gegen BVB im DFB-Pokal:Hertha tapst durch die eigene Baustelle

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  • Hertha BSC hat die Liga lange erstaunt, doch plötzlich stößt das Entwicklungsprojekt aus der Hauptstadt an Grenzen.
  • Trainer Pal Dardai ist gereizt.

Von Klaus Hoeltzenbein, Berlin

Bis zum Start der offiziellen Pressekonferenz nach einem wichtigen Spiel vergeht immer sehr viel Zeit, und so hatten die Herthaner ihren ersten Angestellten schon wieder etwas ruhigerstellen können. Es bedurfte dazu allerdings der kollektiven Kraft dieses Vereins, vieler beruhigender Gesten und Worte, ehe Pal Dardai auf dem Podium dem Sieger des Abends "ein ehrliches Kompliment" aussprechen und fast im selben Atemzug die Hauptstadt an ihre begrenzten Möglichkeiten erinnern konnte: "Von einem auf hundert Prozent, das war zu viel für alle, für Berlin, für uns."

Der Trainer fasste damit ein komplettes Sportjahr kurz zusammen. Hätte seine Mannschaft ähnlich präzise gespielt, dann hätte daraus vielleicht doch etwas mehr werden können als dieses in Ergebnis wie Spielverlauf klare 0:3 (0:1) im Halbfinale des DFB-Pokals gegen die im rundgeschliffenen Favoriten-Stil dominierende Borussia aus Dortmund. Bei Hertha hingegen ist alles Hauptstadt, alles noch im Bau, manchmal provisorisch, bisweilen fragil.

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Vor knapp einem Jahr erst waren die Berliner unter dem kurzfristig aus dem Nachwuchs zum Chefcoach beförderten Dardai vor dem dritten Abstieg nach 2010 und 2012 gerettet worden. Es folgten ein Kick-Start in die Saison, einige leidenschaftliche Bundesliga-Spiele, und nun ist Hertha Liga-Vierter und damit fast schon für die kommende Europacupsaison qualifiziert.

Das hat gezehrt, zum Saisonende geht jetzt die Berliner Luft zur Neige, die für diese laufintensiv arbeitende Mannschaft so wichtig ist, und das alles erklärt vermutlich schon jene Gereiztheiten, die unmittelbar nach Abpfiff in einem Frage-Antwort-Duell deutlich geworden waren. In dem einen Satz: "Wir geben alles, aber wir müssen uns nicht alles kaputtreden lassen", bündelte sich Dardais Motiv dafür, dass er einen Fernseh-Reporter von Sky am Rand des Rasens entschlossener angegangen war als die Hertha zuvor den BVB.

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Die Kritik an seiner zurückhaltend wirkenden Taktik konterte der Trainer mit der Bitte um "Respekt" und einer bissigen Einladung: "Wenn Sie eine bessere Idee haben, nehme ich gerne Unterricht bei Ihnen." Gestört hatte ihn zudem eine Reporter-Frage nach Herthas "Spielermaterial". Dardai: "Meine Spieler sind kein Material."

Wer nach dieser kleinen Deutsch- und Deutungsstunde das Material wieder Mensch werden ließ, mit allen Fehlern und Fahrigkeiten, Talenten wie Tapsigkeiten, fand in der Tat auch ein paar individuelle Erklärungen für den Spielausgang. Denn die Systemvorteile, das wurde den 76 233 im Olympiastadion sofort klar, lagen eindeutig bei den von Thomas Tuchel präzise justierten Dortmundern - zumal der BVB in dem 20-jährigen Julian Weigl einen Profi in der Zentrale hat, bei dem sich der Ball parken lässt und halt nie verloren geht.

Ein solcher Scharnierspieler fehlte der Hertha, da sich derjenige, der das am besten kann - Marathonmann Vladimir Darida - wegen einer Knieblessur krankgemeldet hatte. Während Tuchel sein Mittelfeld nach 77 Minuten durch Nationalspieler Gündogan aufwerten konnte, blieb bei Hertha dort ein kreatives Vakuum.

Dennoch: Dardais Strategie, nur ja nicht allzu früh im Kombinationswirbel unterzugehen, um so lange wie möglich wenigstens die Minimalchance zu erhalten, wäre beinahe aufgegangen. Hertha boten sich im gesamten Duell zwar nur zwei Chancen, doch als Jens Hegeler kurz vor der Pause frei vor dem Tor stand, und Salomon Kalou kurz nach der Pause knapp vorbeiköpfte, hätte dies jeweils das 1:1 bedeuten können.

Auch die eindeutigsten Dramaturgien sind bekanntlich schon gekippt. Dass es am Mittwoch nicht so kam, lag auch an "einem Spielzug, den wir so noch nie trainiert haben", wie Dardai mit einer Prise Sarkasmus anmerkte. Im Willen, mit einem Kraftakt die Wende einzuleiten, war sein Verteidiger John Anthony Brooks, 23, gestartet - ohne zuvor eine Versicherung abzuschließen. Brooks verstolperte den Ball, so dass die pfeilschnellen Kagawa und Reus sich einen Spaß daraus machten, Torwart Rune Jarstein zu narren, jenen Mann, der die Hertha bis zu diesem 0:2 (75.) im Spiel gehalten hatte. Die Szene war symptomatisch für die Berliner, jung, fleißig, aber längst nicht so cool, wie die Hauptstadt-Elf mal werden will. Seine Mannschaft brauche "mehr solcher Drucksituationen", sagte Dardai, und das war dann schon sein Fazit dieser sportlichen Lektion.

Nun darf Berlin wieder Kulisse sein. Für das Endspiel, das die Stadt seit 1985 ständig ausrichtet, bei dem Hertha aber seither mit der Profi-Elf noch nie vertreten war. Den Spott, den der Klub deshalb zu ertragen hatte, konnte der Vorstoß ins Halbfinale zwar mildern, doch die tiefe Sehnsucht bleibt. Dardai hatte auch deshalb angemerkt, er wolle sich eine schöne Uhr kaufen, falls seine Elf am 21. Mai mal nicht nur Cup-Claqueur, sondern live dabei sein könne.

Mit einer Uhr, so Dardai, habe er sich einst schon belohnt, als er sein erstes Spiel als Profi für die Hertha bestritt. Eigentlich eine banale Sentimentalität, die Hans-Joachim Watzke jedoch als "total deplatziert und respektlos" geißelte. Er werde Dardai eine BVB-Uhr aus dem Fan-Shop schicken, ätzte Dortmunds Vorstandschef, "dann hat er noch ein Andenken an den Abend". Immer wieder erstaunlich ist es, welche Bitterkeiten ein im Verlauf so nachtklarer Kick dann doch bei den Darstellern hinterlassen kann.

© SZ vom 22.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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