Argentinien im Achtelfinale:Zehn Irdische, einer vom Jupiter

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Wieder einmal die tragende Säule im argentinischen Spiel: Doppeltorschütze Lionel Messi. (Foto: REUTERS)

Dribbler, Torjäger, Freistoßschütze: Mit zwei Treffern schafft erneut Lionel Messi die Grundlage für Argentiniens 3:2-Sieg über Nigeria. Beide Teams stehen im Achtelfinale - doch die übrigen Argentinier müssen sich gewaltig steigern.

Es sollte alles anders werden diesmal. Auf mehreren Schultern sollte die Verantwortung im argentinischen Team ruhen, doch im Mittelpunkt blieb wieder Lionel Messi. Der Weltklasse-Stürmer vom FC Barcelona sorgte mit seinen Treffern (3./45.+1) maßgeblich für das 3:2 gegen Nigeria und damit auch für den souverän wirkenden Gruppensieg mit neun Punkten, später sagte er: "Wir haben es besser gemacht als in den letzten Spielen." Der dritte Treffer gelang Marcos Rojo (50.). Ebenfalls im Achtelfinale steht Nigeria, für die Afrikaner traf Ahmed Musa (4./47.).

Am Tag vor der Partie hatte Messi seinen 27. Geburtstag gefeiert, und die Stimmung in Porto Alegre dürfte ihm Freude bereitet haben: "Es ist einfach schön, hier so viele Landsleute zu sehen." Porto Alegre liegt nur knapp 600 Kilometer hinter der argentinischen Grenze, ein Katzensprung für echte Fans der Albiceleste, weshalb sich aus dem Süden eine Kolonne von Wohnwägen und anderen Gefährten nach Brasilien aufmachte: 80 000 Argentinier, nur 20 000 hatten Eintrittskarten, einige vom Rest kampierten in der Innenstadt Porto Alegres und schauten das Spiel dort.

Die bisherigen schwachen Darbietungen haben die Begeisterung der Fans also nicht geschmälert. Argentinien hatte schon vor dem letzten Gruppenspiel mit dem Einzug ins Achtelfinale seine Pflicht erfüllt, mit dem Minimalertrag von drei Treffern hatte es aber seine Fans anders als viele andere südamerikanische Teams nicht verzückt.

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Es war eine der zähesten Partien dieser Fußball-WM: Ein lichter Moment von Naturbursche Edin Dzeko genügt, damit Bosnien-Herzegowina gegen Iran in Führung geht - und schließlich 3:1 gewinnt. Über das Endergebnis freut sich auch der Wald von Salvador da Bahia.

Zur Erinnerung: Gegen Iran gewann die hoch favorisierte Auswahl erst in der Nachspielzeit, natürlich dank der einzigen kreativen und gefährlichen Kraft: Lionel Messi. Argentiniens Erfolg ist zu stark von einem Mann abhängig, weshalb Trainer Alejandro Sabella nach reiflicher Überlegung in der Abschluss-Pressekonferenz vor dem Nigeriaspiel seine Absicht kundtat: "Wir müssen die Abhängigkeit von Messi verringern."

Nur wie? Die große Lücke zwischen Mittelfeld und Angriff, der mit vier starken Stürmern bestückt ist, sollte gefüllt werden. Mehr Bewegung, mehr Räume und mehr Absprache hatte Sabella gefordert. Das ist eher graue Theorie, aber kurz schien es so, als würden die Argentinier ganz von selbst zusammenfinden.

Denn schon in der dritten Minute fiel das Führungstor, so was macht oft locker und kreativ. Nigerias Abwehr war noch gar nicht richtig sortiert, da hatte Angel Di Maria abgezogen, der Ball ging an den Hinterkopf von Torwart Enyeama, dann an den Pfosten, den Rücken Enyeamas, den Pfosten, vor die Füße Messis, und von dort unter die Latte ins Tor. 80 000 Fans und Camper waren aus dem Häuschen, aber eine Minute später, in den Jubel hinein, fiel das 1:1.

Denn: Die argentinische Abwehr war noch gar nicht richtig sortiert, da kreuzte links Ahmed Musa nach feinem Zuspiel von Babatunde auf, legte sich den Ball auf rechts und schlenzte ihn ins Eck. Es wurde wieder ruhig, denn Argentinien verfiel in seinen bekannten Trott, ohne Tempo, ohne Spielidee, mit wenig Chancen.

Sabellas Team blieb abhängig von Messi, aber das machte nichts, denn Messi hat offenbar kein Problem mit der Last der Verantwortung. Zunächst suchte er noch die ideale Position im Offensivspiel, dann rutschte er einmal knapp an einem scharfen Pass in den Strafraum vorbei, schien sich aber immer heimischer zu fühlen in diesem Spiel. Es gab zwar keinen durchdachten Aufbau aus dem Mittelfeld heraus, der Ball wurde je nach Glück oder nigerianischem Stellungsfehler in den Angriff durchgesteckt, oder Argentiniens Stürmer besorgten ihn sich irgendwie selber.

Schließlich übernahm Messi die Rolle des Entertainers. Drei Minuten vor der Pause fischte Enyeama gerade noch einen Messi-Freistoß aus dem Winkel. In der Nachspielzeit lag der Ball nach dem nächsten Messi-Freistoß dann zum 2:1 im Netz. Gefoult worden war zuvor Lionel Messi.

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Argentinien hatte in der zweiten Hälfte insgesamt mehr vom Spiel, und dank weiterer Tore wurde die Partie unterhaltsam. Gleich nach der Pause glich abermals Ahmed Musa aus. Doch ähnlich wie in der ersten Hälfte hielt auch der Ausgleichstreffer nur kurz, diesmal waren es zwei Minuten. Nach Ecke von links gelangte der Ball ans Knie von Argentiniens Verteidiger Marcos Rojo und von dort ins Tor. Nigerias Abwehrspieler waren weit weg, genauso wie diesmal auch Lionel Messi, der seine Aufgabe an diesem Nachmittag aber schon erfüllt hatte.

Einige Torchancen ergaben sich noch, denn beide Teams konnten befreit auftreten. Argentinien hatte dem Publikum drei Tore geboten, und auch Nigerias Spieler konnten sich entspannen, Konkurrent Iran lag mittlerweile schon 0:2 zurück, das Team von Trainer Stephen Keshi steuerte auch mit Rückstand aufs Achtelfinale zu. Keshi hatte dann auch Muße für großzügiges Lob: "Messi ist vom Jupiter." Dennoch, ein flüssiges Angriffsgefüge bot Argentinien weiter nicht, die Auswahl ist in diesem Zustand kein Titelkandidat. Die Abwehr zeigte obendrein Lücken, die sich das Team in der K.o.-Runde nicht leisten kann. Sicher bleibt wohl nur die Form von Lionel Messi, dem Dribbler, Torjäger und Freistoßschützen. In der 63. Minute nahm ihn Sabella lieber vom Platz. Messi stehen noch anstrengende Tage bevor.

© SZ vom 26.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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