Champions League:Monaco zelebriert seine "Hühnerbatterie"

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Monacos Angreifer Radamel Falcao (M.) jubelt mit Kylian Mbappé Lottin (r.) und Benjamin Mendy. (Foto: AFP)
  • Die AS Monaco trifft im Achtelfinale der Champions League auf Pep Guardiolas Manchester City - und rechnet sich Chancen aus.
  • Vor zweieinhalb Jahren führte Trainer Leonardo Jardim ein neues Modell ein - Monaco setzt vor allem auf junge Spieler.
  • Die AS stellt zurzeit den torreichsten Sturm Europas.

Von Oliver Meiler

Von einem Modell spricht man bekanntlich erst, wenn etwas funktioniert. Davor ist eine Idee bestenfalls ein Projekt und im Zweifelsfall suspekt. Als Leonardo Jardim vor zweieinhalb Jahren von Sporting Lissabon zur Association Sportive Monaco wechselte, ließ der Verein ausrichten, der neue Trainer aus Portugal plane ein spannendes Projekt, eines mit jungen Spielern. Man hielt die Formulierung damals für Schönfärberei.

Ein unbekannter Trainer, eine unerfahrene Mannschaft - das klang, als würden die russischen Besitzer der AS nach Jahren des frivolen Prassens alles drastisch herunterfahren: Ambitionen und Kosten. Jardim, damals 40, musste sich anhören, er sei dieses Klubs, der in seiner Geschichte durchaus einige ruhmreiche Kapitel geschrieben habe, nicht würdig. Im französischen TV parodierten sie seine ungelenken Pressekonferenzen. Wenn jemand ihre Sprache nicht perfekt beherrscht, können Franzosen recht unerbittlich sein.

Nun ist das Projekt zum Modell gereift, zum "Modèle Monaco". Und wenn dem französischen Tabellenführer im Achtelfinale der Champions League gegen Pep Guardiolas Manchester City eine gute Chance eingeräumt wird, dann hat das viel mit Jardims Modell zu tun. Man kennt es inzwischen auch unter der Bezeichnung "Modèle vitrine", Modell Schaufenster.

Monaco holt Talente in großer Zahl und für wenig Geld, vertraut sie Jardim an, der sie, wenn sie willig sind und etwas können, schon nach kurzer Zeit auf die große Bühne schickt. Mit 18, 19, 20. Damit für die Beweisführung auch ständig genügend Plätze frei sind auf der Bühne, rotiert Jardim ohne Unterbrechung. Stammelf? Das ist bei ihm ein volatiler Begriff. Alle sollen immer bereit sein, erste Rollen zu spielen. Jardim lässt fast nur mit dem Ball trainieren. Zu 95 Prozent, so sagte er einmal, damit das Spiel in den Köpfen drinnen sei und jederzeit abrufbar. Auch bei den Jungen, die bei den meisten anderen Vereinen lange auf der Bank sitzen und der Elite ehrfürchtig bei der Arbeit zuschauen. Nicht so in Monaco. Da dürfen sie gleich ran.

Die Talente reüssieren - und sollen dann schnell wieder weg

Die Besten bleiben höchstens zwei Jahre. Sobald ihr Marktwert stimmt und die ersten Offerten eintreffen, werden sie für viel Geld verkauft. Die Gewinnmarge ist beträchtlich, der Anreiz für alle groß. Der sportliche Verlust wird von nachrückenden Jungen wettgemacht, die zusehen konnten, wie schnell es ihre Kollegen geschafft haben. Vielleicht liegt es auch daran, dass Monaco gerade von allen Tabellenführern in den großen Ligen Europas den torreichsten Sturm hat: 76 Tore in 26 Spielen, eine Quote von 2,92 Toren pro Spiel. Tordifferenz: plus 52.

Oft kommt es vor, dass die jungen Schaufensterkicker in der zweiten Halbzeit auflaufen und auch dann noch hungrig sind, wenn ihr Klub schon so deutlich führt, dass man sich eine ruhigere Gangart leisten könnte. Sie tun es dann auch für sich, für die eigene Karriere. Mögen auch viele von einem Leben im steuergünstigen, sonnengebadeten Fürstentum träumen: Die werdenden Jungstars wollen möglichst schnell weg - nach England, Spanien, Italien.

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Der offensive Mittelfeldspieler Thomas Lemar etwa, aus Guadeloupe, ist erst 21, tritt aber auf, als gehöre ihm schon die Welt. Er kam vor einem Jahr für vier Millionen Euro aus Caen, nun wird sein Marktwert auf 20 Millionen geschätzt. Der Stürmer Kylian Mbappé ist 18 und wird "der neue Thierry Henry" genannt, sein Debüt gab er mit 16, ein Rekord in der Vereinsgeschichte. Der portugiesische Mittelfeldspieler Bernardo Silva ist 22, kam von Benfica Lissabon und soll bereits Angebote aus halb Europa haben.

Manche nennen es eine Talentschmiede, andere eine Hühnerbatterie. Wichtig ist das Tempo. Und das hängt von Jardims Fähigkeit ab, die jungen Herrschaften auf Niveau zu bringen. Für den Verein ist er doppelt wichtig: Sportlich wird dem spärlichen Publikum im Stade Louis II immer neues Personal mit frischem Impetus vorgeführt; und auch buchhalterisch geht das bisher wunderbar auf. Nach der ersten Saison unter Jardim verkaufte Monaco junge Spieler für 150 Millionen Euro - die halbe Elf zog weg. Am meisten zu reden gab natürlich Anthony Martial, der mit 19 Jahren für 50 Millionen von Monaco zu Manchester United wechselte und damit der bisher teuerste Teenager der Geschichte ist.

Parodiert wird Leonardo Jardim nicht mehr, sein Französisch ist besser geworden. Doch die Kritik vom Anfang brennt noch nach. Jardim verpasst keine Gelegenheit, die Lobhudler von heute an ihre Geringschätzung von früher zu erinnern.

Viel Genugtuung, vielleicht sogar eine Dosis Revanche erlebt auch der Superstar im Team, Radamel Falcao, mit 16 Treffern der beste Torschütze Monacos. Der Kolumbianer ist jetzt 31 Jahre alt und hat zwei bewegte Jahre hinter sich. Der Klub lieh ihn zunächst an Manchester United aus, wo er in einer Saison nur vier Tore erzielte, dann an den FC Chelsea, wo ihm nur ein einziges gelang. Es hieß, Falcao habe nach dem Kreuzbandriss, den er sich im Winter 2014 zugezogen hatte, nie mehr zum Fußballer zurückgefunden, der er mal war. Dass er für die WM in Brasilien passen musste, habe ihm das Herz gebrochen.

Der Vater der Kompanie

Als Falcao dann vorigen Sommer aus England zurückkehrte, kam es in Monaco vielen so vor, als lade man sich einen Altstar mit ersten Attitüden des Pensionärs auf - mit hohem Salär obendrein. 1,2 Millionen Euro im Monat sollen es sein, ausgehandelt von seinem Starmanager, dem Portugiesen Jorge Mendes. "El Tigre", wie sie ihn in der Heimat rufen, war ein Kätzchen geworden. Seine Explosivität? Eine blasse Erinnerung aus seinen Zeiten, als er mit langem Haar für Atlético Madrid stürmte. Sein Instinkt im Strafraum, dieses legendäre Timing? Alles weg, scheinbar. Man fragte sich, ob man ihn nicht gleich weiterreichen sollte, um ihn wenigstens nicht mehr auf der Lohnliste stehen zu haben.

Doch Falcao blieb und fand eine neue Rolle als Vater der Kompanie. Der stille, streng gläubige Mann wurde Kapitän des jungen Teams. Er inspirierte den Nachwuchs und ließ sich inspirieren. Sein Haar trägt er kurz, aus der Ferne erkennt man ihn fast nicht mehr. Falcao bewegt sich etwas langsamer als früher und vorwiegend in der offensiven Regiezentrale, zwischen Mittelkreis und Strafraum in der gegnerischen Hälfte. Das passt gut, so kann er das Sturm-und-Drang-Modell im Spiel ein bisschen moderieren.

© SZ vom 21.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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